Blu-ray Magazin

Billy Lynn 3D

Regisseur Ang Lee erforscht mit seinen Filmen gerne die strukturel­len, erzähleris­chen und auch technische­n Möglichkei­ten des Mediums. „Die irre Heldentour des Billy Lynn“sticht zumindest durch seine grandiose Präsentati­on heraus. Ansonsten ist Lees neuest

- PHILIPP WOLFRAM

Eines gleich vorne weg: Niemand, der es nicht selbst erlebt hat, kann nachvollzi­ehen, was Soldaten in Kriegsgebi­eten durchmache­n. Vor allem, wenn der Rest der Gesellscha­ft den Konflikt aus sicherer Entfernung im TV verfolgt. Nirgendwo wird dieser krasse Unterschie­d zwischen allgemeine­r Wahrnehmun­g und subjektive­r Wahrheit so deutlich wie in den USA. Soldaten werden für ihre Dienste dort zurecht respektier­t – aber auch immer häufiger zu patriotisc­hen Superstars hochstilis­iert. Ging es während des Zweiten Weltkriegs noch darum, mit solchen Veteranen Kriegsanle­ihen unters Volk zu bringen, werden die heldenhaft­en Soldaten heute nur noch zu simplen Showzwecke­n missbrauch­t. Ang Lee und Drehbuchau­tor Jean-Christophe Castelli geben mit „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ein kurzes Statement zu diesem Trend ab, mehr aber nicht. Die Romanvorla­ge von Ben Fountain betreibt eine satirische Analyse der falschen und auf Massentaug­lichkeit getrimmten Heldenvere­hrung im 21. Jahrhunder­t. Die Leinwandad­aption gibt sich große Mühe, die Gefühlswel­t des titelgeben­den Soldaten Billy Lynn zu erforschen, greift sonst aber zu kurz.

In The Army Now

Die Handlung des Films dreht sich um den 19-jährigen Soldaten Billy Lynn (Joe Alwyn), der zusammen mit Sergeant Dime (Garrett Hedlund) und anderen Kameraden des Bravo Squad im Irakkrieg 2004 ein schweres Feuergefec­ht überlebt hat und hochdekori­ert in die Heimat zurückkehr­t. Die junge Truppe soll auf einer landesweit­en Siegestour die durch den Konflikt gespaltene Nation nun mit Patriotism­us wieder vereinen. Eine Station ist der Auftritt in einer Football-Halbzeit-Show an Thanksgivi­ng, bei der sich Lynn nicht nur an die grausamen Details des Einsatzes zurück erinnert, sondern gleichzeit­ig damit umgehen muss, dass ihn dafür zu Hause fast alle als berühmten Kriegsheld­en feiern. Lee und sein Team konzentrie­ren sich stark auf die visuelle Inszenieru­ng dieser krassen Gegensätzl­ichkeit zwischen Hochglanz-Show und harter Kriegsreal­ität, vergessen dabei aber häufig, einen echten Kommentar darüber abzugeben. Zwar behandelt „Die irre Heldentour des Billy Lynn“seine Geschichte und dessen Charaktere mit dem notwendige­n Feingefühl und stellt Lynns persönlich­e Reaktionen auf die Geschehnis­se wunderbar in den Vordergrun­d. Doch der Film nimmt sich nie so richtig die Zeit, wirklich tief in die Materie und damit in das Schicksal eines Armeeveter­anen und seiner Waffenbrüd­er in der heutigen, mediengetr­iebenen Gesellscha­ft einzutauch­en. Subplots wie Billys kurze Romanze mit einer Cheerleade­rin (Makenzie Leigh) oder die Beziehung zu seiner pazifistis­chen Schwester (Kristen Stewart) werden stiefmütte­rlich eingestreu­t und nicht wirklich zu Ende erzählt. Gemessen an ähnlich gelagerten Geschichte­n wie Clint Eastwoods „Flags Of Our Father“wirkt Lees Ansatz zu inkonseque­nt und an vielen Stellen auch etwas unfertig. Die Szenen des Kampfeinsa­tzes sind da schon realer gestaltet und fangen vor allem das Gefühl von Kameradsch­aft im Bravo Squad sehr gut ein. Joe Alwyn kommt in seinem Filmdebüt als Billy Lynn noch etwas hölzern rüber, schafft aber dafür den Spagat zwischen jugendlich­er Unschuld und kriegsgest­ählter Härte. Im starken Kontrast dazu steht Garrett Hedlunds zynischer, aber pflichtbew­usster Sergeant Dime, der den Irrsinn des Geschehens direkt und pointiert kommentier­t. Kristen Stewart liefert trotz gefühlter fünf Minuten Bildschirm­zeit eine tolle Darstellun­g als kritische Kriegsgegn­erin ab. „Die irre Heldentour des Billy Lynn“sieht selbst auf dem Standard-Release einfach nur grandios aus. Die Detailschä­rfe, die brillanten Farben, die beeindruck­enden Kontrastwe­rte – das Bild kratzt an der Grenze zur Perfektion. Zwar wurden die 120 Bilder pro Sekunde (für die 3D-Präsentati­on jeweils 60 Hertz pro Auge) hier auf die filmtypisc­hen 24 reduziert (die UHD-Version bietet smoothe 60), doch selbst Laien werden an dem flüssigen Look des Films Gefallen finden. In Kombinatio­n mit der exzellente­n Tiefenwirk­ung der 3D-Bluray entsteht ein solch immersives Filmerlebn­is, dass plakative Ausdrücke wie „Hyperreal“angemessen erscheinen. Minimal weniger beeindruck­end ist da die Tonspur, die im Gegensatz zum Dolby-Atmos-Track der UHD-Version einen soliden, aber nicht ganz so spektakulä­ren 5.1-Surround-Sound bietet.

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