15:17 To Paris
Alek (Alek Skarlatos), Spencer (Spencer Stone) und Anthony (Anthony Sadler) sind beste Freunde seit Schulzeiten. Damals waren sie Raufbolde, die immer wieder ins Direktorenzimmer geschickt wurden. Inzwischen sind Spencer und Alek beim Militär und Anthony studiert. Als die drei bei einem gemeinsamen Europabesuch im Zug nach Paris sitzen, bricht plötzlich Panik aus: Ein bewaffneter Mann mit einem vor die Brust geschnallten Rucksack schießt um sich.
Clint Eastwood hat mit „Mystic River“, „Million Dollar Baby“und „Gran Torino“gezeigt, dass er Filme drehen kann, die nahezu perfekt sind. Umso erstaunlicher, dass ein so versierter Regisseur so danebengreifen kann. Dass „15:17 To Paris“ein nahezu unerträglicher Fehlschlag ist, liegt, anders als man erwarten könnte, nicht an Eastwoods kleinem Besetzungsexperiment: Die drei Helden und einige der Betroffenen des tatsächlichen Anschlags vom 21. August 2015 spielen sich selbst. Eine Entscheidung, die zunächst skeptisch macht. Können Menschen ganz ohne Schauspielerfahrung vor der Kamera überzeugen, nur weil sie sich selbst spielen? Sie können. Zu keinem Zeitpunkt fällt auf, dass einige Darsteller Schauspiel-Laien sind. Eastwoods Plan ging also auf, Authentizität überlagert Unerfahrenheit. Das Problem des Films ist ein anderes.
Die öden Helden von Nebenan
Das Drehbuch hat drei Fehler, von denen jeder allein einen Film ruinieren kann. Zum ersten die Dialoge: Sie sind nicht nur hölzern, sondern auf peinliche Weise dumm. Wenn die Figuren auf ein Hausdach steigen und dann erstaunt bemerken, dass man von dort aus die ganze Stadt sehen könne, fragt man sich, ob Drehbuchautorin Dorothy Blyskal jemals intelligente Menschen hat sprechen hören. Kurz zuvor hatten sich die Jungs über das Kolosseum ausgetauscht: „Irre, dass die das damals schon gebaut haben. – Unglaublich, wie groß das ist!“Bei so viel Plumpheit kann man als Zuschauer ungeniert die Hände vors Gesicht schlagen. Dass Blyskal noch nie vorher ein Drehbuch geschrieben hat, ist keine Entschuldigung, denn die Produzenten oder Eastwood hätten sehen müssen, dass etwas nicht funktioniert. Zweiter Fehler: In einem Film, der ohne Abspann 87 Minuten lang ist, muss man 70 Minuten darauf warten, dass etwas passiert. Der Klimax, der Anschlag im Zug, nimmt weniger als acht Minuten Laufzeit ein. Davor gibt es praktisch keine Konflikte, weshalb auch die Figuren langweilig bleiben. Das einzige, was Spannung erzeugt, sind drei eingestreute Prolepsen, die die Ereignisse im Zug einleiten und nur existieren, damit der Zuschauer erfährt, dass später noch etwas passiert. Bis dahin jedoch muss der Zuschauer drei Figuren bei ihrem banalen Städtetrip zuschauen.
Das dritte Problem des Drehbuchs ist die erzwungene Authentizität. Eine der drei Hauptfiguren hat den ganzen Film über nichts zu tun: Anthony trottet neben der Handlung her, ohne irgendetwas voranzubringen. Alle Helden sollen gleichermaßen geehrt werden und Straffungen sind daher schwierig, das ändert jedoch nichts daran, dass es gerade dieser Zwang zum Authentischen ist, der „15:17 To Paris“so fad macht – denn abgesehen von den paar Minuten im Zug ist den drei Jungs einfach nicht viel passiert. Diese Durchschnittsexistenzen mit ihren fünf Minuten Heldentum werden auf anderthalb Stunden Film gezerrt, in denen sie mit großen Augen und offenen Mündern durch Europa stolpern.
Abgesehen vom Drehbuch ist „15:17 To Paris“handwerklich solide – die Kameraarbeit ist okay, die Ausstattung vorbildlich und auch die Botschaft des Films ist plakativ, aber legitim. Leider schlagen die missratene Dramaturgie und die fehlende Figurenzeichnung so viele Macken in den Film, dass er ohne eine massive Überarbeitung gar nicht hätte gerettet werden können.