Die versunkene Stadt Z
Abenteuer
Percy Fawcett ist einer dieser Menschen, die größer als das Leben selbst waren. Der britische Major kämpfte an der Somme, eine der grausamsten Fronten im Ersten Weltkrieg, war Spion des Geheimdienstes SIS, beherrschte mehrere Sprachen und war ein enger Freund des berühmten Schriftstellers Arthur Conan Doyle. Weltweit bekannt wurde der Landvermesser aber durch seine Expeditionen in den brasilianischen Regenwald, auf der Suche nach einer uralten Zivilisation namens Z. So ein Leben voller Tatendrang erfolgreich auf die Leinwand zu bannen, scheint nahezu unmöglich zu sein. Doch James Gray, der das Drehbuch zum Film bereits 2009 schrieb (basierend auf dem gleichnamigen Bestseller von David Grann), hat dieses Wunder vollbracht und mit „Die versunkene Stadt Z“eine epische, zugleich aber auch sehr intime Geschichte über das unbeirrbare Verfolgen eines Ziels abgeliefert.
Wer hier also ein hektisch erzähltes Dschungel-Abenteuer erwartet, wird enttäuscht werden. Alle anderen bekommen eine herrlich altmodische und einnehmende Reise durch den mysteriösen Amazonas geboten, die so nur von einem Meister seines Fachs umgesetzt werden kann.
Ungestümer Entdeckergeist
Die Handlung beginnt mit einem ehrgeizigen Percy Fawcett (Charlie Hunnam), der nach zahlreichen Einsätzen im Ausland ein eher unspektakuläres Leben als Militär-Ausbilder in Irland fristet. Der respektierte, aber nicht hochdekorierte Major sehnt sich nach Anerkennung. Als ihn die Royal Geographical Society bittet, das Grenzgebiet zwischen Bolivien und Brasilien zu vermessen, nimmt er die ungewöhnliche Aufgabe zunächst zögernd an. Doch als er auf der gefährlichen, aber wenig ruhmreichen Expedition zusammen mit seinem Partner Henry Costin (Robert Pattinson) Beweise für eine ural-
te Zivilisation findet, ist Fawcetts Entdeckergeist geweckt. Er macht es sich zur Lebensaufgabe, die von ihm benannte Stadt Z zu finden und sich so einen Namen zu machen. Diese Obsession mündet in mehreren, jahrelangen Reisen zurück in den Dschungel, bei denen Fawcett seinem Ziel immer näher kommt, während er sich zu Hause von seiner Frau Nina (Sienna Miller) und seinen Kindern zu entfremden scheint.
Historische Realität
James Gray gelingt es, Fawcetts Streben und Wirken so greifbar und nuanciert zu erzählen, wie es vielleicht nur wenige andere Regisseure könnten. Bereits seine früheren Filme „Helden der Nacht“und „Der Immigrant“waren weniger auf das Spektakel, sondern vielmehr auf das Darstellen einer glaubhaften Welt mit interessanten Figuren ausgelegt. „Die versunkene Stadt Z“ist da keine Ausnahme. Selbst ein Larger-than-Life-Charakter wie Percy Fawcett wird dank der hervorragenden Regiearbeit zu einer nahbaren Person.
Grays teilweise dokumentarische Inszenierung fließt – genauso wie der Amazonas – stets organisch vor sich hin und zwängt sich nicht in das enge Korsett einer klassischen Hollywood-Dramaturgie. Nicht zuletzt auch durch die phänomenale Ausstattung lässt der Film seine Welt vor den Augen des Zuschauers entstehen, anstatt sie häppchenweise und gekünstelt zu präsentieren. Vielleicht ist James Gray auch deshalb der erste Regisseur, der es geschafft hat, eine durchweg brillante Performance aus dem „Sons Of Anarchy“-Star Charlie Hunnam heraus zu holen. Der smarte Brite verkörpert den Entdecker mit der nötigen Mischung aus Anstand, Zielstrebigkeit und Arroganz, die ihn immer wieder in den Regenwald zurück treibt. Die perfekte Ergänzung dazu sind Pattinsons überaus akzentuiert gespielter, lakonischer Begleiter Henry Costin und Fawcetts couragiert-feministische Ehefrau Nina, die von Sienna Miller hier und da zwar etwas zu modern interpretiert wird, aber als moralischer Anker für Hunnams obsessiven Charakter ideal funktioniert. Lobend zu erwähnen sei auch Tom Holland, der Fawcetts ältesten Sohn Jack spielt und zusammen mit Hunnams Figur eine der ehrlichsten Vater-Sohn-Beziehungen seit langem portraitiert. Doch „Die versunkene Stadt Z“besitzt nicht nur innere Schauwerte. Dank der famosen Arbeit von Kameramann Darius Khondji („Sieben“) sieht der Film auch atemberaubend gut aus. Auf grobkörnigen 35 Millimetern gedreht, entfaltet sich gerade in den Regenwald-Szenen eine puristische Schönheit, die man nur noch selten sieht. Der entsättigte Farbstil sorgt wiederum für eine gewisse historische Schwere, die dem Film wunderbar zu Gesicht steht. Der 5.1-Sound setzt ebenfalls klar auf Understatement. Christopher Spelmans klassisch orientierter Musik-Score wirkt nie pathetisch und unterstreicht die natürliche und sehr räumlich abgemischte Soundkulisse. Kurzum: James Gray macht vielleicht nicht viele Filme. Aber wenn, dann sind sie verdammt nah an der Perfektion.