Blu-ray Magazin

HALT AND CATCH FIRE

WELCOME TO MUTINY

- INES MANNTEUFEL

Verkannte Juwelen gibt es viele in der Serienland­schaft. Aber keine löst solch positive Gefühle aus, wie „Halt And Catch Fire“, die vor Innovation­sgeist, tollen Drehbücher­n und exzellente­n Schauspiel­ern nur so strotzt. Nicht zu vergessen die Synthie-Klänge der 1980er …

Die Welt amerikanis­cher TV-Serien ist eine ungerechte. Geht man nach der Berichters­tattung in Fernsehzei­tschriften und Internetpo­rtalen, gibt es scheinbar nur eine Handvoll Serien, über die es sich zu reden lohnt, und zwar immer und immer wieder. Im Schatten dieser turmhohen Giganten wie „Game of Thrones“, „The Walking Dead“, „House of Cards“oder „Sherlock“, fristen qualitativ mindestens ebenbürtig­e Serien das Schicksal, trotz aller Stärken immer und immer wieder übersehen zu werden. Kein Wunder, dass es derartige Produktion­en dann noch schwerer haben, den Weg über den großen Teich und einen Platz im Programm eines deutschen TV-Senders zu finden. Immerhin, die von Kritikerlo­b überhäufte Serie „Halt And Catch Fire“, ein in der Computersz­ene der 1980er Jahre angesiedel­tes Karrieredr­ama, hatte das Glück, von Amazon ins Prime-Programm aufgenomme­n zu werden, doch trotz dieses erfreulich­en Umstands ist der Titel selbst bei ausgesproc­henen Serien-Geeks häufig sträflich unbekannt.

Alte Bekannte

Während im Streamingd­ienst des Online-Giganten bereits die dritte Staffel darauf wartet, „gebingt“zu werden, können Liebhaber physischer

Datenträge­r sich nun endlich mit der zweiten, wieder zehn Episoden starken Staffel vergnügen. Diese legt im Vergleich zur ersten in Hinsicht auf Spannung und Dramatik noch einmal erheblich zu. Hatte in dieser noch die Entwicklun­g eines überlegene­n Konkurrent­en zu den in den 1980ern dominieren­den Bürocomput­ern von IBM im Mittelpunk­t gestanden, trennen sich hier die Wege der für das Projekt Verantwort­lichen. Joe MacMillan (Lee Pace), der ehemalige IBM-Mitarbeite­r, der die Entwicklun­g des „Giant“getauften Computers durch das mittelstän­dische texanische Softwareha­us Cardiff Electric anstieß und vorantrieb, hat Dallas verlassen und lebt nun in Austin, wo er sich anschickt, für die Firma des Vaters seiner neuen Liebschaft zu arbeiten. Softwareen­twicklerin Cameron Howe (Mackenzie Davis), maßgeblich verantwort­lich für das Betriebssy­stem von „Giant“, hatte bereits Ende der letzen Staffel im Streit mit Joe das Unternehme­n verlassen, ihre eigene Softwarefi­rma namens „Mutiny“(Meuterei) gegründet und einen Großteil der Entwickler mitgenomme­n. Statt dröger Betriebssy­steme will man revolution­äre Online-Spiele entwickeln. Dem Dritten im Trio, Hardware-Ingenieur Gordon Clark (Scott McNairy), fällt die unangenehm­e Aufgabe zu, als letzter Präsident von Cardiff Electric die Abwicklung der in Auflösung befindlich­en Firma zu übernehmen, wobei dabei für ihn immerhin eine Dividenden­zahlung von einer knappen Million Dollar herausspri­ngt. Er verfügt also über die Mittel, um sich neuen Projekten zu widmen.

Neue Fronten

Doch „Halt And Catch Fire“stellt weniger die Technik, die Software, die kalten, harten Zahlen in den Mittelpunk­t, vielmehr erzählt es von den Träumen seiner Charaktere, den Wegen, die sie einschlage­n, um sie zu erreichen, die Opfer, die sie für diese Ziele bereit sind, zu bringen. Mit jeder der wichtigen Figuren kann man auf die eine oder andere Art mitfühlen, ihre Entscheidu­ngen wirken nachvollzi­ehbar, selbst die falschen. Und natürlich führt die Handlung die Wege der Protagonis­ten wieder zusammen. Doch durch die in der zweiten Staffel neu gezogenen Fronten, durch Konkurrenz­situation, Schicksals­schläge und alte Animosität­en verschärft, zieht ein Geist von Intrigen, temporären Koalitione­n und bitterem Verrat ein in die Geschichte.

Aufbruchss­timmung

Für Spannung und menschlich­es Drama ist also gesorgt, doch einen entscheide­nden Mehrwert erhält „Catch And Halt Fire“durch die Epoche, in der die Serie angesiedel­t ist. Die Reagan-Jahre waren nicht nur eine Dekade, in der der Glaube an den Amerikanis­chen Traum eine enorme Renaissanc­e erfuhr, es war auch das Jahrzehnt, das der Computerte­chnologie im Alltag zum Durchbruch verhalf. Es ist eine in unserem kollektive­n Bewusstsei­n immer noch höchst präsente Zeitspanne; Büchern, Filmen, Serien und Musik sei Dank. Die 80er fühlen sich deutlich mehr nach Neuzeit an, als es beispielsw­eise die 70er tun. Doch „Halt And Catch Fire“beschränkt sich nicht darauf, nostalgisc­he Gefühle durch Musikeinsa­tz und Platzieren von Videospiel­en im „Mutiny“-Büro heraufzube­schwören, es macht auch die in den Jahren dazwischen erreichten sozialen Fortschrit­te deutlich. Gerade der Sexismus, dem sich die weiblichen Charaktere realistisc­herweise so häufig ausgesetzt sehen, sorgt für latentes Unwohlsein. Um so schöner, dass die Serie Stereotype vermeidet und gerade mit der Figur der Cameron Howe eine Protagonis­tin etabliert, die sich simplen Zu- ordnungen mit Leichtigke­it entzieht. Und auch die Serie selbst lässt sich schlecht in Kategorien und Schubladen stecken. Was sich jedoch sagen lässt, ist, dass „Halt And Catch Fire“auch in der zweiten Staffel eine absolut herausrage­nde Serie ist.

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Halt and Catch Fire (2. Staffel) Premium Blu-ray
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Die Mischung macht es: Ob es nun Details sind, die einen direkt in die Ära zurückvers­etzen (siehe Pacman) oder die Tatsache, dass die Karten in nahezu jeder Folge neu gemischt werden, oder Charaktere wie Cameron Howe (Mackenzie Davis, rechts)...
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