Mom And Dad
Ein abruptes Ende. Oder etwa ein Neuanfang? Ehe sich die Dinge überschlagen, ein kurzer Blick zurück. Ganz in „Desperate Housewives“-Manier könnte man in den Lebensalltag in dieser amerikanischen Vorstadt einführen. In der geleckten Heilewelt läuft alles seinen gewohnten Gang. Die pubertierenden Kids schmettern im Unterricht facebookelnd auf ihrem Smartphone herum, um dieses kurze Zeit später an den Vorzeigelehrer zu entrichten. Daheim kracht es zwischen den Sprösslingen, da das eigene Zimmer als Refugium übergriffig betreten wird. Der einst so freiheitsliebende, chaotische Rebell ist zu einem angepassten Mittelstands-Dad mit einem schmalen Portmonée und Midlife-Crisis verkommen, sodass es gerade noch zum Erwerb eines Billardtisches reicht – mal noch so etwas wie eine abgeschiedene Männerromantikwelt, auch Keller genannt, als letzte Bastion des Widerstandes des einst so starken Geschlechts. Da ist die unzufriedene, zeternde Hausfrau, die sich festgepinnt auf ihre Rolle als Familienhüterin fühlt. Wie kann Man(n) da nur so verschwenderisch sein, sich eine Männerhöhle zu schaffen. Gleichauf ist die Frage, warum den Körper im Schwitzstudio schinden, wenn es doch ohnehin einzig die graue Eintönigkeit des Mutterdaseins zu pflegen gilt? Überhaupt ist das System Familie ein einziges Missverständnis und ein Schauplatz mehrerer Generationenkonflikte. In Glotze und Funk läuft auch nur der bekannte Einheitsbrei. Schlichtweg eine Szenerie zum Verlieben, wenn man denn die meterdicken Mauern des Frustes und der aufgestauten Wut außer Acht lässt.
Die Wut muss raus
Ein krisseliges Bild auf dem Monitor und ein markanter Ton im Radio kündigen einen Wandel an. Die angestaute Anspannung will ja auch entladen werden. Wie gut, dass man da nervtötende Bälger hat, denen man nun alles heimzahlen und sie meuchelnd richten kann. So wird das Einöd von einer Welle elterlicher Gewalt überzogen. Losgeeist vom eigentlichen Schutzbedürfnis, sind die Moms und Dads voller Blutdurst getrieben, sich nun ihre Freiheit wieder zu erkämpfen – endlich wieder Zeit für sich, zur Selbstverwirklichung. Und schon stehen die Medien bereit, um Erklärungsansätze zu finden. Da scheint es doch wahrhaft möglich, dass eine außerirdische Spezies die Menschheit platt machen möchte. So könnte es ja eine Art Neurotoxin geben, welches die Eltern-Kind-Bindung lösen und zu einem Gewaltakt aufrufen könnte. Wie kann es sonst sein, dass die Eltern zu scheinbar empathielosen Bestien mutieren? Als dann auch noch die Großeltern auf die Eltern Jagd machen, ist der Kulturenclash perfekt und ein Generationengemetzel eingeläutet. Klingt schräg? Ist auch so!
Mit dem Abbild des Inhaltes und der Besetzung Nicolas Cage („Con Air“, „Im Körper des Feindes“) mag der geneigte Filmfan erst einmal seinen Vorurteilen und Skepsis erliegen. Nachdem Nicolas Cage speziell in den 1990er und 2000er Jahren noch einige zündende Mainstreamstreifen mit schauspielerischem Leben füllte, verkam er in den letzten Jahren zu einer Ramschware, da er sich – optimistisch formuliert – zu keinem Film zu schade war. Waren seine Leistungen einstmals zumindest Geschmackssache, waren sie zuletzt indiskutabel schlecht. Da schien möglicherweise die Rolle als frustrierter, mittelmäßiger Familienvater verlockend zu sein. Vielleicht spiegelt sich ja tatsächlich eine Aufarbeitung privaten Unrates darin. Kurzum: Cage vermag es in diesem Film durchaus, eine gute Leistung zu bringen. Er wirkt in seinem Mix aus Wut, Frustration und durchgeknalltem Wahnsinn sehr authentisch. Auch Selma Blair („Super süß und super sexy“, „Natürlich blond“) mimt ihre Rolle als in Fürsorge zerriebene Mutter gut. Da zeigt sie sich in der einen Sequenz in liebevoller Empathie, um sich kurz darauf mordlüstern mit einer Säge den Weg zu ihren Kindern bahnen zu wollen. Regisseur Brian Taylor („Crank“, „Gamer“) wagt sich mit interessanten Kameraperspektiven und schnellen Schnitten an ein kontroverses Thema heran und kann dieses mit gelungenen Bildern einfangen. Die optische und auch musikalische Aufmachung unterstreichen den möglichen Anspruch, einen Kultfilm etablieren zu wollen. Potenziale sind also durchaus vorhanden. Allerdings vermag Taylor seinem Werk nicht intensiv genug das Format „Groteske“anhaften zu können. „Mom And Dad“wirkt anarchisch, schräg und gesellschaftskritisch, kann dies aber nicht in aller Intensität und mit einem noch treffenderen Humor verstärken. So bleibt ein gemischtes Gefühl zurück. Es gibt witzige Ansätze und doch auch ein etwas geschmackloses Thema, was dadurch geschmacklos wird, dass es sich nicht in Gänze abzugrenzen bzw. als Groteske zu positionieren weiß.