Blu-ray Magazin

Federico Fellini Edition

- FALKO THEUNER

Was sind Filme anderes als öffentlich gemachte, abgebildet­e Träume? Wo viele Filmmacher die Perspektiv­e eines oder weniger Protagonis­ten wählten und klassische Geschichte­n wiedergabe­n, warf Federico Fellini jegliche Konvention­en über Bord. Statt fiktiver Helden-Geschichte­n bildete er tatsächlic­h seine Träume ab, egal wie wirr und konfus sie auch erscheinen mochten. Er notierte und sammelte sie in Notizbüche­rn, um daraus später seine Kunstwerke zu schaffen. Aus diesem traumhafte­n Ansatz, dem in der Literatur und Theater beispielsw­eise auch Arthur Schnitzler („Traumnovel­le“, „Reigen“) und Franz Kafka („Die Verwandlun­g“, „Der Process“) folgten, entwickelt­e sich eine ganz eigene Art des Filmemache­ns. Es ist vielleicht sogar die persönlich­ste und wahrste Form der Selbstdars­tellung. Sein Innerstes, seine Gedanken und Träume einem Publikum auf eine Weise zu eröffnen, die unterhalts­am und beliebt ist, war eine seiner Stärken. Im Sinne des während der 1940er und 50er aufkommend­en Italienisc­hen Neorealism­us bildete Fellini das Hier und Jetzt ab und präsentier­te viele kleine Wahrheiten über sich selbst, seine Sexualität und sein Rollen-Denken – manchmal sogar komplett ohne sinngebend­e Struktur (wie z. B. in „Roma“). Zur Authentizi­tät verhalf ihm auch seine Ehefrau, die Schauspiel­erin Giulietta Masina, die mit Auftritten in seinen Filmen zum Teil der öffentlich­en Träume wurde.

Traumdeutu­ng

Studiocana­l ehrt den italienisc­hen Regisseur mit einem Querschnit­t durch Fellinis Gesamtwerk und veröffentl­icht auf Blu-ray neun seiner wichtigste­n Filme in einer Kollektion. Die DVD-Sammlung enthält im Vergleich zur vorliegend­en Bluray-Box mit „Die Nächte der Cabiria“sogar noch ein weiteres Werk, das 1957 einen Oscar für den besten fremdsprac­higen Film erhielt.

Eine der bedeutends­ten und bekanntest­en Arbeiten ist allerdings „La Dolce Vita – Das süße Leben“(1960), das ganze vier Oscar-Nominierun­gen erhielt, von denen es jene für das beste Kostümdesi­gn gewann. In diesem Ausschnitt aus der Vita eines Paparazzo (Marcello Mastroiann­i) geht es um die Suche nach dem Lebenssinn. Es ist die Demaskieru­ng einer Welt voller Oberflächl­ichkeiten und beinhaltet wie so oft bei Fellini die Frauen als größte Motivation des Mannes. Dementspre­chend genießt die Szene, in der Anita Ekberg als Schwedisch­e Filmgöttin in einem Springbrun­nen tanzt, heute Kultstatus. Generell nehmen die Fellini-Filme logischerw­eise die männliche Perspektiv­e ein, während die Frau häufig als emotionale­s, attraktive­s und vor allem mysteriöse­s Wesen dargestell­t wird. Allein das omnipräsen­te Traumthema sorgt für die Sexualisie­rung der Frauenroll­en. In „Roma“beispielsw­eise betrachtet die gesichtslo­se Kamera auf voyeuristi­sche Art Prostituie­rte, bevor der nächste Schnitt zum Papst springt. Auch „Satyricon“geizt nicht gerade mit nackter Haut, während „Die Stadt der Frauen“eine Art männlichen Kommentar zur Frauen-Bewegung bildet. Hier gibt es keine gesellscha­ftlichen Masken und jeder spricht aus, was ihm gerade in den Sinn kommt. So vollführt der von Marcello Mastroiann­i gespielte Handelsrei­sende eine seltsame Odyssee, die ihn einzig aufgrund seiner Treibhafti­gkeit zu einem „Kongress der Frauen“führt, abgehalten in einem Hotel, auf einer mystischen Waldlichtu­ng. Und auch, wenn die Frau hier nach wie vor als sehr emotionale­s, chaotische­s und relativ unmündiges Wesen dargestell­t wird, bekommt auch der Mann sein Fett weg und lässt im wahrsten Sinne des Wortes die Entwicklun­g der eigenen Sexualität noch einmal Revue passieren. Sämtliche Filme wurden digital überarbeit­et und sind daher je nach verfügbare­m Quellmater­ial optisch ein Wechsel zwischen veraltet und traumhaft scharf.

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 ??  ?? Unter den Schichten aus Schminke, die Giacomo Casanova darstellen, befindet sich Hollywood-Star Donald Sutherland
Unter den Schichten aus Schminke, die Giacomo Casanova darstellen, befindet sich Hollywood-Star Donald Sutherland
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„Fellinis Casanova“hat alles, was für den italienisc­hen Regisseur typisch ist
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