AMERICAN HORROR STORY Cult
In der siebten Staffel von Ryan Murphys Anthologie-Serie nähert sich der Horror auf beklemmende Weise unserer Realität. Doch kann uns im Zeitalter von Trump und „Fake News“eine solche Geschichte überhaupt noch das Gruseln lehren? Machen wir den Versuch!
Seit Donald Trump 2015 seinen Hut in den Ring warf und seine Kandidatur aufs Präsidentenamt der Vereinigten Staaten verkündete, ist nichts mehr im politischen Tagesgeschehen, wie es zuvor war. Abhängig von der persönlichen Einstellung und Weltsicht sieht man im Inhaber des vielleicht mächtigsten Amtes der Welt einen Mann, der endlich einmal ausspricht, was man selbst schon lange dachte und nie zu sagen wagte. Vielleicht sieht man einen Clown, der das Amt und den Staat, den er repräsentiert, lächerlich macht. Oder man sieht einen gefährlichen Hetzer, der auf alle Werte pfeift und droht, das politische System der USA zu zerstören und die westliche Wertegemeinschaft zu demontieren.
Kalt dürfte Donald Trump nur die wenigsten lassen, er wühlt auf, er begeistert, er beleidigt oder er verletzt, doch seiner medialen Berührung kann sich kaum jemand entziehen. Seine kontroversen Äußerungen und Amtshandlungen schufen – unterstützt von medialer Berichterstattung – eine Atmosphäre politischer Hysterie.
Faktor Mensch
In einem cleveren Schachzug wählten Showrunner Ryan Murphy und sein Autorenteam eben diese politische Hysterie, deren giftige Metastasen oft bis ins Private hinein wuchern, als Stimmungs-Hintergrund für „Cult“, die siebte Staffel von „American Horror Story“. „Cult“ist nicht die erste Serie, die die angespannte, polarisierende politische Atmosphäre als Hintergrund für eine Genre-Serie nutzt. Zuvor hatten unter anderem schon die Macher des „The Good Wife“-Ablegers „The Good Fight“und der Horror-Comedy-Serie „Braindead“auf eine ganz ähnliche Idee gesetzt, mit faszinierendem, aber auch polarisierendem Resultat. Man musste kein Prophet sein, um voraussagen zu können, dass auch die jüngste „American Horror Story“-Staffel auf geteiltes Echo stoßen würde, um es vorsichtig zu sagen. Dabei kann niemand „Cult“unterstellen, eine einseitige politische Agenda zu vertreten. Vielmehr tritt die Staffel gewissermaßen allen politischen Richtungen in der einen oder anderen Form auf den Schlips. Oder präziser noch, den Anhängern aller politischen Richtungen.
„Cult“beschäftigt sich weniger mit Weltanschauungen und politischen Ideologien, sondern vielmehr mit den Menschen, die ihnen anhängen. Und da „Cult“eine Horrorserie ist, sehen sich die Figuren in der Serie entsprechend mit Extremsituationen konfrontiert. Auf kluge Art und Weise dokumentiert und seziert sie deren Ent-
scheidungen und Handlungen. Unter dem Einfluss von Furcht, Wut und Paranoia, so zeigt sich, handelt der Mensch doch eher gefühls – und instinktgetrieben, und weniger gemäß seiner politischen Einstellungen.
Coulrophobie
Das muss auch das politisch linksstehende Ehepaar Ally („American Horror Story“-Veteranin Sarah Paulson) und Ivy (Serien-Newcomerin Alison Pill) schmerzhaft erfahren.
Seit dem Wahlausgang leidet Ally unter Panikattacken und Phobien, neuen und längst verdrängt geglaubten, während sich Ivy um das Wohl des gemeinsamen Sohnes sorgt und zudem ihrer Frau vorhält, bei der Wahl die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Unheimliche Vorfälle in der beschaulichen Kleinstadt zerren zusätzlich an Allys Nerven, sie sieht sich von waffenschwingenden Clowns und LKWs, die Giftgas versprühen, verfolgt. Und dann werden auch noch die Nachbarn getötet. Selbstmord, so heißt es. Ally möchte daran allerdings nicht glauben. Sie besorgt sich eine Pistole. Gleichzeitig schickt sich Kai (Evan Peters, auch bekannt als Quicksilver aus „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“), ein junger, charismatischer Mann, beflügelt von Trumps Wahlerfolg an, die politischen Karten der Kleinstadt neu zu mischen. Und wie sich schnell herausstellt, scheut er dabei vor gar nichts zurück.
Gesellschafts-Horror
Durchtränkt von einem makabren Sinn für Humor, bleibt „Cult“der blutigen Tradition der „American Horror Story“treu, wagt sich gleichzeitig aber auch in neue Territorien vor. Für Kontinuität sorgen einmal mehr das erprobte Darsteller-Team, die fehlende Scheu vor wirklich unangenehmen und fiesen Szenen sowie die Lust am Grotesken und Überzeichneten. Die 18er Freigabe hat sich „Cult“redlich verdient, Gore-Gourmets erwartet hier eine überaus blutige Mahlzeit. Auch die spannende Handlung, die sich nicht einer streng chronologischen Erzählweise unterwirft und welche manch unschöne Überraschung bereithält, war von einer „American Horror Story“-Staffel zu erwarten. Ungewohnt ist hingegen die politische Relevanz, mit der „Cult“aufwarten kann. Das Böse manifestiert sich hier nicht in Form einer ominösen dunklen, vielleicht sogar übernatürlichen Macht, vielmehr speist es sich aus den oft sogar nachvollziehbaren Ängsten, Sorgen und Vorurteilen ganz normaler Menschen. Wir reden hier von den Bewohnern einer eigentlich höchst friedlichen, toleranten und offenkundig wohlhabenden Kleinstadt, vergleichbar mit Stars Hollow aus „Gilmore Girls“. Fast unwillkürlich drängt sich da die Frage auf, ob sich auch dessen schrullig-sympathische Einwohner so schnell in gefährliche Hysterie versetzen lassen könnten. Und die Antwort darauf möchte man vielleicht lieber nicht erfahren. Denn das wäre doch eigentlich der wahre Horror.