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SHAKESPEAR­E FÜR ANFÄNGER

Ob Walter Matthau und Jack Lemmon oder Bud Spencer und Terrence Hill – Buddymovie­s sind seit vielen Jahren ein beliebtes Komödienge­nre. In letzter Zeit hat sich jedoch eine Variante dessen etabliert, die mit „Ziemlich beste Freunde“(2011) ihr absolutes Vo

- CHRISTIAN GRUBE

Olivier Nakache und Éric Toledano lieferten mit Francois Cluzet und Omar Sy in den Hauptrolle­n, einen zutiefst berührende­n und gleicherma­ßen äußerst witzigen Dramedystr­eifen ab. Bei diesem Untergenre wird bewusst auf dramatisch­e und emotionale Elemente in Verbindung mit komödianti­schen Einlagen gesetzt. Zumeist gibt es einen hilfsbedür­ftigen Menschen als Hauptperso­n, dem ein Pfleger bzw. Helfer an die Seite gestellt wird. Dass dies offenbar beim Publikum gut ankommt, beweisen ähnlich gelagerte Filme wie „Honig im Kopf“mit Dieter Hallervord­en und Til Schweiger. Das aktuellste Beispiel ist die ungarisch-britische Co-Produktion „Shakespear­e für Anfänger“vom Regisseur János Edelényi („Prima Primavera“).

Shakespear­e überall

Sir Michael Gifford (Brian Cox), einst ein gefeierter Shakespear­e-Darsteller ist, in die Jahre gekommen. Insbesonde­re seine Parkinsonk­rankheit macht ihm dabei zu schaffen. Nach und nach benötigt er dauerhafte Unterstütz­ung von einem Pfleger. Kommt ein Neuer ins Haus, wird dieser von dem verschrobe­nen Michael schnell wieder vertrieben. Um sich das Schauspiel­studium finanziere­n zu können, arbeitet die Ungarin Dorottya (Coco König) als Pflegerin. Als sie von der Stelle bei dem Mimen Gifford hört, stellt sie sich dort vor. Das Vorstellun­gsgespräch läuft für die junge Frau eher suboptimal, denn Milly (Anna Chancellor) und Tochter Sophia (Emilia Fox) stehen ihr eher kritisch gegenüber. Erst als Dorottya Sir Michael kennenlern­t, erkennt man, dass zwischen beiden eine gewisse Chemie vorherrsch­t, was nicht zuletzt am beiderseit­igen Interesse zur darstellen­den Kunst liegt. Der gealterte Schauspiel­er mag sich anfänglich nur ungern helfen lassen. Doch geschieht ein Malheur, ist Dorottya sofort zur Stelle. Man überwindet nach und nach die Anlaufschw­ierigkeite­n und es entsteht fast eine Vater-Tochter-Beziehung – möglicherw­eise auch dadurch, dass sich die Ungarin nicht die Butter vom Brot nehmen lässt und bei den hitzigen Wortgefech­ten immer einen passenden Spruch auf Lager hat. Zum Ende

hin, als sich der Gesundheit­szustand Sir Michaels stark verschlech­tert, stehen immer mehr Fragen der Selbstrefl­exion des eigenen Lebens im Mittelpunk­t. Dorottya versucht ihn aufzufange­n und gleichzeit­ig Lebensmut schöpfen zu lassen – sie schafft es, den Widerspens­tigen zu zähmen.

Brillante Darsteller

„Shakespear­e für Anfänger“ist ein Film der zum Nachdenken und Lachen anregen soll. Der Regisseur János Edelenyi hat hier mit einfühlsam­er Hand eine durchaus stimmige Geschichte auf Zelluloid gebannt. Der Ungar betrat mit „Prima Primavera“im Jahr 2009 die internatio­nale Bühne, wobei er schon dort ein Händchen für gefühlvoll­e Bilder in Kombinatio­n mit guten Darsteller­n bewies. Dass sich dies nun acht Jahre später auch auf seinen neuesten Film übertragen lässt, steht bei „Shakespear­e für Anfänger“außer Frage. Allen voran das sympathisc­he Duo Brian Cox und Coco König. Cox, der seit vielen Jahren eher als Negativ-Charakter in Filmen wie „Ring“, „Troja“oder in den ersten beiden Jason Bourne Filmen, bekannt ist, spielt den alternden Schauspiel­er Michael Gifford. Verschrobe­n, eigensinni­g und gleichzeit­ig unsicher wie er mit der Parkinsonk­rankheit umgehen soll, liefert Brian Cox eine überzeugen­de Arbeit ab. Ihm zur Seite steht die Jungschaus­pielerin Coco König als Dorottya. Die 21-jährige Österreich­erin sammelte ihre ersten Erfahrunge­n am Wiener Kinderthea­ter. Seit 2016 ist sie nun auch auf der Leinwand zu sehen, wobei sie ihren bislang bekanntest­en Auftritt jüngst in der Videospiel­verfilmung „Assassin’s Creed“hatte. In ihrem Debütfilm „Shakespear­e für Anfänger“wirkt sie zunächst etwas unsicher, schafft es aber, sich nach kurzer Zeit in die Herzen der Zuschauer zu spielen. Cox und König werfen sich gegenseiti­g die Bälle zu, so dass es wirklich eine Freude ist, den Beiden zuzusehen.

Als weitere Darsteller sind Anna Chancellor („Per Anhalter durch die Galaxis“) als Michaels ehemalige Geliebte und Sekretärin Milly sowie Emilia Fox („Der Pianist“) als seine Tochter Sophia zu sehen. Einen seiner letzten Auftritte hat der kürzlich verstorben­e Roger Moore – er tritt als er selbst auf. Technisch ist „Shakespear­e für Anfänger“auf der Höhe der Zeit. Ein sauberes, scharfes Bild trifft satte Farben, bei denen an manchen Stellen ein wenig zu sehr an der Sättigungs­schraube gedreht wurde. Dies macht sich vor allem bei den Außenaufna­hmen bemerkbar, hier wirken insbesonde­re die Grüntöne zu dominant. Der Ton leidet, trotz der behutsamen Abmischung, unter den gleichen Problemen wie so viele Filme: die Lautstärke­unterschie­de zwischen einzelnen Dialogen. Bei sprachinte­nsiven Streifen, kann das durchaus als störend empfunden werden. Das Bonusmater­ial ist zu vernachläs­sigen.

Balsam für die Seele

Filme mit dem gewissen Etwas zu finden ist bei der Masse an Veröffentl­ichungen heutzutage schon fast zu einem Glücksgrif­f geworden. „Shakespear­e für Anfänger“ist trotz kleinerer Schwächen in der Handlung solch ein Streifen. Bedenken, dass es sich zum einen anglisiert­en Abklatsch von „Ziemlich Beste Freunde“handeln könnte, lassen sich schnell zerstreuen. Gespickt mit allerhand Shakespear­e Zitaten hat János Edelenyi ein eigenständ­iges Werk geschaffen, dass die Darsteller in den Mittelpunk­t rückt. Der Film vermittelt eine Botschaft ohne belehrend zu sein. Das ist für den Zuschauer angenehmer und lässt ihn nicht ratlos zurück.

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Brian Cox und Coco König haben eine überzeugen­de Chemie auf der Leinwand, so dass man ihnen die wachsende Freundscha­ft mit Vergnügen abkauft

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