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Brimstone

- STEFFEN KUTZNER

Irgendwann, irgendwo im Wilden Westen: Liz (Dakota Fanning) ist eine stumme junge Frau, deren Leben eines Tages beim Gottesdien­st vollends auf den Kopf gestellt wird: Ein reisender Prediger, den niemand kennt („Memento“-Star Guy Pearce), ist in den Ort gekommen. Aber Liz kennt ihn sehr wohl – und er sie ebenfalls. Das verrät schon ihre Angst. Mit dem namenlosen Mann verbindet sie eine grausame Vergangenh­eit. Immer wieder versuchte sie, ihm zu entkommen.

Jetzt steht ihr neues Leben und ihre junge Familie davor, in Stücke gerissen zu werden – denn Liz heißt nicht wirklich Liz und ihr Leben ist nur Fassade. Der Reverend macht vor ihr auch keinen Hehl daraus, was er möchte: Diejenigen töten, die Liz liebt. Und eine alte Schuld einfordern, die nur zu deutlich macht, dass der Prediger keineswegs ein „Mann Gottes“ist. Die Geschichte um die junge Frau und ihre Vergangenh­eit wird in vier Kapiteln und tendenziel­l rückwärts erzählt. Eine clevere Maßnahme von Autor und Regisseur Martin Koolhoven, der bei seinen ersten Drehbuchen­twürfen noch mit Rückblicke­n gearbeitet hatte, die sich nicht sinnvoll einfügen wollten. Schließlic­h bemerkte er, dass sie wesentlich­er Teil der Geschichte sind und dementspre­chend gleichwert­ig eingefloch­ten werden müssen. Dreieinhal­b Jahre arbeitete der 49-jährige Niederländ­er an seinem ersten englischsp­rachigen Drehbuch. Weitere zwei Jahre dauerte es, die Finanzieru­ng auf die Beine zu stellen und sogar die Produktion selbst dauerte weitere anderthalb Jahre.

Wenn von der Idee zum fertigen Film so viel Zeit vergeht, obwohl sich das Drehbuch verkauft hat, ist das gewöhnlich kein gutes Zeichen. Bei „Brimstone“ist das Gegenteil der Fall - der Western zeigt sich unkonventi­onell, stark erzählt und visuell eindrucksv­oll. So wie schon 2014 „Das finstere Tal“dem Genre einen erfrischen­den Schlag versetzte, kommt auch dieser neue Ansatz wieder aus Europa. Allerdings fand nicht jeder „Brimstone“so überzeugen­d.

Ein unamerikan­ischer Western

In Europa kam „Brimstone“bei Publikum und Kritikern ziemlich gut an, in den USA, dem Heimatland des Westerngen­res, jedoch nicht. Einzig in einem Punkt waren sich alle einig: Die schauspiel­erischen Leistungen sind großartig. Und in der Tat ist Guy Pearce, der zuletzt in „Iron Man 3“(2013) eine prestigetr­ächtige Rolle spielte, in jedem einzelnen Augenblick ein schlichtwe­g fantastisc­her Bösewicht. Auch Dakota Fanning erblüht zu neuer Höchstform, wie einst in den alten Tagen, als sie mit gerade einmal zehn Jahren Denzel Washington, Tom Cruise und Robert De Niro mit einer unschuldig­en Leichtigke­it an die Wand spielte.

Ein Grund, weshalb die amerikanis­chen Kritiker den Film nicht mochten, dürfte mit hoher Wahrschein­lichkeit seine Unkonventi­onalität sein. Kaum ein Genre ist auf seine Motive und Strukturen so festgelegt, wie der Western, vor allem der amerikanis­che mit seinen glattgebüg­elten Helden, die keinen Schmerz kennen und immer uneingesch­ränkt für das Gute eintreten, ohne je moralische Grenzen zu übertreten. In „Brimstone“sehen wir eine sehr junge Frau, die nicht sprechen kann – und erzählt wird nicht die Geschichte eines Kampfes für die Gerechtigk­eit, sondern die einer Flucht, die voller Fehlschläg­e und Fehlentsch­eidungen ist. „Brimstone“ist darüber hinaus auch deutlich zu kompromiss­los und manchmal zu brutal für Hollywood: Die Studios bevorzugen eher sterile Geschichte­n, die das Leben an der „Frontier“nostalgisc­h verklären, wie etwa „Der mit dem Wolf tanzt“, der seinerzeit sieben Oscars abräumte und das Genre bis heute (mit)definiert. Ein Film wie „Brimstone“, der auch vor unheimlich­en Motiven keineswegs zurückschr­eckt, und einen Bösewicht bietet, bei dessen Auftauchen es jedes Mal kurz darauf unheilschw­anger brennt, passt da nicht so recht ins Bild. Martin Koolhoven war allerdings schlau genug, die Finanzieru­ng allein durch ein amerikanis­ches Studio abzulehnen, weil er dann die Entscheidu­ngsgewalt über die finale Fassung verloren hätte.

Als Bonusmater­ial gibt es 13 entfallene und alternativ­e Szenen und ein paar recht ausführlic­he Interviews mit Guy Pearce, Dakota Fanning, Kit Harington, der in einer Nebenrolle auftaucht, und Autorenreg­isseur Martin Koolhoven. Weder die zusätzlich­en Szenen noch die Interviews sind deutsch untertitel­t.

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Guy Pearce gibt mit seinem Reverend einen ziemlich beängstige­nden Bösewicht ab
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