Capital – Wir sind alle Millionäre
Die Briten sind für viele Dinge bekannt und dazu gehören auch ihr Lebensstil, ihr Geld und ihre verdammt kurzen Serienstaffeln. Mit ihren gerade einmal drei Episoden verbindet die Miniserie „Capital – Wir sind alle Millionäre“diese und noch einige andere Elemente des britischen Lebens mit einer spannenden Prämisse.
In der Pepys Road im Süden Londons sind die verschiedensten Schichten der Bevölkerung zusammen gewürfelt. Vom polnischen Handwerker bis zum reichen englischen Bankier, vom pakistanischen Ladenbesitzer zur nigerianischen Politesse ohne Lizenz – die Pepys Road ist der Schmelztiegel Londons. Doch sie alle haben eins gemeinsam: ihre Heime sind viel Geld wert und sie alle werden täglich mit Fotos ihrer Häuser und der Nachricht „Wir wollen, was ihr habt“terrorisiert. Doch während das Mysterium rund um die geheimnisvollen Nachrichten schnell zur Nebensache wird, entspinnen sich doch eine ganze Reihe lebensverändernder Schicksale und die Serie wagt einen tiefen Blick in die britische, oder besser gesagt in unsere Gesellschaft. Geschichten darüber, wie Bürokratie Leben zerstören kann, wie Vorurteile zum Terrorverdacht führen und wie schnell aus Reich Arm und aus Arm Reich werden kann. Sie erzählt aber auch von Liebe, von Hürden und von unerwartetem Glück.
Kleine Serie, große Ziele
Was die Miniserie in gerade einmal drei Episoden zustande bekommt, ist durchaus beeindruckend und wurde deshalb auch zurecht mit einem „International Emmy“als „Beste Miniserie“ausgezeichnet. Mit Präzision und Feingefühl werden Charaktere geschaffen und entwickelt, deren Schicksale nicht nur nachvollziehbar, sondern auch Augen öffnend sind. Die Serie scheut nicht davor zurück, eine ganze Reihe schwieriger Themen auf einmal anzupacken. Klassenkampf, Religion, Flüchtlingsprobleme und der unausweichliche Tod sind nur einige davon. Dabei basiert die Geschichte auf John Lanchesters Roman „KAPITAL“und zeigt eindrucksvoll, dass Miniserien ein sinnvolles Format für Romanumsetzungen darstellen. Keine Szene ist verschwendet, kein Dialog ohne Konflikte. „Capital“nimmt sich genau die Zeit, die es braucht, um seine Geschichten zu erzählen. Zu verdanken ist das natürlich auch den starken Darstellern und nicht zuletzt Regisseur Euros Lynn, der an nahezu jedem britischen Serienhighlight der letzten Jahre beteiligt war. Mit „Sherlock“, „Black Mirror“und „Doctor Who“ist Lynn ein Garant für gute Unterhaltung.
Schönheit nur von Innen?
Gerade mit diesen Grundvoraussetzungen ist es jedoch schade, dass „Capital“rein optisch kaum der Rede wert ist. Während die Großstadtbilder Londons noch ganz schick erscheinen, wirken die durchschnittlichen Szenen in der Pepys Road eher schlicht, was zumindest als Kommentar auf das Alltagsleben ihrer Bewohner gerechtfertigt werden könnte. Hilfreich wäre es sicher auch gewesen, in den Eröffnungsszenen die Wohnverhältnisse der verschiedenen Charaktere besser zu verdeutlichen. Auch die durchaus interessante Prämisse hätte sicher noch viel weiter entwickelt werden können. Spätestens nach einer halben Folge rückt das Geheimnis um die Botschaften vollkommen in den Hintergrund und wird von den Einzelschicksalen der Protagonisten überschattet. Kritik an der Serie wurde auch im Bezug auf die eher unbefriedigende Auflösung gerichtet. Doch betrachtet man die Botschaften gerade mal als Startschuss für eine ganze Reihe starker Geschichten und als ausreichende Rechtfertigung für das Zusammentreffen und interagieren der vielen interessanten Figuren, so spielt die Auflösung am Ende eigentlich gar keine so große Rolle mehr. Der Weg ist hier das Ziel und es ist absolut ein spannender, emotionaler und bedeutungsvoller Weg.