Blu-ray Magazin

Jackie DIE FIRST LADY

- MURIEL KUBAILE

Die Handlung steigt mit dem Interview eines Journalist­en (Billy Crudup) ein, der Jackie eine Woche nach dem Tod ihres Mannes John F. Kennedy in ihrem Landsitz besucht. Die Atmosphäre ist kühl, Jackie wirkt distanzier­t, verbittert und lässt den Journalist­en deutlich spüren, was sie von der Presse hält. Einzelne Rückblende­n brechen die steife Atmosphäre des Interviews auf und erzählen die Geschichte des Attentats an JFK aus der Sicht von Jackie Kennedy. Dabei ist Regisseur Pablo Larraín eine bemerkensw­erte Gratwander­ung zwischen Realität und Fiktion gelungen, denn der Film maßt sich nicht an, das Mysterium um Jackie Kennedy zu entschlüss­eln. Viel mehr formt er eine Idee von der First Lady, die einen als Zuschauer mit staunenden Augen zurückläss­t.

„And the winner is…“

Man kennt Natalie Portman als Jane Foster in „Thor“, Padmé Amidala in „Star Wars“und Nina Sayers in „Black Swan“. Mit letzterem Film verdiente sie sich in der Rolle als psychisch labile Balletttän­zerin 2011 einen Oscar. Und fast hätte dieser Gesellscha­ft im Trophäensc­hränkchen bekommen, denn was Portman in „Jackie“geleistet hat, war zu recht eine Oscar-Nominierun­g wert. Fokussiert auf eine kurze Zeitspanne vor und nach dem Attentat an JFK, porträtier­t der Film die Frau, die hinter der harten, glänzenden Schale von Jackie Kennedy steckt. Eine Frau, die in nur wenigen Sekunden nicht nur ihren Mann verloren hat, sondern auch alles, was ihr Leben ausmachte. Man sieht eine krampfhaft weinende Jackie, die sich vor dem Spiegel mit zitternden Händen das Blut ihres eigenen Mannes aus dem Gesicht wischt. Man sieht eine steinharte, wild entschloss­ene Jackie, die für das Vermächtni­s und die Ehre ihres Mannes kämpft. Natalie Portman verkörpert Jackie Kennedy mit einer Perfektion, die dem Wort Charakters­tudie eine ganz neue Bedeutung verleiht. Das reicht von einfachen Gesten bis hin zu ihrer Art zu Gehen und zu Sprechen. Somit schafft sie es mühelos, den Film als Hauptdarst­ellerin auszufülle­n. Und das muss sie auch, denn sie trägt das Gewicht des Dramas fast allein auf ihren Schultern. Zwar wird sie von Peter Sarsgaard als Bobby Kennedy und Greta Gerwig als Nancy Tuckerman unterstütz­t, die ebenfalls Hochklassi­ges abliefern, jedoch ist es Portman, die in ausnahmslo­s jeder einzelnen Szene im Mittelpunk­t steht. Die Kamera klebt förmlich an ihrem Gesicht und fängt jedes Blinzeln und jede Lippenbewe­gung haargenau ein. Doch genau in dieser Besonderhe­it liegt auch gleichzeit­ig die Schwäche des Films.

Gut Ding will Weile haben

Wer eine aktive Handlung mit Spannung und Nervenkitz­el erwartet, der soll hiermit gewarnt sein. Pablo Larraín setzt auf Ruhe und Gefühl statt Herzrasen und Aufregung. Die Handlung lässt sich Zeit und entwickelt sich betont langsam. Um bis zum Ende des Filmes bei der Sache zu bleiben, erfordert es Konzentrat­ion und nicht zuletzt eine Portion Geduld. Deshalb ist es trotz ausgezeich­neter schauspiel­erischer Leistung vermutlich trotzdem eine kleinere Zielgruppe, die der Film ansprechen wird. Das einzige Element, das drastisch aus dem ruhigen Konzept herausstic­ht, ist John F. Kennedys Ermordung. Als ihm die tödliche Kugel die rechte Hälfte seines Schädels zertrümmer­t und er auf Jackies Schoß zusammensa­ckt, kann man sich dem beklemmend­en Gefühl nicht entziehen.

Wie muss sie sich in diesem Moment gefühlt haben? Wie muss es gewesen sein, etwas derart Grausames mitzuerleb­en und es auch noch mit der Öffentlich­keit teilen zu müssen? Diesen Fragen bietet der Film eine Antwort an. Detaillier­te Nahaufnahm­en lassen uns in Jackie Kennedys Gefühlswel­t eintauchen und ihre Erschütter­ung miterleben. Szenen, wie Jackie vor dem Sarg ihres Mannes kniet, oder wie sie ihren Kindern erklärt, dass ihr Vater nicht mehr wiederkomm­en wird, verfehlen ihre Wirkung beim Zuschauer nicht.

Weniger ist mehr

Visuelle Effekte lässt Larraín nahezu komplett außen vor. Man findet keine aufwendig gedrehten Szenen, was aber auch nicht nötig ist, denn „Jackie“fesselt mit Ausdruck und Gefühl. Außerdem greift der Regisseur auf ein einfaches, aber wirksames Stilmittel zurück: Die Handperspe­ktive. Das sanfte Wackeln und Schaukeln der Kamera erzeugt eine intime Atmosphäre, bei der der Zuschauer das Gefühl bekommt, direkt neben der First Lady zu stehen. Ein Film mit einem derart sensiblen Thema, der sich hauptsächl­ich mit Schock und Trauer beschäftig­t, verlangt natürlich auch eine entspreche­nde Farbwahl. Kühle und blasse Farben dominieren das Bild.

Auch die Filmmusik bietet nicht allzu viel Abwechslun­g, weiß aber die Handlung gezielt zu unterstrei­chen. Natürlich kann es kein Happy End geben und doch wirkt Jackie am Ende des Interviews gefasster, als sie von den glücklichs­ten Jahren ihres Lebens erzählt. Diese verbindet sie mit dem Lieblingsm­usical ihres Mannes „Camelot“, dessen letzter Satz ihr, und wahrschein­lich auch dem Zuschauer, lange im Gedächtnis bleibt. „Und vergiss niemals diesen Ort, denn es gab für einen kurzen, strahlende­n Moment wirklich dieses Camelot.“

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 ??  ?? Eine blutüberst­römte Jackie (Natalie Portman), die gerade ihren Mann verloren hat In den wohl schwersten Tagen ihres Lebens musste Jackie dennoch den Kindern ein Vorbild sein Jackie Kennedy war berühmt für ihren ausgezeich­neten Geschmack in Sachen Mode
Eine blutüberst­römte Jackie (Natalie Portman), die gerade ihren Mann verloren hat In den wohl schwersten Tagen ihres Lebens musste Jackie dennoch den Kindern ein Vorbild sein Jackie Kennedy war berühmt für ihren ausgezeich­neten Geschmack in Sachen Mode

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