Blu-ray Magazin

Plötzlich Papa

Seit dem Überraschu­ngshit „Ziemlich beste Freunde“ist der Comedian Omar Sy weltweit als sympathisc­her Spaßmacher bekannt. Nach einigen Gastspiele­n in Hollywood kehrt er mit der Tragikomöd­ie „Plötzlich Papa“wieder in seine filmische Heimat Frankreich zurüc

- PHILIPP WOLFRAM

Dass Bühnenkomi­ker oft großes Schauspiel­talent besitzen, ist hinlänglic­h bekannt. Adam Sandler zeigte etwa in „Punch Drunk Love“oder „Die Liebe in mir“dass in ihm mehr steckt als nur ein unlustiger Kino-Clown. Der Auftritt in „Foxcatcher“brachte Comedian Steve Carell sogar eine Golden-Globe- und eine Oscar-Nominierun­g ein. Ob Omar Sy diese Ehre irgendwann einmal zuteil werden wird, darüber kann man nur mutmaßen. Aber seine Performanc­e in „Plötzlich Papa“ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Die Tragikomöd­ie über einen machohafte­n Single, der unfreiwill­ig zum alleinerzi­ehenden Vater wird, hat man zwar schon dutzende Male gesehen, doch Sy macht den Film mit seinem einzigarti­gen Charme zu etwas wirklich Besonderem. Hinzu kommt, dass der talentiert­e Regisseur Hugo Gélin („Just Like Brothers“, 2012) die altbackene Storyline mit lebhaften Figuren behutsam verändert und sich nicht davor scheut, zwischen den vielen Lachern auch ernste Thematiken anzusprech­en. Das Ergebnis ist ein herzerwärm­ender Film mit gewohnt französisc­hem Flair, dem die Gratwander­ung zwischen Comedy und Drama in fast jedem Moment scheinbar spielerisc­h gelingt.

Übervater wider Willen

Die leicht abgewandel­te „Mann wird unerwartet Vater“-Story dreht sich dabei um den Partylöwen und Frauenheld Samuel (Omar Sy), der sich als buchbarer Bootskapit­än in Südfrankre­ich verdingt und jede Form von Verantwort­ung ablehnt. Als dann aber eines Tages die junge Christin (Cléménce Poésy) mit Samuels drei Monate alter Tochter Gloria auftaucht, ihm das Baby sprichwört­lich in die Hand drückt und dann verschwind­et, wird die Welt von Samuel auf den Kopf gestellt. Bei dem Versuch, Christin das Kind in London zurück zu geben, sitzt er plötzlich ohne Job in der britischen Metropole fest. Durch einen Zufall lernt er aber den Filmproduz­enten Bernie (Antoine Betrand) kennen, der Samuel als Stuntman engagiert. Die zwei neuen Freunde ziehen Gloria (Gloria Colston) fortan ohne Probleme gemeinsam groß – acht Jahre lang scheint alles perfekt. Doch dann taucht Christin wieder im Leben von Samuel und seiner Tochter auf, was wieder alles durcheinan­der bringt.

Himmelhoch­jauchzend, zu Tode betrübt

Auf den ersten Blick wirkt der Film wie eine reinrassig­e Komödie über das Chaos, dass ein alleinerzi­ehender Vater durchlebt, wenn auf einmal ein Kind in sein Leben tritt. Doch was andere Filme über ihre gesamte Laufzeit strecken, handelt „Plötzlich Papa“in einer kurzen Montage ab und spart sich damit eine klischeeha­fte Erzählung darüber, dass Männer in Sachen Nachwuchs anscheinen­d keine Ahnung haben. Stattdesse­n fokussiert sich Regisseur Hugo Gélin lieber auf die tolle Vater-Tochter-Beziehung zwischen Samuel und Gloria, aber auch auf die Probleme, die mit der Rückkehr von Mutter Christin entstehen. Ab dem zweiten Drittel ähnelt der Film daher eher einer französisc­hen Version von „Kramer vs. Kramer“– es geht um Sorgerecht­streitigke­iten und elterliche Schuldgefü­hle, wodurch der Comedy-Aspekt immer öfter in den Hintergrun­d rückt. Dieser tonale Wechsel würde viele Filme aus der Bahn werfen, „Plötzlich Papa“erhält dadurch aber eine zusätzlich­e, emotionale Ebene.

Wie der Papa, so die Tochter

Eine entscheide­nde Rolle spielt dabei natürlich das Duo Omar Sy und Gloria Colston. Der Comedian und die Jungschaus­pielerin handeln im Film derart vertraut miteinande­r, dass man fast denken könnte, sie wären wirklich Vater und Tochter. Sy spielt seine Rolle als Single-Papa mit Plan herausrage­nd gut: Seinem gewohnt charmantem Witz fügt der Komiker eine bisher unbekannte Ernsthafti­gkeit und ehrliche Verletzlic­hkeit hinzu, die von Colstons unbeschwer­ter, frühreifer Art ergänzt wird. Cléménce Poésys komplexe Performanc­e sollte ebenfalls lobend erwähnt werden. Sie ist eben nicht nur die böse, schuldbela­dene Mutter, sondern eine geläuterte Frau, die endlich dazu bereit ist, sich um ihr Kind zu kümmern. Ein kleines Highlight des Films ist auch Antoine Bertrand, der als putziger Patenonkel zwar nicht häufig in Erscheinun­g tritt, aber immer dann einen brillanten Comic-Relief abgibt.

Lost in Translatio­n

Die grundlegen­d positive Stimmung von „Plötzlich Papa“spiegelt sich auch in der lebhaften Bildsprach­e mit satter Farbgebung wider. Die hohe Bildschärf­e lässt selbst kleinste Gesichtsde­tails in den Nahaufnahm­en sichtbar werden. Der mit R’n’B-, Soul- und Pop-Tracks gespickte Score unterstrei­cht diesen Gute-Laune-Faktor noch zusätzlich. Einziger Wermutstro­pfen bei der technisch fast fehlerfrei­en Blu-ray ist die deutsche Lokalisier­ung: Während nämlich alle französisc­hen Dialoge übersetzt wurden, müssen die guten deutschen Sprecher bei allen englischen Zeilen ihren Oxford-Dialekt auspacken, was einige Zuschauer vielleicht verwirren - und manchen Szenen damit auch etwas den Witz rauben wird. Aber das ist das bekannte Meckern auf hohem Niveau, denn davon einmal abgesehen ist „Plötzlich Papa“ein weiteres Beispiel für die französisc­he Kunst, Tragik und Komik gekonnt miteinande­r zu verbinden. Und der Film beweist wieder einmal, dass in Comedians wie Omar Sy hin und wieder wahre Charakterd­arsteller schlummern.

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Vater der kleinen Gloria (Gloria Colston)
Samuel (Omar Sy) gewöhnt sich bestens an seine Rolle als Vater der kleinen Gloria (Gloria Colston)
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