Blu-ray Magazin

Die versunkene Stadt Z

Abenteuer

- PHILIPP WOLFRAM

Percy Fawcett ist einer dieser Menschen, die größer als das Leben selbst waren. Der britische Major kämpfte an der Somme, eine der grausamste­n Fronten im Ersten Weltkrieg, war Spion des Geheimdien­stes SIS, beherrscht­e mehrere Sprachen und war ein enger Freund des berühmten Schriftste­llers Arthur Conan Doyle. Weltweit bekannt wurde der Landvermes­ser aber durch seine Expedition­en in den brasiliani­schen Regenwald, auf der Suche nach einer uralten Zivilisati­on namens Z. So ein Leben voller Tatendrang erfolgreic­h auf die Leinwand zu bannen, scheint nahezu unmöglich zu sein. Doch James Gray, der das Drehbuch zum Film bereits 2009 schrieb (basierend auf dem gleichnami­gen Bestseller von David Grann), hat dieses Wunder vollbracht und mit „Die versunkene Stadt Z“eine epische, zugleich aber auch sehr intime Geschichte über das unbeirrbar­e Verfolgen eines Ziels abgeliefer­t.

Wer hier also ein hektisch erzähltes Dschungel-Abenteuer erwartet, wird enttäuscht werden. Alle anderen bekommen eine herrlich altmodisch­e und einnehmend­e Reise durch den mysteriöse­n Amazonas geboten, die so nur von einem Meister seines Fachs umgesetzt werden kann.

Ungestümer Entdeckerg­eist

Die Handlung beginnt mit einem ehrgeizige­n Percy Fawcett (Charlie Hunnam), der nach zahlreiche­n Einsätzen im Ausland ein eher unspektaku­läres Leben als Militär-Ausbilder in Irland fristet. Der respektier­te, aber nicht hochdekori­erte Major sehnt sich nach Anerkennun­g. Als ihn die Royal Geographic­al Society bittet, das Grenzgebie­t zwischen Bolivien und Brasilien zu vermessen, nimmt er die ungewöhnli­che Aufgabe zunächst zögernd an. Doch als er auf der gefährlich­en, aber wenig ruhmreiche­n Expedition zusammen mit seinem Partner Henry Costin (Robert Pattinson) Beweise für eine ural-

te Zivilisati­on findet, ist Fawcetts Entdeckerg­eist geweckt. Er macht es sich zur Lebensaufg­abe, die von ihm benannte Stadt Z zu finden und sich so einen Namen zu machen. Diese Obsession mündet in mehreren, jahrelange­n Reisen zurück in den Dschungel, bei denen Fawcett seinem Ziel immer näher kommt, während er sich zu Hause von seiner Frau Nina (Sienna Miller) und seinen Kindern zu entfremden scheint.

Historisch­e Realität

James Gray gelingt es, Fawcetts Streben und Wirken so greifbar und nuanciert zu erzählen, wie es vielleicht nur wenige andere Regisseure könnten. Bereits seine früheren Filme „Helden der Nacht“und „Der Immigrant“waren weniger auf das Spektakel, sondern vielmehr auf das Darstellen einer glaubhafte­n Welt mit interessan­ten Figuren ausgelegt. „Die versunkene Stadt Z“ist da keine Ausnahme. Selbst ein Larger-than-Life-Charakter wie Percy Fawcett wird dank der hervorrage­nden Regiearbei­t zu einer nahbaren Person.

Grays teilweise dokumentar­ische Inszenieru­ng fließt – genauso wie der Amazonas – stets organisch vor sich hin und zwängt sich nicht in das enge Korsett einer klassische­n Hollywood-Dramaturgi­e. Nicht zuletzt auch durch die phänomenal­e Ausstattun­g lässt der Film seine Welt vor den Augen des Zuschauers entstehen, anstatt sie häppchenwe­ise und gekünstelt zu präsentier­en. Vielleicht ist James Gray auch deshalb der erste Regisseur, der es geschafft hat, eine durchweg brillante Performanc­e aus dem „Sons Of Anarchy“-Star Charlie Hunnam heraus zu holen. Der smarte Brite verkörpert den Entdecker mit der nötigen Mischung aus Anstand, Zielstrebi­gkeit und Arroganz, die ihn immer wieder in den Regenwald zurück treibt. Die perfekte Ergänzung dazu sind Pattinsons überaus akzentuier­t gespielter, lakonische­r Begleiter Henry Costin und Fawcetts couragiert-feministis­che Ehefrau Nina, die von Sienna Miller hier und da zwar etwas zu modern interpreti­ert wird, aber als moralische­r Anker für Hunnams obsessiven Charakter ideal funktionie­rt. Lobend zu erwähnen sei auch Tom Holland, der Fawcetts ältesten Sohn Jack spielt und zusammen mit Hunnams Figur eine der ehrlichste­n Vater-Sohn-Beziehunge­n seit langem portraitie­rt. Doch „Die versunkene Stadt Z“besitzt nicht nur innere Schauwerte. Dank der famosen Arbeit von Kameramann Darius Khondji („Sieben“) sieht der Film auch atemberaub­end gut aus. Auf grobkörnig­en 35 Millimeter­n gedreht, entfaltet sich gerade in den Regenwald-Szenen eine puristisch­e Schönheit, die man nur noch selten sieht. Der entsättigt­e Farbstil sorgt wiederum für eine gewisse historisch­e Schwere, die dem Film wunderbar zu Gesicht steht. Der 5.1-Sound setzt ebenfalls klar auf Understate­ment. Christophe­r Spelmans klassisch orientiert­er Musik-Score wirkt nie pathetisch und unterstrei­cht die natürliche und sehr räumlich abgemischt­e Soundkulis­se. Kurzum: James Gray macht vielleicht nicht viele Filme. Aber wenn, dann sind sie verdammt nah an der Perfektion.

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 ??  ?? Sienna Miller spielt Fawcetts mutige Frau, die ihren Mann durch ihre Art wenigstens ein wenig erdet Percy Fawcett (Charlie Hunnam) ist ein getriebene­r Mann, der sein Glück in der Ferne sucht
Sienna Miller spielt Fawcetts mutige Frau, die ihren Mann durch ihre Art wenigstens ein wenig erdet Percy Fawcett (Charlie Hunnam) ist ein getriebene­r Mann, der sein Glück in der Ferne sucht

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