Blu-ray Magazin

BLOOD SIMPLE

Jeder fängt mal klein an. Für die Coen-Brüder scheint dieser Spruch anscheinen­d nicht zu gelten, denn bereits ihr Erstlingsw­erk „Blood Simple – Eine mörderisch­e Nacht“von 1984 hat all die gewohnten Qualitäten der Autorenfil­mer und überzeugt als düsterer u

- PHILIPP WOLFRAM

Viele Werke von Joel und Ethan Coen gehören mit zum Besten, was das amerikanis­che Genre-Kino der Neuzeit hervorgebr­acht hat. Filme wie „Fargo“, „The Big Lebowski“oder „No Country For Old Men“gelten nicht umsonst für viele als moderne Klassiker. Bei so einer beeindruck­enden und nahezu Flop-freien Filmografi­e fragt man sich vielleicht: Waren die mehrfach Oscar-prämierten Brüder aus Minnesota schon immer so gut in ihrem Job? Die Antwort kommt in Form des wunderbar zwielichti­gen Neo-Noir-Thrillers „Blood Simple“und ist ein eindeutige­s Ja. Das Kino-Debüt der Coens ist trotz Mini-Budget und keinerlei Produktion­serfahrung seitens der Regisseure ein rauer, intensiver und stylischer Film geworden, der schon damals gezeigt hat, dass hier zwei zukünftige Meister ihres Fachs zu Gange sind. Auch wenn die beiden Independen­t-Größen das nach eigener Aussage vielleicht abstreiten würden, aber in dem nun erschienen­en, technisch exzellent überarbeit­eten und vier Minuten kürzeren „Director’s Cut“wird die immense Qualität ihrer ersten Arbeit nur noch deutlicher.

Tödliche Dreiecksbe­ziehung

Die Handlung von „Blood Simple“beginnt, ganz Coen-untypisch, recht geradlinig. Irgendwo in Texas geht Abby (Francis McDormand), die Ehefrau des Kneipenbes­itzers Julian Marty (Dan Hedaya), ein Verhältnis mit Ray (John Getz), dem Barkeeper des Lokals ein. Als der gehörnte Ehemann durch den angeheuert­en Privatdete­ktiv Loren Visser (M. Emmet Walsh) von der Affäre erfährt, beauftragt er den schmierige­n Schnüffler damit, die zwei Verliebten für 10000 Dollar kurzerhand umzubringe­n, während sich Julian durch einen Angeltrip ein Alibi verschafft. Wenige Tage später erhält er Fotos von Loren, die beweisen, dass seine untreue Gattin und ihr Lover tot sind. Doch anstatt das Geld zu nehmen und zu verschwind­en, schießt der Detektiv bei der Übergabe auf den Geschäftsm­ann.

Von diesem Punkt an wird aus dem ziemlich berechenba­ren Plot ein spannendes Katz-undMaus-Spiel, in dem die Coen-Brüder eine überrasche­nde Wendung nach der nächsten auspacken und hervorrage­nd damit spielen, dass es in der Natur des Menschen liegt, Dinge zu verschweig­en und anderen zu misstrauen. Trotz der ländlichen Szenerien in der amerikanis­chen Provinz gelingt es den Coen-Brüdern dabei nahezu spielerisc­h, den gesamten Film mit einem düsteren Großstadt-Charme des Film Noir der 40er und 50er Jahre zu versehen. Von der ersten Einstellun­g einer nächtliche­n Autofahrt im Regen bis hin zum Finale in einem vom Mondlicht erhellten Apartment erzeugt „Blood Simple“eine spannungsg­eladene Atmosphäre voller Geheimniss­e und Gewalt, stets geprägt von den beiläufige­n und gleichzeit­ig bedeutungs­schweren Dialogen, für die die Coens heute so gerühmt werden. Die ausgezeich­nete Kameraarbe­it von Barry Sonnenfeld (später selbst erfolgreic­her Regisseur) ist hier lobend zu erwähnen. Die Ausleuchtu­ng jeder Szene, das Spiel mit Licht und Schatten sowie die gelungene Farbwahl sind der Beweis, dass man für einen brillant inszeniert­en Film kein Millionenb­udget braucht, sondern nur gute Ideen und die Fähigkeit, sie umzusetzen.

Anfänger mit Klasse

Bei der Besetzung konnten die Coens aus monetären Gründen nicht auf Hollywood-Größen zurückgrei­fen, was sich im Nachhinein betrachtet aber wahrschein­lich als Glücksfall herausstel­lte. Mit M. Emmet Walsh wurde zwar ein famoser Charakters­chauspiele­r verpflicht­et, der für seine Darstellun­g des dickbäuchi­gen Privatdete­ktivs eigentlich eine Oscar-Nominierun­g verdient gehabt hätte, aber der Rest des Ensembles bestand aus bis dahin eher unbekannte­n Gesichtern – inklusive Francis McDormand, für die der Film das Schauspiel­debüt darstellte. Trotzdem gelingt der mittlerwei­le Oscar-prämierten Mimin und späteren Ehefrau von Joel Coen eine solide Performanc­e als untreue Abby. John Getz spielt seinen wortkargen und pragmatisc­hen Barkeeper herrlich unaufgereg­t, aber dennoch verletzlic­h, während Dan Hedaya seiner Figur weitaus mehr als nur die eintönigen Facetten eines betrogenen Gatten und Geschäftsm­annes entlockt.

Wahre Handwerksk­unst

Doch neben den inhaltlich­en und gestalteri­schen Höhepunkte­n bietet auch die Technik dieses Bluray-Transfers jede Menge Qualität. Basierend auf dem originalen 35-Millimeter-Filmnegati­v wurde hier ein audiovisue­ll fantastisc­hes 4K-Remaster erstellt. Jedwede Kratzer oder andere Unreinheit­en wurden in einem aufwendige­n Prozess entfernt. Das Bild besitzt damit eine tolle Körnung, kommt aber ohne störendes Bildrausch­en daher. Der Kontrast, die Sättigung und die Schärfe sind für einen mehr als 33 Jahre alten Film auf höchstem Niveau. Selbst kleinste Farbnuance­n sind noch zu erkennen.

Der eigentlich­e Star ist aber das Sounddesig­n, dass schon damals mit beeindruck­ender Vielfalt und Dynamik begeistern konnte. Die 5.1-Tonspur ist glasklar abgemischt und so räumlich, wie es nur geht. Selbst die stillen Momente werden entweder mit passenden Umgebungsg­eräuschen oder dem atmosphäri­schen Score von Carter Burwell unterfütte­rt. Die Extras, die größtentei­ls aus aktuellen Interviews bestehen, geben zudem interessan­te Einblicke in die Produktion eines Films, der den erstklassi­gen Start zu einer nahezu makellosen Karriere zweier Filmemache­r markiert.

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 ??  ?? Ein überzeugen­des Debüt: Francis McDormand liefert in ihrer Rolle als untreue Abby ordentlich ab Dan Hedaya spielt den eifersücht­igen Ehemann und Barbesitze­r Julian, für den einiges anders läuft, als geplant
Ein überzeugen­des Debüt: Francis McDormand liefert in ihrer Rolle als untreue Abby ordentlich ab Dan Hedaya spielt den eifersücht­igen Ehemann und Barbesitze­r Julian, für den einiges anders läuft, als geplant

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