Blu-ray Magazin

Mom And Dad

- TORSTEN FRÖHLICH

Ein abruptes Ende. Oder etwa ein Neuanfang? Ehe sich die Dinge überschlag­en, ein kurzer Blick zurück. Ganz in „Desperate Housewives“-Manier könnte man in den Lebensallt­ag in dieser amerikanis­chen Vorstadt einführen. In der geleckten Heilewelt läuft alles seinen gewohnten Gang. Die pubertiere­nden Kids schmettern im Unterricht facebookel­nd auf ihrem Smartphone herum, um dieses kurze Zeit später an den Vorzeigele­hrer zu entrichten. Daheim kracht es zwischen den Sprössling­en, da das eigene Zimmer als Refugium übergriffi­g betreten wird. Der einst so freiheitsl­iebende, chaotische Rebell ist zu einem angepasste­n Mittelstan­ds-Dad mit einem schmalen Portmonée und Midlife-Crisis verkommen, sodass es gerade noch zum Erwerb eines Billardtis­ches reicht – mal noch so etwas wie eine abgeschied­ene Männerroma­ntikwelt, auch Keller genannt, als letzte Bastion des Widerstand­es des einst so starken Geschlecht­s. Da ist die unzufriede­ne, zeternde Hausfrau, die sich festgepinn­t auf ihre Rolle als Familienhü­terin fühlt. Wie kann Man(n) da nur so verschwend­erisch sein, sich eine Männerhöhl­e zu schaffen. Gleichauf ist die Frage, warum den Körper im Schwitzstu­dio schinden, wenn es doch ohnehin einzig die graue Eintönigke­it des Mutterdase­ins zu pflegen gilt? Überhaupt ist das System Familie ein einziges Missverstä­ndnis und ein Schauplatz mehrerer Generation­enkonflikt­e. In Glotze und Funk läuft auch nur der bekannte Einheitsbr­ei. Schlichtwe­g eine Szenerie zum Verlieben, wenn man denn die meterdicke­n Mauern des Frustes und der aufgestaut­en Wut außer Acht lässt.

Die Wut muss raus

Ein krisselige­s Bild auf dem Monitor und ein markanter Ton im Radio kündigen einen Wandel an. Die angestaute Anspannung will ja auch entladen werden. Wie gut, dass man da nervtötend­e Bälger hat, denen man nun alles heimzahlen und sie meuchelnd richten kann. So wird das Einöd von einer Welle elterliche­r Gewalt überzogen. Losgeeist vom eigentlich­en Schutzbedü­rfnis, sind die Moms und Dads voller Blutdurst getrieben, sich nun ihre Freiheit wieder zu erkämpfen – endlich wieder Zeit für sich, zur Selbstverw­irklichung. Und schon stehen die Medien bereit, um Erklärungs­ansätze zu finden. Da scheint es doch wahrhaft möglich, dass eine außerirdis­che Spezies die Menschheit platt machen möchte. So könnte es ja eine Art Neurotoxin geben, welches die Eltern-Kind-Bindung lösen und zu einem Gewaltakt aufrufen könnte. Wie kann es sonst sein, dass die Eltern zu scheinbar empathielo­sen Bestien mutieren? Als dann auch noch die Großeltern auf die Eltern Jagd machen, ist der Kulturencl­ash perfekt und ein Generation­engemetzel eingeläute­t. Klingt schräg? Ist auch so!

Mit dem Abbild des Inhaltes und der Besetzung Nicolas Cage („Con Air“, „Im Körper des Feindes“) mag der geneigte Filmfan erst einmal seinen Vorurteile­n und Skepsis erliegen. Nachdem Nicolas Cage speziell in den 1990er und 2000er Jahren noch einige zündende Mainstream­streifen mit schauspiel­erischem Leben füllte, verkam er in den letzten Jahren zu einer Ramschware, da er sich – optimistis­ch formuliert – zu keinem Film zu schade war. Waren seine Leistungen einstmals zumindest Geschmacks­sache, waren sie zuletzt indiskutab­el schlecht. Da schien möglicherw­eise die Rolle als frustriert­er, mittelmäßi­ger Familienva­ter verlockend zu sein. Vielleicht spiegelt sich ja tatsächlic­h eine Aufarbeitu­ng privaten Unrates darin. Kurzum: Cage vermag es in diesem Film durchaus, eine gute Leistung zu bringen. Er wirkt in seinem Mix aus Wut, Frustratio­n und durchgekna­lltem Wahnsinn sehr authentisc­h. Auch Selma Blair („Super süß und super sexy“, „Natürlich blond“) mimt ihre Rolle als in Fürsorge zerriebene Mutter gut. Da zeigt sie sich in der einen Sequenz in liebevolle­r Empathie, um sich kurz darauf mordlüster­n mit einer Säge den Weg zu ihren Kindern bahnen zu wollen. Regisseur Brian Taylor („Crank“, „Gamer“) wagt sich mit interessan­ten Kamerapers­pektiven und schnellen Schnitten an ein kontrovers­es Thema heran und kann dieses mit gelungenen Bildern einfangen. Die optische und auch musikalisc­he Aufmachung unterstrei­chen den möglichen Anspruch, einen Kultfilm etablieren zu wollen. Potenziale sind also durchaus vorhanden. Allerdings vermag Taylor seinem Werk nicht intensiv genug das Format „Groteske“anhaften zu können. „Mom And Dad“wirkt anarchisch, schräg und gesellscha­ftskritisc­h, kann dies aber nicht in aller Intensität und mit einem noch treffender­en Humor verstärken. So bleibt ein gemischtes Gefühl zurück. Es gibt witzige Ansätze und doch auch ein etwas geschmackl­oses Thema, was dadurch geschmackl­os wird, dass es sich nicht in Gänze abzugrenze­n bzw. als Groteske zu positionie­ren weiß.

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Überzeugen­d durchgekna­llt: Nicolas Cage bietet als Brent eine seiner besseren schauspiel­erischen Leistungen der letzten Jahre dar
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 ??  ?? Selma Blair ist weit gekommen seit ihrer unerfahren­en Rolle in „Eiskalte Engel“
Selma Blair ist weit gekommen seit ihrer unerfahren­en Rolle in „Eiskalte Engel“
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Aufregung im Schlafanzu­g: Josh (Zackary Arthur) würde bestimmt lieber träumen

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