THE STRAIN
Zugegebenermaßen hat das Vampirgenre in den vergangenen Jahren mächtig an Federn gelassen. Ernsthafte Filme in diesem Bereich waren selten. Einen Versuch, den Vampiren wieder mehr Leben einzuhauchen starteten Guillermo del Toro und Chuck Hogan 2014 mit ih
Alles begann mit einem Flugzeug, das auf dem Kennedy International Airport in New York landete und plötzlich auf dem Rollfeld stehen blieb. Es machte keinen Anschein, als sei das Flugzeug je bewegt worden, die 208 Passagiere vermutlich tot. Als Arzt der Gesundheitsbehörde CDC untersuchte Ephraim Goodweather (Corey Stoll) die Maschine, wobei sich herausstellte, dass nur vier Insassen überlebten und den anderen offenbar das komplette Blut entfernt wurde. Der Pfandleiher und Auschwitzüberlebende Abraham Setrakian (David Bradley) versuchte noch die Behörden zu warnen, jedoch konnte sich der an Bord befindliche Blutsauger im Stile des Nosferatu aus seinem „Sarg“befreien und treibt nun im New York der Gegenwart sein Unwesen. Im Laufe der 13 Folgen umfassenden Staffel entwickelte sich eine zweigeteilte Handlung. Während Dr. Goodweather lange im Unklaren bleibt und von einem parasitär übertragenen Virus ausgeht (natürliche Erklärung), bietet der zweite Strang (übernatürliche Erklärung der seltsamen Vorkommnisse) deutlich mehr Hintergrund aus dem Fantasy-Sektor. Der mit dem Flugzeug eingetroffene „Master“plant eine Art Vampir-Armee aufzubauen. Gleichzeitig wird er vom Magnaten Eldritch Palmer (Jonathan Hyde) unterstützt. Die Stränge laufen am Ende der Staffel zusammen und die Gruppe um Abraham Setrakian, Eph Goodweather, dem Kammerjäger Vasily Fet (Kevin Durand), der Hackerin Dutch Velders (Ruta Gedmintas) und der Ärztin Nora Martinez (Mia Maestro) befinden sich von nun an in einer apokalyptischen Welt, die von Vampiren zerstört wird.
Alles auf Anfang
Die ebenfalls 13 Folgen umfassende zweite Staffel beginnt mit einer Rückblende in das Leben des jungen Abraham Setrakian. Man sieht, wie der Junge von seiner Großmutter die Geschichte des kranken Ehrenmannes Jusef Sardu erzählt bekommt. Dessen machtbesessener Bru-
der – ein Baron – glaubt, dass das Blut eines Wolfs Jusef heilen kann. Auf einem Jagdausflug werden der Baron und ein Cousin von einem blutsaugenden Wesen getötet. Sardu versucht es zu besiegen, wird aber überwältigt. Der Vampir übernimmt seinen Körper und er ernährt sich fortan von Kindern aus der Umgebung. Im heutigen New York versucht Setrakian herauszufinden, wohin besagter Master geflohen ist. Dieser ist unterdessen auf der Suche nach einem neuen Körper, da sein aktueller durch den Kontakt mit Sonnenlicht stirbt. Für Ephraim Goodweather entwickelt sich der Kampf gegen die Strigoi zu einem persönlichen, denn seine Ex-Frau wurde vom Master infiziert. Sie soll ihren Sohn finden und den Master zu Setrakian führen. Im Verlauf der Staffel verschärft sich die Situation in New York immer weiter. Die Verwaltung versucht den Big Apple mit seinen verängstigten Bürgern zu evakuieren – vergeblich. Ganze Stadteile werden förmlich von den Strigoi überrannt, nur zwei gelten später noch als sicher. Goodweather und seine Mitstreiter versuchen auf der einen Seite mit einem Virus den Vampirwurm zu besiegen, auf der anderen hilft nur rohe Gewalt. Als sich Ephraim nach Washington begibt, erkennt er, dass die Regierung langsam zu zerfallen beginnt. Der Master steht kurz davor, seine Ziele zu erreichen…
Nosferatu der Gegenwart
„The Strain“ist keine Serie für schwache Nerven, da heftige Splatter-Szenen an der Tagesordnung sind. Statt hervorstehender Eckzähne und schwarzer Umhänge in Dracula-Manier bevorzugten die Serienschöpfer Del Toro und Hogan eher den Nosferatu-Mythos, dessen Darstellung meist hässlich und mehr an ein Monster angelehnt ist. Er kann kaum sprechen und seine Schneidezähne sind hier hervorstehend bzw. spitz dargestellt. Die Strigoi beißen ihre Opfer nicht „klassisch“sondern ein schlangenähnlicher Rüssel springt ihnen aus dem Maul und dockt an den Hals an.
Orientierte sich die erste Staffel handlungstechnisch stark an der Romanvorlage von Del Toro und Hogan, weicht die zweite schon stärker ab. Der Plot zieht sich sehr in die Länge und lässt eine gewisse Stringenz vermissen. Auch die Figuren entwickeln sich nicht mehr so rasant weiter wie in der ersten Staffel. Teilweise sind deren Handlungen auch nicht immer nachvollziehbar. Dabei ist die schauspielerische Leistung der einzelnen Darsteller durchaus überzeugend. Allen voran David Bradley, der als Argus Filch in „Harry Potter“bekannt gewordene Schauspieler liefert hier einen düsteren und undurchsichtigen Abraham Setrakian ab, der dennoch eine gewisse Coolness an den Tag legt. Corey Stoll als Ephraim Goodweather ist ein zerrissener Mensch. Auf der einen Seite will er New York und seinen Bürgern helfen, auf der anderen ist er besorgter Vater. Später muss er sich für eins entscheiden und das wird schmerzhaft. In anderen Rollen sehen wir eine echte Allstar Besetzung wie z. B. Jonathan Hyde – bekannt in seiner Rolle als J. Bruce Ismay aus James Camerons „Titanic“oder auch „Der Herr der Ringe“-Darsteller Sean Astin – der in der zweiten Staffel nur noch Gastauftritte hat.
Visuelles Schmankerl
Trotz aller inhaltlichen Schwierigkeiten, die die Handlung in der zweiten Staffel von „The Strain“ mit sich bringt, ist die Serie technisch auf der Höhe der Zeit. Ein knackscharfes Bild trifft eine überzeugende Farbdarstellung und einen sehr guten Kontrast. Hier zeigt sich aber auch der Nachteil des HD-Formats: Studioaufnahmen, die Büros mit Fotos als Panorama zeigen, wirken billig und gestellt. An der Soundqualität gibt es, bis auf das altbekannte Problem der Lautstärkeschwankungen zwischen Action- und ruhigen Szenen, nichts auszusetzen.
Das Bonusmaterial bietet neben entfallenen Szenen einen Audiokommentar zur letzten Folge von Staffel 2 sowie Blicke hinter die Kulissen und ein Gagreel. Alles in allem ist die vorliegende Staffel von „The Strain“ein zweischneidiges Schwert. Die Stringenz und der klasse Twist der ersten Staffel gehen ein wenig verloren. Die nicht immer logisch wirkende Handlung wird zu vorhersehbar, Klischees lauern an jeder Ecke. Das ist irgendwo schade, denn atmosphärisch, visuell ansprechend und spannend ist die Serie allemal, weshalb in den Staaten seit Juli erfolgreich die Episoden der vierten und letzten Staffel laufen.