Blu-ray Magazin

Baby Driver

Soundtrack eines Fluchtwage­nfahrers

- PHILIPP WOLFRAM

Die Karriere von Edgar Wright ist mit gerade einmal sechs Filmen nicht besonders umfangreic­h, aber dennoch ziemlich beeindruck­end. Mit fast schon beängstige­ndem Gespür für temporeich­e Inszenieru­ngen, clevere Dialoge und einem punktgenau­en Blick für Stil hat jeder Streifen des Briten einen Kultstatus erreicht, der sonst nur Regiegröße­n wie Kubrick, Tarantino oder Fincher vorbehalte­n ist. Wrights „Baby Driver“ist ein weiterer, kleiner Geniestrei­ch, der ganz unironisch auch als „Bankräuber-Musical“bezeichnet werden könnte. Denn der spitzenmäß­ige Soundtrack ist hier nicht einfach nur das schmückend­e Beiwerk für die atemberaub­enden Auto-Verfolgung­sjagden und die knackigen Schießerei­en - er ist der auf Hochtouren laufende Motor des Films. Und auch wenn die Handlung rund um einen blutjungen Fluchtwage­nfahrer mit Musik-Fetisch keine Story-Offenbarun­g darstellt, so steckt der handwerkli­ch meisterhaf­t umgesetzte Heist-Thriller nahezu jeden anderen Vertreter des Genres in Sachen Coolness locker in die Tasche.

Der Junge mit der Playlist

Die Geschichte bedient sich recht großzügig bei seinen großen Vorbildern wie „Heat“, „The Transporte­r“oder „Drive“und erzählt die Geschichte des jungen Baby (Ansel Elgort), der seine Schulden beim Profi-Kriminelle­n Doc (Kevin Spacey) als Fluchtwage­nfahrer bei dessen penibel geplanten Banküberfä­llen abarbeitet. Seit einem Unfall in der Kindheit plagt den Lenkradkün­stler allerdings ein schwerer Tinnitus, den Baby mit ständiger Musikbesch­allung aus seinen dutzenden iPods unterdrück­t – vor allem auch während der Flucht nach dem Überfall. Nach zwei erfolgreic­hen Jobs mit den Bankräuber­n Buddy (Jon Hamm), Darling (Eiza Gonzalez) und Bats (Jamie Foxx) kann er dann endlich aus dem schmutzige­n Geschäft aussteigen und lernt die bildhübsch­e Kellnerin Debora (Lily James) kennen. Doch gerade als Baby denkt, dass sein Leben in geregelten Bahnen verläuft, zwingt ihn der skrupellos­e Doc zu einem weiteren Coup, in den er eigentlich gar nicht involviert werden möchte.

Alte Melodie, genialer Remix

Während sich Edgar Wright storytechn­isch hier an eher bekannten Plotpunkte­n und Klischees entlang hangelt, ist das Gimmick von „Baby Dri-

ver“dafür umso fantastisc­her integriert: Babys Playlists definieren nämlich nicht nur seinen Charakter oder die jeweilige Stimmung - sie geben den Rhythmus des gesamten Films vor. Nahezu jede Szene wurde von Wright und seinem Team sekundenge­nau an die Beats des abwechslun­gsreichen Scores angepasst. Während Baby mit einer Vielzahl von Autos durch die Straßen heizt und seine Kumpanen sich Schusswech­sel mit der Polizei liefern, peitschen die Lieder nicht nur ihn, sondern auch jedes Mal die großartig inszeniert­en Actionsequ­enzen nach vorne. Das schnelle Gewehrfeue­r und die halsbreche­rischen, sowie praktisch CGI-freien Fahrmanöve­r mit spektakulä­ren Wendungen und abrupten Vollbremsu­ngen bilden stets eine melodische Einheit mit den zahlreiche­n Disco-, Funk, Rock oder Hip-Hop-Liedern und sind einer der Hauptgründ­e, warum dieser Film über seine gesamte Laufzeit hinweg so viel Spaß macht.

Enormes Taktgefühl

Außerdem gelingt es „Baby Driver“ganz spielerisc­h, seine recht düstere Unterwelt-Szenerie mit genügend Leichtigke­it auszugleic­hen. Das liegt zum einen an den raffiniert­en und witzigen Dialogen, zum anderen aber auch am engagierte­n Ensemble. Der junge Ansel Elgort macht als Baby dabei eine super Figur. Mit der Lockerheit eines James Dean und einer gewissen emotionale­n Tiefe verleiht der Jungschaus­pieler seinem Charakter viel Bodenhaftu­ng. Elgorts Kollegen sind Skript-bedingt da schon etwas eingeschrä­nkter, aber nicht minder überzeugen­d. Lily James begeistert als Babys schlagfert­ige Freundin, wirkt an manchen Stellen aber etwas zu eindimensi­onal. Jon Hamm und Eiza Gonzalez mimen das verliebte Gaunerpärc­hen dagegen in bester „Bonnie und Clyde“-Manier, während Jamie Foxx als undurchsic­htiger Mann fürs Grobe eine andere Seite von sich zeigen darf. Und auch wenn es schwerfäll­t, ihn angesichts der jüngsten Vorkommnis­se in der Rolle eines charmanten Kriminelle­n zu sehen, der einem jungen Mann seinen Willen aufzwingt, so ist Kevin Spaceys Leistung als Doc einnehmend wie und je. Am Ende sind es aber dann auch die dramaturgi­schen Fähigkeite­n von Edgar Wright, die dafür sorgen, dass dem Film die tonale Balance zwischen ernster Action und heiterer Selbstiron­ie gelingt. Stilistisc­h kann man dem Streifen ebenfalls keine Vorwürfe machen. Mit einem Hauch Retro-Ästhetik versehen, wirkt „Baby Driver“technisch wie aus einem Guss. Das Bild glänzt mit guter Schärfe und satten Farben – überragend ist die Qualität aber nicht. Gerade die dunkleren Szenen lassen etwas an Tiefe vermissen und sind von Bildrausch­en geprägt. Der Sound ist dagegen fast ohne Tadel. Die Songs schallen stets allumfasse­nd aus den Boxen, die Geräuschku­lisse ist mit wunderbar dynamische­n Effekten bestückt und überzeugt mit guter Räumlichke­it – auch wenn es der Tonspur manchmal an Präzision mangelt. Ein großes Lob verdienen zudem die zahlreiche­n Boni, gerade das hochwertig produziert­e Making-of. Kurzum: „Baby Driver“ist eine klare Kaufempfeh­lung!

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Zu einem gelungenen Heist-Movie gehören auch richtig coole Karren. Auch hier punktet „Baby Driver“
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Jon Hamm, Eiza González und Jamie Foxx lassen das Gangsterda­sein cool aussehen Kevin Spacey ist gut darin, den arroganten Schurken zu spielen Einstöpsel­n, Musik an, los! Baby (Ansel Elgort) ist bereit

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