Baby Driver
Soundtrack eines Fluchtwagenfahrers
Die Karriere von Edgar Wright ist mit gerade einmal sechs Filmen nicht besonders umfangreich, aber dennoch ziemlich beeindruckend. Mit fast schon beängstigendem Gespür für temporeiche Inszenierungen, clevere Dialoge und einem punktgenauen Blick für Stil hat jeder Streifen des Briten einen Kultstatus erreicht, der sonst nur Regiegrößen wie Kubrick, Tarantino oder Fincher vorbehalten ist. Wrights „Baby Driver“ist ein weiterer, kleiner Geniestreich, der ganz unironisch auch als „Bankräuber-Musical“bezeichnet werden könnte. Denn der spitzenmäßige Soundtrack ist hier nicht einfach nur das schmückende Beiwerk für die atemberaubenden Auto-Verfolgungsjagden und die knackigen Schießereien - er ist der auf Hochtouren laufende Motor des Films. Und auch wenn die Handlung rund um einen blutjungen Fluchtwagenfahrer mit Musik-Fetisch keine Story-Offenbarung darstellt, so steckt der handwerklich meisterhaft umgesetzte Heist-Thriller nahezu jeden anderen Vertreter des Genres in Sachen Coolness locker in die Tasche.
Der Junge mit der Playlist
Die Geschichte bedient sich recht großzügig bei seinen großen Vorbildern wie „Heat“, „The Transporter“oder „Drive“und erzählt die Geschichte des jungen Baby (Ansel Elgort), der seine Schulden beim Profi-Kriminellen Doc (Kevin Spacey) als Fluchtwagenfahrer bei dessen penibel geplanten Banküberfällen abarbeitet. Seit einem Unfall in der Kindheit plagt den Lenkradkünstler allerdings ein schwerer Tinnitus, den Baby mit ständiger Musikbeschallung aus seinen dutzenden iPods unterdrückt – vor allem auch während der Flucht nach dem Überfall. Nach zwei erfolgreichen Jobs mit den Bankräubern Buddy (Jon Hamm), Darling (Eiza Gonzalez) und Bats (Jamie Foxx) kann er dann endlich aus dem schmutzigen Geschäft aussteigen und lernt die bildhübsche Kellnerin Debora (Lily James) kennen. Doch gerade als Baby denkt, dass sein Leben in geregelten Bahnen verläuft, zwingt ihn der skrupellose Doc zu einem weiteren Coup, in den er eigentlich gar nicht involviert werden möchte.
Alte Melodie, genialer Remix
Während sich Edgar Wright storytechnisch hier an eher bekannten Plotpunkten und Klischees entlang hangelt, ist das Gimmick von „Baby Dri-
ver“dafür umso fantastischer integriert: Babys Playlists definieren nämlich nicht nur seinen Charakter oder die jeweilige Stimmung - sie geben den Rhythmus des gesamten Films vor. Nahezu jede Szene wurde von Wright und seinem Team sekundengenau an die Beats des abwechslungsreichen Scores angepasst. Während Baby mit einer Vielzahl von Autos durch die Straßen heizt und seine Kumpanen sich Schusswechsel mit der Polizei liefern, peitschen die Lieder nicht nur ihn, sondern auch jedes Mal die großartig inszenierten Actionsequenzen nach vorne. Das schnelle Gewehrfeuer und die halsbrecherischen, sowie praktisch CGI-freien Fahrmanöver mit spektakulären Wendungen und abrupten Vollbremsungen bilden stets eine melodische Einheit mit den zahlreichen Disco-, Funk, Rock oder Hip-Hop-Liedern und sind einer der Hauptgründe, warum dieser Film über seine gesamte Laufzeit hinweg so viel Spaß macht.
Enormes Taktgefühl
Außerdem gelingt es „Baby Driver“ganz spielerisch, seine recht düstere Unterwelt-Szenerie mit genügend Leichtigkeit auszugleichen. Das liegt zum einen an den raffinierten und witzigen Dialogen, zum anderen aber auch am engagierten Ensemble. Der junge Ansel Elgort macht als Baby dabei eine super Figur. Mit der Lockerheit eines James Dean und einer gewissen emotionalen Tiefe verleiht der Jungschauspieler seinem Charakter viel Bodenhaftung. Elgorts Kollegen sind Skript-bedingt da schon etwas eingeschränkter, aber nicht minder überzeugend. Lily James begeistert als Babys schlagfertige Freundin, wirkt an manchen Stellen aber etwas zu eindimensional. Jon Hamm und Eiza Gonzalez mimen das verliebte Gaunerpärchen dagegen in bester „Bonnie und Clyde“-Manier, während Jamie Foxx als undurchsichtiger Mann fürs Grobe eine andere Seite von sich zeigen darf. Und auch wenn es schwerfällt, ihn angesichts der jüngsten Vorkommnisse in der Rolle eines charmanten Kriminellen zu sehen, der einem jungen Mann seinen Willen aufzwingt, so ist Kevin Spaceys Leistung als Doc einnehmend wie und je. Am Ende sind es aber dann auch die dramaturgischen Fähigkeiten von Edgar Wright, die dafür sorgen, dass dem Film die tonale Balance zwischen ernster Action und heiterer Selbstironie gelingt. Stilistisch kann man dem Streifen ebenfalls keine Vorwürfe machen. Mit einem Hauch Retro-Ästhetik versehen, wirkt „Baby Driver“technisch wie aus einem Guss. Das Bild glänzt mit guter Schärfe und satten Farben – überragend ist die Qualität aber nicht. Gerade die dunkleren Szenen lassen etwas an Tiefe vermissen und sind von Bildrauschen geprägt. Der Sound ist dagegen fast ohne Tadel. Die Songs schallen stets allumfassend aus den Boxen, die Geräuschkulisse ist mit wunderbar dynamischen Effekten bestückt und überzeugt mit guter Räumlichkeit – auch wenn es der Tonspur manchmal an Präzision mangelt. Ein großes Lob verdienen zudem die zahlreichen Boni, gerade das hochwertig produzierte Making-of. Kurzum: „Baby Driver“ist eine klare Kaufempfehlung!