Fist Of The North Star
Wer sich Anfang der 90er Jahre durch die Berichte in verschiedenen Videospiel-Magazinen von der Begeisterung um Animes hat anstecken lassen, hatte zwei bestimmte Titel fast immer in der Sammlung: Das deutsche VHS-Tape von „Akira“und die britische Import-Kassette von „Fist Of The North Star“. Während ersterer Anime die fantastischen technischen Möglichkeiten japanischer Zeichentrickkunst demonstrierte, war die postnukleare Brutalo-Klopperei „Fist Of the North Star“ganz prima geeignet, um potenziellen neuen Fans die Kinnlade runterklappen zu lassen, wenn man ihnen die erstaunlich blutigen Kampfszenen zeigte.
Ja, das „Mad Max“-inspirierte Endzeit-Epos aus den 1980ern diente gerne einfach mal als eine Art exotisches Splatter-Demo. Fans mit weniger infantilem Gemüt bemerkten aber hinter der grotesken Gore-Parade auch bald die spannende Geschichte um Kenshiro, den Erben der Kampfkunst-Schule der Faust des Nordsterns, seinen Kampf gegen den früheren besten Freund Shin, der ihm die Geliebte Yuria geraubt und ihn dabei fast tödlich verwundet hatte sowie die Rivalität mit seinem Adoptivbruder Raoh, der die Welt durch Gewalt einen möchte.
Die North-Star-Welt
Dass hinter dem Anime-Spielfilm noch ein viel umfangreicheres Universum aus Mangas und TV-Serien mit über 150 Episoden stand, war nur wenigen Fans bewusst, und auch denen eigentlich nur vage. Mangels einer verständlichen Übersetzung entzog sich die komplexe Welt von „Hokuto No Ken“damals dem westlichen Zugriff.
Erst die ab 2006 produzierte und ab 2009 auch im Westen veröffentlichte fünfteilige „True Savior Legend“-Anime-Reihe erlaubte einen tieferen Einblick in die Vergangenheit der „Fist Of The North Star“-Charaktere und auch in die Hintergründe ihrer Konflikte. Die drei Kinofilme und zwei einstündigen OVAs dienen gleichermaßen als Vorgeschichte, Fortsetzung und Nebengeschichte zum Klassiker.
Doch auch ohne diese Kenntnisse findet man schnell hinein in die lebensfeindliche und dennoch so faszinierende Endzeit-Welt. Zwei der Spielfilme konzentrieren sich auf das Streben Raohs nach der Macht, eine OVA widmet sich dem Leben Yurias, die andere dem pazifistischen Nordstern-Schüler Toki. Und endlich ganz im Mittelpunkt darf Serienheld Kenshiro dann im dritten Spielfilm stehen, der von der Zeit nach seiner Verletzung durch Shins Hand erzählt, also ein klares Prequel sowohl zur Original-TV-Serie als auch zum 1985er Kino-Anime.
Einmal Endzeit bitte
Die fünf Geschichten lassen kaum ein Endzeit-Klischee aus und zeichnen das Bild einer archaischen, völlig überzogenen Männerwelt, dennoch rühren die menschlichen Schicksale inmitten des grobschlächtigen Getümmels durchaus an.
Die mit markantem, dicken Strich gezeichneten Charaktere verleihen den Bildern der „True Savior Legend“-Reihe den passenden, auch etwas aus der Zeit gefallenen visuellen Stil. Die Ästheten unter uns dürfen sich über eine hohe Detailschärfe und die exzellente Darstellung der Zeichnungen freuen. Soundtechnisch machen insbesondere die Actionszenen Druck und somit auch Spaß. Der Kenshiro-Film stellt dabei optisch ganz klar den Höhepunkt des Quintetts dar, das im Vergleich zum Original in der Gewaltdarstellung deutlich weniger explizit ausfällt. Die 16er Freigabe der frisch erschienenen Blu-ray-Komplettbox mit allen fünf Titeln, die mit ordentlichen Extras daherkommt, mag als Indiz dafür gelten, dass dieses Mal kein Übermaß an explodierenden Köpfen der Handlung die Aufmerksamkeit stiehlt.