BLOOD SIMPLE
Jeder fängt mal klein an. Für die Coen-Brüder scheint dieser Spruch anscheinend nicht zu gelten, denn bereits ihr Erstlingswerk „Blood Simple – Eine mörderische Nacht“von 1984 hat all die gewohnten Qualitäten der Autorenfilmer und überzeugt als düsterer u
Viele Werke von Joel und Ethan Coen gehören mit zum Besten, was das amerikanische Genre-Kino der Neuzeit hervorgebracht hat. Filme wie „Fargo“, „The Big Lebowski“oder „No Country For Old Men“gelten nicht umsonst für viele als moderne Klassiker. Bei so einer beeindruckenden und nahezu Flop-freien Filmografie fragt man sich vielleicht: Waren die mehrfach Oscar-prämierten Brüder aus Minnesota schon immer so gut in ihrem Job? Die Antwort kommt in Form des wunderbar zwielichtigen Neo-Noir-Thrillers „Blood Simple“und ist ein eindeutiges Ja. Das Kino-Debüt der Coens ist trotz Mini-Budget und keinerlei Produktionserfahrung seitens der Regisseure ein rauer, intensiver und stylischer Film geworden, der schon damals gezeigt hat, dass hier zwei zukünftige Meister ihres Fachs zu Gange sind. Auch wenn die beiden Independent-Größen das nach eigener Aussage vielleicht abstreiten würden, aber in dem nun erschienenen, technisch exzellent überarbeiteten und vier Minuten kürzeren „Director’s Cut“wird die immense Qualität ihrer ersten Arbeit nur noch deutlicher.
Tödliche Dreiecksbeziehung
Die Handlung von „Blood Simple“beginnt, ganz Coen-untypisch, recht geradlinig. Irgendwo in Texas geht Abby (Francis McDormand), die Ehefrau des Kneipenbesitzers Julian Marty (Dan Hedaya), ein Verhältnis mit Ray (John Getz), dem Barkeeper des Lokals ein. Als der gehörnte Ehemann durch den angeheuerten Privatdetektiv Loren Visser (M. Emmet Walsh) von der Affäre erfährt, beauftragt er den schmierigen Schnüffler damit, die zwei Verliebten für 10000 Dollar kurzerhand umzubringen, während sich Julian durch einen Angeltrip ein Alibi verschafft. Wenige Tage später erhält er Fotos von Loren, die beweisen, dass seine untreue Gattin und ihr Lover tot sind. Doch anstatt das Geld zu nehmen und zu verschwinden, schießt der Detektiv bei der Übergabe auf den Geschäftsmann.
Von diesem Punkt an wird aus dem ziemlich berechenbaren Plot ein spannendes Katz-undMaus-Spiel, in dem die Coen-Brüder eine überraschende Wendung nach der nächsten auspacken und hervorragend damit spielen, dass es in der Natur des Menschen liegt, Dinge zu verschweigen und anderen zu misstrauen. Trotz der ländlichen Szenerien in der amerikanischen Provinz gelingt es den Coen-Brüdern dabei nahezu spielerisch, den gesamten Film mit einem düsteren Großstadt-Charme des Film Noir der 40er und 50er Jahre zu versehen. Von der ersten Einstellung einer nächtlichen Autofahrt im Regen bis hin zum Finale in einem vom Mondlicht erhellten Apartment erzeugt „Blood Simple“eine spannungsgeladene Atmosphäre voller Geheimnisse und Gewalt, stets geprägt von den beiläufigen und gleichzeitig bedeutungsschweren Dialogen, für die die Coens heute so gerühmt werden. Die ausgezeichnete Kameraarbeit von Barry Sonnenfeld (später selbst erfolgreicher Regisseur) ist hier lobend zu erwähnen. Die Ausleuchtung jeder Szene, das Spiel mit Licht und Schatten sowie die gelungene Farbwahl sind der Beweis, dass man für einen brillant inszenierten Film kein Millionenbudget braucht, sondern nur gute Ideen und die Fähigkeit, sie umzusetzen.
Anfänger mit Klasse
Bei der Besetzung konnten die Coens aus monetären Gründen nicht auf Hollywood-Größen zurückgreifen, was sich im Nachhinein betrachtet aber wahrscheinlich als Glücksfall herausstellte. Mit M. Emmet Walsh wurde zwar ein famoser Charakterschauspieler verpflichtet, der für seine Darstellung des dickbäuchigen Privatdetektivs eigentlich eine Oscar-Nominierung verdient gehabt hätte, aber der Rest des Ensembles bestand aus bis dahin eher unbekannten Gesichtern – inklusive Francis McDormand, für die der Film das Schauspieldebüt darstellte. Trotzdem gelingt der mittlerweile Oscar-prämierten Mimin und späteren Ehefrau von Joel Coen eine solide Performance als untreue Abby. John Getz spielt seinen wortkargen und pragmatischen Barkeeper herrlich unaufgeregt, aber dennoch verletzlich, während Dan Hedaya seiner Figur weitaus mehr als nur die eintönigen Facetten eines betrogenen Gatten und Geschäftsmannes entlockt.
Wahre Handwerkskunst
Doch neben den inhaltlichen und gestalterischen Höhepunkten bietet auch die Technik dieses Bluray-Transfers jede Menge Qualität. Basierend auf dem originalen 35-Millimeter-Filmnegativ wurde hier ein audiovisuell fantastisches 4K-Remaster erstellt. Jedwede Kratzer oder andere Unreinheiten wurden in einem aufwendigen Prozess entfernt. Das Bild besitzt damit eine tolle Körnung, kommt aber ohne störendes Bildrauschen daher. Der Kontrast, die Sättigung und die Schärfe sind für einen mehr als 33 Jahre alten Film auf höchstem Niveau. Selbst kleinste Farbnuancen sind noch zu erkennen.
Der eigentliche Star ist aber das Sounddesign, dass schon damals mit beeindruckender Vielfalt und Dynamik begeistern konnte. Die 5.1-Tonspur ist glasklar abgemischt und so räumlich, wie es nur geht. Selbst die stillen Momente werden entweder mit passenden Umgebungsgeräuschen oder dem atmosphärischen Score von Carter Burwell unterfüttert. Die Extras, die größtenteils aus aktuellen Interviews bestehen, geben zudem interessante Einblicke in die Produktion eines Films, der den erstklassigen Start zu einer nahezu makellosen Karriere zweier Filmemacher markiert.