Special Interest
Mafia, Die Könige der Lüfte, Tierische Evolution, Back In Time, For The Love Of Spock, Elstree 1976
Im Gegensatz zum altehrwürdigen Europa ist die Kultur-Geschichte Amerikas relativ kurz und lebt eher davon, dass viele Kulturen durch Zuwanderung und Besiedlung aufeinandertrafen und sich in einem kulturellen Schmelzpunkt vermengten. Dementsprechend werden statt Kreuzzüge führender Könige, kirchlicher Machthaber oder auch wichtiger Künstler des Altertums, häufig Verbrecher und Anarchisten medial aufbereitet, die die amerikanische Gesellschaft entscheidend mitprägten oder zumindest die Literaten so stark faszinierten, dass sie die „Revolverhelden“und „Gangster“des Wilden Westens in ihren fiktiven Romanen glorifizierten. War die Pionierzeit des 19. Jahrhunderts durch Namen wie „Buffalo Bill“, „Billy The Kid“oder auch Wyatt Earp gekennzeichnet, so bildete sich Anfang des 20. Jahrhunderts im Kontext der zahlreichen Städte-Zuwanderungen ein neuer Mythos, der sich um die Köpfe des organisierten Verbrechens rankte. Und da die Lebensgeschichte erfolgreicher Verbrecher spannender ist, als ein simpler Politiker-Alltag, entschieden sich auch hier wieder im Nachhinein so einige Historiker, Schriftsteller und Filmemacher den großformatigen Mördern, Drogen-Bossen und Dieben ein Denkmal zu setzen, das mit seinen Dramen, Extremen und Kaltherzigkeiten Unterhaltung für langweilige Stunden bot.
Untergrund-Gesellschaft
Eine Geschichte aus diesem Konglomerat ist das Leben des Charles „Lucky“Luciano, einem Sizilianer, dem es gelang, die fünf großen Mafia-Familien New Yorks insofern zu vereinen, dass sie einem modernen Führungsstil mit einem von den Familien-Oberhäuptern geführten Ausschuss folgten. Auf diese Weise wurden die Bandenkriege stärker eingedämmt und die Mafia konnte sich stärker auf ihre Geschäfte konzentrieren. Die vorliegende erste Staffel der AMC-Doku-Serie „The Making Of The Mob“beginnt bei Lucianos Ankunft in New York als kleiner Junge und zeigt in aufwendig nachgestellten Film-Bildern, die aus einer hochwertigen Mafia-TV-Serie stammen könnten, wie sich aus dem Jungen in wenigen Jahren eine Führungspersönlichkeit im organisierten Verbrechen entwickeln konnte. Die Doku folgt seinem Leben durch die Prohibition, die der Mafia als Finanzspritze diente, durch verschiedenste Machtumwälzungen an der Spitze des Masseria-Imperiums, durch den Krieg von Castellammare, durch den Zweiten Weltkrieg, bis hin zu seiner Verurteilung, seinem Leben im Exil und seinem Tod. Flankiert von den Kommentaren bekannter Schauspieler wie Joe Mantegna („Der Pate 3“) und Vincent Pastore („Die Sopranos“), von Historikern, Autoren, Journalisten, ehemaligen Politikern und Ex-Mafia-Mitgliedern gewinnt die wie Fiktion wirkende Geschichte an Glaubwürdigkeit.
Authentizität vs. Fiktion
Allerdings, und das sollte auf jeden Fall erwähnt werden, ist kaum einer der Interview-Partner ein Zeitzeuge und besteht ein Großteil der Kommentare aus glorifizierenden Aussagen, wie: „Luciano tötete nur, wenn er musste.“oder „Sie waren kriminell und unmoralisch, aber auch brillant.“Die acht Episoden sind so hochwertig produziert, dass man daraus locker eine Drama-Serie hätte gestalten können, wenn da nicht dieser für die Dokumentation sehr wichtige Kommentator wäre, der die Handlung extrem beschleunigt und all das aus großer Entfernung erklärt, was im Zusammenhang mit dem Großen Ganzen steht. Als Erzähler der US-Version konnte übrigens Ray Liotta gewonnen werden, dessen Hollywood-Karriere mit Martin Scoseses Mafia-Epos „Good Fellas“einen großen Schub erhielt. Und da neben New York auch Chicago als Brennpunkt für die Mafia galt, produzierte AMC übrigens noch eine zweite Staffel, die sich mit Al Capone beschäftigt. Doch das ist eine andere Geschichte.