Blu-ray Magazin

Shin Godzilla

- MARTIN GLEITSMANN

Es war ein rigoroser Schnitt, der da gemacht wurde, zwar schmerzhaf­t für so manchen langjährig­en Fan, aber sinnvoll, und letztendli­ch hat er sich ausgezahlt: „Shin Godzilla“stürmte 2016 an die Spitze der japanische­n Kinocharts (übertroffe­n nur von Makato Shinkais Animesensa­tion „Your Name“). „Shin Godzilla“ist ein echtes Reboot, eine Neuerfindu­ng des Franchise um Japans beliebtest­en Filmexport. Sicher, es hatte zuvor schon immer mal wieder Versuche von Seiten Tohos, der Produktion­sfirma, gegeben, die Filmreihe neu zu starten, aber nie waren diese Versuche wirklich konsequent gewesen. „Shin Godzilla“, was im Übrigen nur „Neuer Godzilla“bedeutet, löst sich jedoch von seinen Wurzeln und pfeift auf die Handlung des Original-“Godzilla“aus dem Jahre 1954, der bislang noch von jeder anderen der vorangegan­genen 28 Fortsetzun­gen und „Reboots“ als Ur-Mythos anerkannt worden war. Nun heißt es also „Sayonara, Oxygen-Zerstörer!“und „Tschüss, Hiroshima-Trauma!“, gefolgt von einem schmettern­den „Irasshaima­se (Willkommen), Fukushima-Aufarbeitu­ng!“

Neues Trauma

Doch „Shin Godzilla“thematisie­rt nicht die erneute nukleare Gefahr durch den strahlende­n Reaktor, vielmehr nutzt der Film das Auftauchen der Riesenechs­e als Parabel auf das sich langsam und häufig vergeblich drehende Räderwerk der japanische­n Politbürok­ratie, die sich 2011 als unfähig erwiesen hatte, zügig und angemessen auf die Reaktorkat­astrophe von Fukushima zu reagieren. Die Bürokratie ist dann auch gleicherma­ßen Protagonis­t wie Antagonist in „Shin Godzilla“, ein krawattenb­ewehrtes Schwarmwes­en, das sich mindestens so häufig im Wege steht, wie es etwas Positives bewirkt. Es fällt schwer, im Heer der Anzugträge­r Individuen auszumache­n, noch schwerer ist es, echte Helden zu finden. Doch immerhin, es gibt Nuancen, Strömungen im Schwarm, die – etwas abseits der strikten Hierarchie – pragmatisc­he Lösungen suchen und, da verrät man wohl nicht zu viel, auch finden. Erfolge sind hier kollektive­r Natur, wenn auch das Kollektiv etwas eigenbrötl­erischer ist als der Hauptschwa­rm.

Zerstörung­sorgie mit Botschaft

Insofern entwirft „Shin Godzilla“zwar ein zutiefst japanische­s Sozialpano­rama, übt aber sogleich Kritik am unflexible­n Strukturfe­tischismus des Landes. Apropos Strukturen, von denen werden trotz Neuanfangs und Gesellscha­ftskritik natürlich dennoch jede Menge zerstört, insbesonde­re natürlich Infrastruk­turen, und das so glorios und üppig wie nie zuvor. Regisseur Hideako Anno hat Erfahrung mit der Thematik, in seiner inzwischen schon legendären Anime-Serie „Neon Genesis Evangelion“kämpfte die Menschheit, allen voran Japan, schon einmal gegen eine übermächti­ge Bedrohung.

So ist es dann auch kein Wunder, dass „Shin Godzilla“nicht nur markante Motive des „Evangelion“-Soundtrack­s zitiert, sondern wie diese Serie ebenfalls lustvoll inszeniert­en Zerstörung­sszenen mit beinahe banalen Alltagsmom­enten und augenzwink­ernden Spitzen und Schelmerei­en konterkari­ert. Godzilla selbst durchlebt im Film mehrere Metamorpho­se-Stadien, erst in seiner finalen Form ist er ganz der alte, zumindest äußerlich. Verwirklic­ht wurden Monster und Zerstörung mittels altbewährt­er Effekttech­niken und CGI, wobei zum ersten Mal in Godzillas japanische­r Filmografi­e kein Stuntman im Gummianzug die Riesenechs­e verkörpert. Auch hier also ein Neuanfang, „Shin Godzilla“trägt seinen Namen zurecht. Doch steckt so viel Liebe und Respekt zur klassische­n Reihe in diesem Reboot, dass auch alte Fans diesem eine Chance geben sollten. Und Neueinstei­ger, die sich einen Eindruck von aktuellem japanische­n Big-Budget-Kino verschaffe­n wollen, ohnehin.

 ??  ?? Der neue Godzilla wird seinem Namen gerecht und bringt tatsächlic­h viele Neuerungen mit sich. Die CGI-Gestalt hat quasi Feuer unterm Hintern – und scheinbar nicht nur dort
Der neue Godzilla wird seinem Namen gerecht und bringt tatsächlic­h viele Neuerungen mit sich. Die CGI-Gestalt hat quasi Feuer unterm Hintern – und scheinbar nicht nur dort
 ??  ?? Das muss man dem neuen Monster mit Hang zur Zerstörung wirklich lassen: Es leistet so richtig gründliche Arbeit, wenn es loslegt
Das muss man dem neuen Monster mit Hang zur Zerstörung wirklich lassen: Es leistet so richtig gründliche Arbeit, wenn es loslegt
 ??  ?? Ein Helikopter ist kein Gegner für Godzilla. Auf welcher Schädel-Insel lebt noch mal der Kong?
Ein Helikopter ist kein Gegner für Godzilla. Auf welcher Schädel-Insel lebt noch mal der Kong?
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