Preacher
Dass im Zusammenhang mit Religion, Glauben und Gott immer mal wieder Blut vergossen wurde, sogar einiges davon, ist ja irgendwie gemeinhin bekannt. Wie viel Blut das bei der Suche nach Gott selbst so sein kann, davon kann man sich gleich zu Beginn der zweiten Staffel von „Preacher“ein ziemlich deutliches Bild machen. Natürlich gibt es nicht nur das zu sehen. Da wären auch Gedärme, Zungen, abgetrennte Gliedmaßen und andere Appetitlichkeiten. Alles was man eben braucht. Wer so etwas nicht mag, sei hiermit freudig gewarnt. Die neue Staffel beginnt für das Dreiergespann Tulip (Ruth Negga), Prediger Jesse (Dominic Cooper) und Vampir Cassidy (Joseph Gilgun) nämlich mit zwei Dingen: Der besten Verwendung des Songs „Come On Eileen“seit „10 Dinge, die ich an Dir hasse“und mit einem Zusammentreffen mit dem fiesen Höllen-Cowboy, dem „Heiligen“(Graham McTavish), der den Prediger ins Jenseits befördern will. Jesse Custer trägt nämlich seit der ersten Staffel eine Macht namens Genesis in sich. Diese gibt ihm die Möglichkeit, Menschen zu zwingen, seine Befehle auszuführen – etwas, das Jesse durchaus auch nutzt auf seiner Suche nach seinem ehemaligen Chef im Himmel.
On The Road Again
Die erste Staffel endete damit, dass die drei die kleine Ortschaft Annville verließen, um sich auf die Suche nach dem verschwundenen Gott zu begeben. Das weckte in dem einen oder anderen Fan der Graphic-Novel von Garth Ennis und Steve Dillon, die „Preacher“zugrunde liegen, sicherlich die Hoffnung, dass die Serie sich den Comics annähern würde. Durch die Tatsache, dass sich unsere Anti-Helden wie in der Vorlage nun auf einem Roadtrip befinden, tut sie das auch. Arm an Gewalt war das Werk von Ennis ebenfalls sowieso nie. Auch ansonsten finden mehr Elemente aus den Comics ihren Platz in der neuen Staffel. Das Grundgefühl ist aber dennoch irgendwie anders. Zwar steht die Serie sehr gut auf eigenen Füßen, aber die Erwartungshaltung, dass sich die Serie nah am Original halten wird, sollte man weiterhin loslassen. Dennoch: Die Serie hat mehr Slapstick, einen eigenen Humor, der quasi als „Comic Relief“zur Gewalt dient, aber eben doch auch etwas vom düsteren Humor der gezeichneten Variante durchscheinen lässt. Ein klarer Unterschied ist der quietschigere Stil mit einer deutlich farbenfroheren Optik. In der Serienversion vom „Preacher“findet man Hirncoitus um des Hirncoitus Willen und eine spaßige Mischung aus Verschrobenheit mit sporadischen Ansprüchen an die Moralität. Trotzdem ist das Komische oft auch tragisch. Das hält die Serie davon ab, doch nur Stil über Substanz zu werden. Nicht nur in Form des Roadtrip-Szenarios legt „Preacher“in der zweiten Staffel eine Entwicklung hin, denn die Charaktere können in diesem Rahmen neue Seiten zeigen. Insbesondere Tulip gewinnt ein paar Eigenschaften zusätzlich zur selbstständigen, vorlauten Überlebenskünstlerin hinzu. Jesse wirkt manchmal sogar etwas zeitgemäßer als in den Comics, dafür fehlt ein wenig der sehr trockene Humor des Original-Predigers. Das wichtigste ist aber: Dieser Roadtrip macht Spaß und man kriegt was zu sehen, New Orleans zum Beispiel. Eine ordentliche Menge an „Was zur Hölle?“-Momenten, knackigen Sprüchen und einem gelegentlichen Anstrich von Kitsch in den Kulissen macht, dass man sich wie in einer bunten, etwas schroffen Geisterbahn mit Körperflüssigkeiten und Schussgeräuschen befindet, in der man Gott nicht im Himmel sucht, weil dort gerade sowieso niemand weiß, wo er ist. Und was wäre so eine Jahrmarkt-Attraktion ohne pralle Farben und eine knackige Optik? Das müssen wir uns nicht fragen, denn diesbezüglich strahlt die Serie. Die Synchronisation ist recht gut gelungen, lässt aber natürlich den markanten irischen Akzent des Vampirs Cassidy vermissen.