Plötzlich Papa
Seit dem Überraschungshit „Ziemlich beste Freunde“ist der Comedian Omar Sy weltweit als sympathischer Spaßmacher bekannt. Nach einigen Gastspielen in Hollywood kehrt er mit der Tragikomödie „Plötzlich Papa“wieder in seine filmische Heimat Frankreich zurüc
Dass Bühnenkomiker oft großes Schauspieltalent besitzen, ist hinlänglich bekannt. Adam Sandler zeigte etwa in „Punch Drunk Love“oder „Die Liebe in mir“dass in ihm mehr steckt als nur ein unlustiger Kino-Clown. Der Auftritt in „Foxcatcher“brachte Comedian Steve Carell sogar eine Golden-Globe- und eine Oscar-Nominierung ein. Ob Omar Sy diese Ehre irgendwann einmal zuteil werden wird, darüber kann man nur mutmaßen. Aber seine Performance in „Plötzlich Papa“ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Die Tragikomödie über einen machohaften Single, der unfreiwillig zum alleinerziehenden Vater wird, hat man zwar schon dutzende Male gesehen, doch Sy macht den Film mit seinem einzigartigen Charme zu etwas wirklich Besonderem. Hinzu kommt, dass der talentierte Regisseur Hugo Gélin („Just Like Brothers“, 2012) die altbackene Storyline mit lebhaften Figuren behutsam verändert und sich nicht davor scheut, zwischen den vielen Lachern auch ernste Thematiken anzusprechen. Das Ergebnis ist ein herzerwärmender Film mit gewohnt französischem Flair, dem die Gratwanderung zwischen Comedy und Drama in fast jedem Moment scheinbar spielerisch gelingt.
Übervater wider Willen
Die leicht abgewandelte „Mann wird unerwartet Vater“-Story dreht sich dabei um den Partylöwen und Frauenheld Samuel (Omar Sy), der sich als buchbarer Bootskapitän in Südfrankreich verdingt und jede Form von Verantwortung ablehnt. Als dann aber eines Tages die junge Christin (Cléménce Poésy) mit Samuels drei Monate alter Tochter Gloria auftaucht, ihm das Baby sprichwörtlich in die Hand drückt und dann verschwindet, wird die Welt von Samuel auf den Kopf gestellt. Bei dem Versuch, Christin das Kind in London zurück zu geben, sitzt er plötzlich ohne Job in der britischen Metropole fest. Durch einen Zufall lernt er aber den Filmproduzenten Bernie (Antoine Betrand) kennen, der Samuel als Stuntman engagiert. Die zwei neuen Freunde ziehen Gloria (Gloria Colston) fortan ohne Probleme gemeinsam groß – acht Jahre lang scheint alles perfekt. Doch dann taucht Christin wieder im Leben von Samuel und seiner Tochter auf, was wieder alles durcheinander bringt.
Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt
Auf den ersten Blick wirkt der Film wie eine reinrassige Komödie über das Chaos, dass ein alleinerziehender Vater durchlebt, wenn auf einmal ein Kind in sein Leben tritt. Doch was andere Filme über ihre gesamte Laufzeit strecken, handelt „Plötzlich Papa“in einer kurzen Montage ab und spart sich damit eine klischeehafte Erzählung darüber, dass Männer in Sachen Nachwuchs anscheinend keine Ahnung haben. Stattdessen fokussiert sich Regisseur Hugo Gélin lieber auf die tolle Vater-Tochter-Beziehung zwischen Samuel und Gloria, aber auch auf die Probleme, die mit der Rückkehr von Mutter Christin entstehen. Ab dem zweiten Drittel ähnelt der Film daher eher einer französischen Version von „Kramer vs. Kramer“– es geht um Sorgerechtstreitigkeiten und elterliche Schuldgefühle, wodurch der Comedy-Aspekt immer öfter in den Hintergrund rückt. Dieser tonale Wechsel würde viele Filme aus der Bahn werfen, „Plötzlich Papa“erhält dadurch aber eine zusätzliche, emotionale Ebene.
Wie der Papa, so die Tochter
Eine entscheidende Rolle spielt dabei natürlich das Duo Omar Sy und Gloria Colston. Der Comedian und die Jungschauspielerin handeln im Film derart vertraut miteinander, dass man fast denken könnte, sie wären wirklich Vater und Tochter. Sy spielt seine Rolle als Single-Papa mit Plan herausragend gut: Seinem gewohnt charmantem Witz fügt der Komiker eine bisher unbekannte Ernsthaftigkeit und ehrliche Verletzlichkeit hinzu, die von Colstons unbeschwerter, frühreifer Art ergänzt wird. Cléménce Poésys komplexe Performance sollte ebenfalls lobend erwähnt werden. Sie ist eben nicht nur die böse, schuldbeladene Mutter, sondern eine geläuterte Frau, die endlich dazu bereit ist, sich um ihr Kind zu kümmern. Ein kleines Highlight des Films ist auch Antoine Bertrand, der als putziger Patenonkel zwar nicht häufig in Erscheinung tritt, aber immer dann einen brillanten Comic-Relief abgibt.
Lost in Translation
Die grundlegend positive Stimmung von „Plötzlich Papa“spiegelt sich auch in der lebhaften Bildsprache mit satter Farbgebung wider. Die hohe Bildschärfe lässt selbst kleinste Gesichtsdetails in den Nahaufnahmen sichtbar werden. Der mit R’n’B-, Soul- und Pop-Tracks gespickte Score unterstreicht diesen Gute-Laune-Faktor noch zusätzlich. Einziger Wermutstropfen bei der technisch fast fehlerfreien Blu-ray ist die deutsche Lokalisierung: Während nämlich alle französischen Dialoge übersetzt wurden, müssen die guten deutschen Sprecher bei allen englischen Zeilen ihren Oxford-Dialekt auspacken, was einige Zuschauer vielleicht verwirren - und manchen Szenen damit auch etwas den Witz rauben wird. Aber das ist das bekannte Meckern auf hohem Niveau, denn davon einmal abgesehen ist „Plötzlich Papa“ein weiteres Beispiel für die französische Kunst, Tragik und Komik gekonnt miteinander zu verbinden. Und der Film beweist wieder einmal, dass in Comedians wie Omar Sy hin und wieder wahre Charakterdarsteller schlummern.