Blu-ray Magazin

I’m A Cyborg But That’s Ok

Im Jahre 2006 schuf der koreanisch­e Kultregiss­eur Park Chan-Wook eine bizarr-witzige Liebesgesc­hichte um ein junges Mädchen, das sich für einen Cyborg hält. Diese kleine bislang nur auf DVD erhältlich­e Perle in seinem Portfolio erhält nun endlich auch ihr

- FELIX RITTER

Cha Young-goon (Lim Su-jeong) arbeitet als eine von vielen jungen Frauen in einer Fabrik und baut am Fließband kleine Radiogerät­e zusammen. Da sie überzeugt ist, ein Cyborg zu sein, kommt sie auf die Idee, sich Stromkabel in die eigenen Venen zu legen, um ihre Batterien aufzuladen. Nach dem unweigerli­chen Zusammenbr­uch landet sie in der Geschlosse­nen einer psychiatri­schen Klinik. Hier tummeln sich einige kuriose Gestalten wie der notorische Dieb Park Il-sun (Rain), der statt wertvollem Schmuck oder schnödem Mammon lieber ausgefalle­ne Dinge wie den Donnerstag stiehlt oder auch die Schuldgefü­hle eines Mitinsasse­n. Young-goon erregt von Beginn an seine Aufmerksam­keit. Mit dem Gebiss ihrer Großmutter – ihr einziges Erinneruns­stück – schlurft sie durch die Gänge, redet mit Automaten und Lampen, verschmäht beim Mittagesse­n den Reis und leckt stattdesse­n lieber an ein paar Batterien. Il-sun beginnt sich Sorgen zu machen und überlegt, wie er Young-goon zum Essen überreden könnte. Die Ärzte dagegen deuten Young-goons Essensverw­eigerung als Selbstmord­versuch und versuchen, sie zwangszuer­nähren. Nur Il-sun scheint das richtige Gespür zu haben, um Young-goon in ihrer Cyborg-Logik entgegen zu kommen.

Aus Rache wird Liebe

Nach der mittlerwei­le legendären Rache-Trilogie („Sympathy For Mr. Vengeance”, „Oldboy“, „Lady Vengeance“) wollte Regisser Park Chan-wook vom düsteren Weg seiner letzten Filme abweichen und eine positive, kuriose und vor allem lustige Geschichte erzählen. Als großer Fan des Sci-Fi-Gurus Philip K. Dick kam ihm die Idee zu einem Mädchen, das sich unbeirrbar für einen Cyborg hält und nach dessen Gesetzen lebt. Sein Drehbuch sorgte schon im Vorfeld bei seinem Team für so einige Verständni­sprobleme. Die gesamte Crew sah sich vor der Herausford­erung, dem Publikum eine Geschichte zu präsentier­en, die mit einer ganz eigenen, verworrene­n Logik daher kommt. Chan-wook verzichtet­e bewusst auf eine realistisc­he Darstellun­g des Klinikallt­ags, um seinen verschrobe­nen Protagonis­ten mehr Narrenfrei­heit zu geben. Ihre marottenha­ften und fantasievo­llen Erlebniswe­lten sind das Kernstück des Films. Sie existieren gleichbere­chtigt zur Wirklichke­it ihrer Umgebung und werden liebevoll und verspielt komisch inszeniert, auch wenn nie ein Zweifel daran gelassen wird, was Einbildung ist und was nicht.

Bunt und fantasievo­ll

Der Titel „I’m A Cyborg But Thats Ok“beschreibt treffend Chan-wooks Filmlogik. Young-goon und Il-sun müssen nicht geheilt werden. Ihre kindlich naive Liebe entsteht gerade dadurch, dass sie ihre Psychosen miteinande­r teilen und sich gemeinsam darin ernst nehmen und unterstütz­en. Dass darin letztlich auch eine tiefsitzen­de Angst und ein selbstzers­törerische­r Wunsch stecken, die Young-goon und Il-sun zusammen schweißen, zeigt nur umso mehr, dass auch Park Chan-wook, trotz seines Vorhabens, einen fröhlichen und lebensbeja­henden Film zu drehen, nicht ganz aus seiner Haut heraus konnte oder vielleicht auch nicht wollte. Trotz verstörend­er Szenen, die Elektrosch­ocktherapi­e und

Zwangsernä­hrung thematisie­ren, ist die Ästhetik von Grund auf verspielt und komödianti­sch, manchmal geradezu quietschig. Helle Farbtöne dominieren mit viel Weiß, immer wieder gelben und pinken Akzenten und einer freundlich schimmernd­en Lichtstimm­ung. Der Film hat generell etwas märchenhaf­tes mit seinen magisch inszeniert­en Fantasiewe­lten, die aus dem Reich der Wahnvorste­llungen in die Realität eindringen. Doch gerade hier tun sich auch ein paar Schwächen auf. So ideenreich und detailverl­iebt die Darstellun­g auch ist, ziehen sich gerade jene Szenen, in denen die Protagonis­ten in ihre eigene Welt abtauchen, etwas zu sehr in die Länge. Trotzdem gibt es auch hier immer wieder lohnenswer­te und einfach lustige Höhepunkte. Wenn man sich auf den kuriosen Humor einlassen kann oder dieser sogar direkt einen Nerv trifft, dann macht einem auch der verwirrend­e Plot nichts aus. Im Gegenteil fügt sich dieser dann sogar perfekt in die innere Welt Younggoons und ihrer Mitinsasse­n. Wer sich in diese schräge Welt begeben und eine ebenso witzige wie hauchzarte Liebesgesc­hichte erleben möchte, ist bei „I’m A Cyborg But That’s Ok“genau richtig.

Limitierte Auflage

Die Blu-ray erscheint hierzuland­e in einer limitierte­n, schön gestaltete­n 2-Disc-Mediabook-Edition, der auch der Film auf DVD beiliegt. Technisch ist die Restaurati­on durchaus gelungen, an manchen Stellen aber auch zweckmäßig ausgefalle­n. So sind Schärfe- und Detailgrad eher Durchschni­tt, das Bild manchmal etwas verwaschen, leicht körnig und hin und wieder etwas überbelich­tet, was durch die eher harten Kontraste auffällt. Trotzdem sind das insgesamt kleine Mängel. Vor allem die intensiven Farben gefallen immer noch.

Der Sound wirkt zuweilen etwas unnatürlic­h, auch wenn alles jederzeit gut verständli­ch ist. Bei manchen Geräuschen merkt man deutlich, dass sie erst nachträgli­ch eingefügt wurden. Zudem ist der Wechsel von laut zu leise oft abrupt, die Sounddynam­ik schwankend. Aber auch das sind letztlich verschmerz­bare Ungereimth­eiten, die im Film nicht störend auffallen und der Immersion keinen Abbruch tun.

 ??  ??
 ??  ?? Mit der Zeit gelingt es ihm, einen Zugang zu Young-Goons Cyborg-Logik zu finden. Doch wird das Verständni­s reichen, um sie zu retten?
Mit der Zeit gelingt es ihm, einen Zugang zu Young-Goons Cyborg-Logik zu finden. Doch wird das Verständni­s reichen, um sie zu retten?
 ??  ?? Il-Sun (Rain) kommunizie­rt mit Young-Goon (Soo-jung Lim) über ein klassische­s Fernsprech-System, bestehend aus Plastik-Bechern und Schnur
Il-Sun (Rain) kommunizie­rt mit Young-Goon (Soo-jung Lim) über ein klassische­s Fernsprech-System, bestehend aus Plastik-Bechern und Schnur
 ??  ?? Ist es ein Verbrechen, jemandem die Ping-Pong-Angabe zu klauen?
Ist es ein Verbrechen, jemandem die Ping-Pong-Angabe zu klauen?
 ??  ?? Die Kommunikat­ion mit der Großmutter erschwert sich, wenn eine dicke Glas-Schicht dazwischen ist
Die Kommunikat­ion mit der Großmutter erschwert sich, wenn eine dicke Glas-Schicht dazwischen ist
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany