Blu-ray Magazin

15:17 To Paris

- STEFFEN KUTZNER

Alek (Alek Skarlatos), Spencer (Spencer Stone) und Anthony (Anthony Sadler) sind beste Freunde seit Schulzeite­n. Damals waren sie Raufbolde, die immer wieder ins Direktoren­zimmer geschickt wurden. Inzwischen sind Spencer und Alek beim Militär und Anthony studiert. Als die drei bei einem gemeinsame­n Europabesu­ch im Zug nach Paris sitzen, bricht plötzlich Panik aus: Ein bewaffnete­r Mann mit einem vor die Brust geschnallt­en Rucksack schießt um sich.

Clint Eastwood hat mit „Mystic River“, „Million Dollar Baby“und „Gran Torino“gezeigt, dass er Filme drehen kann, die nahezu perfekt sind. Umso erstaunlic­her, dass ein so versierter Regisseur so danebengre­ifen kann. Dass „15:17 To Paris“ein nahezu unerträgli­cher Fehlschlag ist, liegt, anders als man erwarten könnte, nicht an Eastwoods kleinem Besetzungs­experiment: Die drei Helden und einige der Betroffene­n des tatsächlic­hen Anschlags vom 21. August 2015 spielen sich selbst. Eine Entscheidu­ng, die zunächst skeptisch macht. Können Menschen ganz ohne Schauspiel­erfahrung vor der Kamera überzeugen, nur weil sie sich selbst spielen? Sie können. Zu keinem Zeitpunkt fällt auf, dass einige Darsteller Schauspiel-Laien sind. Eastwoods Plan ging also auf, Authentizi­tät überlagert Unerfahren­heit. Das Problem des Films ist ein anderes.

Die öden Helden von Nebenan

Das Drehbuch hat drei Fehler, von denen jeder allein einen Film ruinieren kann. Zum ersten die Dialoge: Sie sind nicht nur hölzern, sondern auf peinliche Weise dumm. Wenn die Figuren auf ein Hausdach steigen und dann erstaunt bemerken, dass man von dort aus die ganze Stadt sehen könne, fragt man sich, ob Drehbuchau­torin Dorothy Blyskal jemals intelligen­te Menschen hat sprechen hören. Kurz zuvor hatten sich die Jungs über das Kolosseum ausgetausc­ht: „Irre, dass die das damals schon gebaut haben. – Unglaublic­h, wie groß das ist!“Bei so viel Plumpheit kann man als Zuschauer ungeniert die Hände vors Gesicht schlagen. Dass Blyskal noch nie vorher ein Drehbuch geschriebe­n hat, ist keine Entschuldi­gung, denn die Produzente­n oder Eastwood hätten sehen müssen, dass etwas nicht funktionie­rt. Zweiter Fehler: In einem Film, der ohne Abspann 87 Minuten lang ist, muss man 70 Minuten darauf warten, dass etwas passiert. Der Klimax, der Anschlag im Zug, nimmt weniger als acht Minuten Laufzeit ein. Davor gibt es praktisch keine Konflikte, weshalb auch die Figuren langweilig bleiben. Das einzige, was Spannung erzeugt, sind drei eingestreu­te Prolepsen, die die Ereignisse im Zug einleiten und nur existieren, damit der Zuschauer erfährt, dass später noch etwas passiert. Bis dahin jedoch muss der Zuschauer drei Figuren bei ihrem banalen Städtetrip zuschauen.

Das dritte Problem des Drehbuchs ist die erzwungene Authentizi­tät. Eine der drei Hauptfigur­en hat den ganzen Film über nichts zu tun: Anthony trottet neben der Handlung her, ohne irgendetwa­s voranzubri­ngen. Alle Helden sollen gleicherma­ßen geehrt werden und Straffunge­n sind daher schwierig, das ändert jedoch nichts daran, dass es gerade dieser Zwang zum Authentisc­hen ist, der „15:17 To Paris“so fad macht – denn abgesehen von den paar Minuten im Zug ist den drei Jungs einfach nicht viel passiert. Diese Durchschni­ttsexisten­zen mit ihren fünf Minuten Heldentum werden auf anderthalb Stunden Film gezerrt, in denen sie mit großen Augen und offenen Mündern durch Europa stolpern.

Abgesehen vom Drehbuch ist „15:17 To Paris“handwerkli­ch solide – die Kameraarbe­it ist okay, die Ausstattun­g vorbildlic­h und auch die Botschaft des Films ist plakativ, aber legitim. Leider schlagen die missratene Dramaturgi­e und die fehlende Figurenzei­chnung so viele Macken in den Film, dass er ohne eine massive Überarbeit­ung gar nicht hätte gerettet werden können.

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 ??  ?? Die junge Variante der Protagonis­ten, die einst noch mit Plastikwaf­fen spielten
Die junge Variante der Protagonis­ten, die einst noch mit Plastikwaf­fen spielten
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 ??  ?? Anthony Sadler und Spencer Stone spielen sich hier selbst
Anthony Sadler und Spencer Stone spielen sich hier selbst

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