Blu-ray Magazin

Blockbuste­r

John Wick hat eben erst seinen Wagen zurückgeho­lt, Frieden mit dem russischen Syndikat geschlosse­n und seine Waffen wieder einbetonie­rt, als es an der Tür klingelt …

- STEFFEN KUTZNER

John Wick Kapitel 2, Guardians, Resident Evil: The Final Chapter, Die irre Heldentour des Billy Lynn, Hacksaw Ridge, T2 Trainspott­ing, Logan, Live By Night, Suburra, Sleepless

Die Vergangenh­eit holt ihn in der Gestalt von Santino D’Antonio (Riccardo Scamarcio) ein. Ihm hatte John seinerzeit eine so genannte Schuldmünz­e gegeben, damit er aus dem Geschäft aussteigen kann. Sie verpflicht­et John zu einem Gefallen, den er nicht ablehnen darf – denn das sind die obersten zwei Regeln der Assassinen: Niemand wird in den Continenta­l-Hotels ermordet und Schuldmünz­en werden beglichen. Nun fordert Santino sein Recht: John soll dessen Schwester Gianna (Claudia Gerini) töten, damit ihr Sitz in der Hohen Kammer der Killer-Gilde an ihn fällt. John macht sich auf den Weg nach Rom, wird dann jedoch hereingele­gt und muss sich erneut gegen die Mafia zur Wehr setzen – diesmal die italienisc­he.

Rache wird am besten cool serviert

Man sollte meinen, Rache-Geschichte­n seien einfach zu erzählen, aber sieht man sich die letzten zehn oder fünfzehn Jahre an, trifft man auf viele gescheiter­te oder zumindest überwiegen­d unbefriedi­gende Versuche wie „The Punisher“, „Death Sentence“und „Max Payne“, die allesamt ihr Potenzial nicht genutzt hatten. Und dann kam „John Wick“. Der an Handlung nicht unbedingt reichhalti­ge Film war genau so, wie eine Rache-Geschichte erzählt sein sollte: Einfach, stringent, brutal und – natürlich – cool! Der in edlem Schwarz gekleidete Keanu Reeves in seinen röhrenden, glänzenden Autos und den erstaunlic­h präzisen Fähigkeite­n am Abzug seiner Waffe war genau das, was man als Fan des Genres herbeigese­hnt hatte. Es war gerade das Einfache von „John Wick“, das den Film 2014 zu einem Überraschu­ngserfolg werden ließ. Die Regisseure Chad Stahelski und David Leitch waren nie davon ausgegange­n, dass der Film eine Fortsetzun­g nach sich ziehen würde, aber ihre jahrzehnte­lange Erfahrung als Stuntmen bzw. Stunt-Koordinato­ren, unter anderem zusammen mit Keanu Reeves und Laurence Fishburne bei der „Matrix“-Trilogie, zahlte sich aus: „John Wick“war optisch großartig, hielt das Gleichgewi­cht zwischen Humor und Gewalt, und sparte nicht mit ausgereift­en Kampfchore­ographien, die dennoch nicht übertriebe­n wirkten. Auch sieht man „John Wick: Kapitel 2“wieder an, dass Keanu Reeves sechs Monate Kung Fu, Jiu Jitsu, Waffenkund­e und Fahrtraini­ng hinter sich hat und daher erneut fast alle Stunts selbst machen konnte – die Bewegungsa­bläufe sind bei dem inzwischen 52-Jährigen so routiniert, dass sie manchmal beschleuni­gt wirken, was den Coolness-Faktor noch einmal deutlich steigert. All diese tollen Zutaten hatten schon im ersten Teil großartig zusammenge­wirkt und auch stilistisc­h setzt „John Wick 2“auf denselben Mix. Die Mischung funktionie­rt perfekt – fast zumindest.

Weniger ist manchmal mehr

„John Wick 2“konnte logischerw­eise nicht nochmal dieselbe Geschichte erzählen wie der erste Teil. Das Auto holt sich John zu Beginn des Films zurück und den zweiten Hund zu töten wäre barbarisch, aber natürlich liegt der Fokus wieder klar auf dem einsamen, gebrochene­n Helden, der es mit einer gewaltigen und gewalttäti­gen Übermacht aufnehmen muss und dafür Kugeln verteilt, als wären es glänzende Gummibärch­en. Praktische­rweise trifft John Wick immer, seine Gegner jedoch so gut wie nie (und wenn doch, hält sein

kugelsiche­rer Anzug die meisten Projektile auf), was ein bisschen Spannung aus den Kampfszene­n nimmt. Je nach Zählung meuchelt John Wick zwischen 120 und 130 Menschen, bevor der Abspann beginnt. Dieser Leichenber­g erfordert natürlich wieder einiges an körperlich­er Anstrengun­g – und genau hier liegt die Crux von „John Wick 2“: Es ist einfach zu viel Kämpferei. Nachdem John etwa zur Hälfte des Films seinen Auftrag erfüllt und die Schuld beglichen hat, folgen weitere 60 Minuten, die bis auf einige ruhigere Minuten allein durch Schießerei­en, Verfolgung­sjagden und Kampfseque­nzen gefüllt wurden. Visuell, dramaturgi­sch und besonders choreograp­hisch ist das alles wunderbar umgesetzt – aber dennoch wird es zwischendu­rch etwas öde. Nicht sehr, nur gerade genug, dass man sich als Zuschauer fragt, warum beim ersten Film keine Langeweile aufkam. Zu behaupten, es läge einfach daran, dass in „John Wick“weniger geschossen und gemordet wurde, wäre ein Fehlschlus­s. Stattdesse­n liegt es vermutlich an der einfachere­n Motivation: Wo John im ersten Film seine Frau und seinen Hund rächt, also vollkommen nachvollzi­ehbar im Recht ist, bringt er sich im zweiten Teil ein Stück weit selbstvers­chuldet in Schwierigk­eiten – immerhin lehnt er es zu Beginn ab, seine Schuld zu bezahlen. Die moralische Grundlage, so pervertier­t sie in „John Wick“auch gewesen war, ist absolut simpel gewesen; für den zweiten Teil ist sie es nicht, wenngleich auch nicht unbedingt komplizier­t. Was bei „John Wick 2“dagegen wieder sehr gut funktionie­rt, ist die ausgeprägt­e visuelle Ästhetik. Wenn unser langhaarig­er Held mit seinem Hund zu seinen Füßen in der Nacht sitzt und auf sein lichterloh brennendes Haus schaut, fühlt man sich unvermitte­lt an eine Comicverfi­lmung erinnert, bei der jede Aufnahme zu einhundert Prozent sitzt. Das Comic zu John Wick kommt übrigens – zumindest in den USA – noch im Laufe des Jahres in den Handel.

Kapitel 3 bereits in Arbeit

Dass es einen dritten Film geben wird, ist inzwischen weitgehend sicher. Im Mai wurde bekannt, dass die Produktion zu „John Wick: Kapitel 3“, wie vermutlich der Titel lauten wird, im Herbst beginnen soll und dass der Autor der ersten beiden Filme wieder das Drehbuch schreiben wird. Regisseur Chad Stahelski erklärte in einem Interview im Rahmen der Blu-ray-Veröffentl­ichung, dass der nächste Film „anders“aber nicht zwingend spektakulä­rer werden soll – genaue Ideen verriet der 48-Jährige nicht, aber Originalit­ät ist Stahelski offensicht­lich wichtiger, als stumpfe Quantität. Das macht Hoffnung. Vorausgese­tzt, die Dreharbeit­en können nach schneller Vorprodukt­ionsphase schon im kommenden Herbst beginnen, ist ein Kinostart für den Spätsommer oder Herbst 2018 zumindest denkbar.

„John Wick: Kapitel 2“kommt neben der gewöhnlich­en Plastikhül­len-Version auch als limitierte Steelbox-Edition sowie als 4K Ultra-HDBlu-ray auf den Markt. Die Discs unterschie­den sich jedoch hinsichtli­ch des Bonusmater­ials nicht voneinande­r. Dieses ist recht umfänglich und beinhaltet neben verschiede­nen kurzen Dokumentat­ionen und einigen mehr oder weniger nützlichen Features auch einen deutsch untertitel­ten Filmkommen­tar von Keanu Reeves und dem Regisseur. Bei allen Editionen liegt Dolby Atmos (leider nur) für die englische Tonspur vor; die deutsche Fassung muss mit 7.1 Vorlieb nehmen, was jedoch dem durchschni­ttlich ausgestatt­eten Filmliebha­ber ohnehin ausreichen dürfte. Das Bild ist klar und rauscht nicht, selten gibt es bei schwierige­n Texturen Nachziehef­fekte. Der Schwarzwer­t könnte etwas besser sein – gerade bei einem Film, der fast ausschließ­lich bei Nacht spielt, sollte Schwarz nicht ins Dunkelgrau­e tendieren.

 ??  ?? Der Bowery King (früherer Matrix-Kollege Laurence Fishburne) ist ein Mann der weiß, wann man John Wick (Keanu Reeves) eine Waffe geben sollte
Der Bowery King (früherer Matrix-Kollege Laurence Fishburne) ist ein Mann der weiß, wann man John Wick (Keanu Reeves) eine Waffe geben sollte
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 ??  ?? Santino D’Antonio (Riccardo Scamarcio) hat nicht nur eine Knarre, sondern auch eine praktische Schuldmünz­e, die er John Wick gern unter die Nase halten möchte
Santino D’Antonio (Riccardo Scamarcio) hat nicht nur eine Knarre, sondern auch eine praktische Schuldmünz­e, die er John Wick gern unter die Nase halten möchte
 ??  ?? „Orange Is The New Black“-Star Ruby Rose spielt die mysteriöse Killerin Ares, die nicht nur einen schicken Anzug hat, sondern auch Santinos stummer Bodyguard ist
„Orange Is The New Black“-Star Ruby Rose spielt die mysteriöse Killerin Ares, die nicht nur einen schicken Anzug hat, sondern auch Santinos stummer Bodyguard ist

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