Vor uns das Meer
Wir schreiben das Jahr 1968. Der Elektroniker und Familienvater Donald Crowhurst (Colin Firth) versucht gerade auf einer Segelmesse ein von seiner kleinen Firma „Electron Utilisation Ltd.“entwickeltes Funkpeilgerät an den Mann zu bringen. Hierbei wird er auf das „Golden Globe Race“aufmerksam. Bei diesem Einhandsegler-Rennen gibt es eine saftige Belohnung für denjenigen, der als schnellster eine Weltumsegelung ohne Zwischenstopps schafft. Crowhurst, dessen einzige Erfahrungen im Segeln auf gelegentlichen Kurzausflügen mit der Familie auf dem heimischen See beruhen, ist sofort Feuer und Flamme für diese Herausforderung. Jedoch nicht etwa, weil es schon immer sein größter Traum war, in See zu stechen und die Welt alleine zu umrunden. Nein, er sieht die Chance, sein Unternehmen dadurch bekannter zu machen und durch das Preisgeld seine finanziellen Sorgen zu beheben. Trotz seiner Ehefrau (Rachel Weisz) und der drei Kinder, ist er nicht von seinem Plan abzubringen. Er leiht sich Geld, um das angeblich schnellste Boot zu bauen und engagiert einen Werbeberater, der ihn ganz groß rausbringen und in den Zeitungen bekannt machen soll. Da bereits im Vorfeld zahlreiche Probleme auftreten, ist er gezwungen, sein Haus und seine Firma als Sicherheit für seinen Kreditgeber anzubieten, doch selbst mit dem zusätzlichen Geld, schafft er es nicht, ein hochseetaugliches Boot fertigzustellen. Da es aber kein Zurück mehr gibt, startet er dennoch am letztmöglichen Datum, um an der Segelregatta teilzunehmen.
Stilles Drama
James Marsh, der bereits durch Filme wie „Die Entdeckung der Unendlichkeit“(2014) und den Dokumentarfilm „Man On Wire“, für den er sogar 2008 einen Oscar gewann, bekannt ist, wagte sich nun an die Biografie von Donald Crowhurst, der 1968 tatsächlich zum „Golden Globe Race“aufbrach. Er holte sich hierfür Schauspielgrößen wie Colin Firth („The King’s Speech“, „Bridget Jones“) und Oskarpreisträgerin Rachel Weisz („Die Mumie“, „Der ewige Gärtner“) buchstäblich ins Boot. Doch auch die durchaus soliden Leistungen der Schauspieler schaffen es nicht, den Film zu einem Meisterwerk zu machen. Die Charaktere, besonders die Ehefrau Clare Crowhurst, bleiben flach und lassen keine Entwicklung der Persönlichkeit erkennen. Der Protagonist macht zwar im Laufe des Films eine Entwicklung durch und sein körperlicher Verfall sowie auch sein geistiger Zustand lassen sich nachvollziehen, dennoch nimmt man ihm lediglich den zunehmenden Wahnsinn, nicht aber seine Verzweiflung ab. Dies ist nicht zuletzt dem unsympathischen und naiv wirkenden Charakter der Hauptfigur zu verdanken. Auf seiner Reise gibt es, bis auf wenige Ausnahmen, kaum Momente in denen sein Leben tatsächlich bedroht wäre, es geht lediglich um seinen eigenen Stolz, seine Betrügereien und die Angst vor deren Konsequenzen zu seiner Rückkehr, die ihn in den Wahnsinn treiben. Der Regisseur verwendet viele Rückblicke sowie Interviews, die Crowhurst im Vorfeld der Tour gegeben hatte, was die Stimmung und Verortung des Film unterstreichen soll und immer in Mo- menten der Einsamkeit auf See eingeflochten wird. Die „Diashow-Optik“verleiht dem Drama Charme und die persönliche Note, was jedoch durch die häufig leider sehr schlechte Bildqualität des restlichen Films geschmälert wird. Das Bild ist oftmals unscharf und körnig. Auch einen mitreißenden Soundtrack sucht man vergebens. Es wird sehr sparsam mit musikalischen Elementen gearbeitet, während die Räumlichkeit eher mittelmäßig ist. Stattdessen wird die bedrückende Stille auf dem Boot durch fast schon bedrohlich wirkende Geräusche unterstrichen. Da auch der Zustand des Boots im Laufe des Dramas immer mehr dem Geisteszustand des Protagonisten ähnelt, passen die wenigen Tonelemente hierbei sehr gut zur Atmosphäre.
Aufgrund der historischen Akkuratesse wurde offenbar auf einen sympathischen, logisch agierenden Protagonisten verzichtet, was den Zuschauer vielleicht davon abhalten könnte, sich in ihn hineinversetzen zu können. Dennoch bleibt der Segel-Törn gerade deshalb authentisch, da Menschen in Extremsituationen nunmal häufig Dinge tun, die sie später bitter bereuen. Alles in allem ist „Vor uns das Meer“für Fans von Colin Firth oder von Filmen, in denen es um normale Menschen geht, die alles daran setzen ihre Träume zu erfüllen, zwar keine Offenbarung, aber dennoch definitiv einen Blick wert.