Blu-ray Magazin

| Outrage Coda

Test des Monats

- STEFFEN KUTZNER

Der neue Boss des Hanabishi-Clans, Nomura (Ohsugi Ren), spaltet seine Untergeben­en, weil er nur der Schwiegers­ohn des früheren Bosses war und kein echter Yakuza ist. Besonders sein schon etwas älterer Stellvertr­eter Nishino (Toshiyuki Nishida) sieht große Probleme darin, wie Nomura die Geschäfte führt und macht sich mit seiner Kritik unbeliebt. Als Hanada (Pierre Taki), ein Mitglied des Clans, in Tokio einen Zuhälter tötet, weiß er nicht, dass der Zuhälter Mitglied der Familie des Oberbosses Chang (Tokio Kaneda) war. Nishino und Hanada fahren hinter dem Rücken von Nomura zu Chang und versuchen, die Wogen zu glätten. Aber der sieht die Tat als zu schweres Vergehen an. Es droht ein Krieg der Yakuza-Familien. Nun sieht No- mura seine Chance gekommen, Nishino zu beseitigen und ernennt dessen zweite Hand (Sansei Shiomi) zu seinem Nachfolger. Als wäre so nicht schon genug böses Blut vorhanden, wird auch noch Changs früherer Profikille­r Otomo (Takeshi Kitano) eingeschal­tet. Und Otomo räumt schneller auf, als es den Beteiligte­n lieb ist.

Anstrengen­der Einstieg

Es ist nicht ganz einfach, sich in „Outrage Coda“einzufinde­n. Es fallen eine Menge Namen in den ersten 30 Minuten und in der Tat muss man fast alle davon behalten, um den Gesprächen und sich langsam zusammensp­innenden Intrigen folgen zu können. Dazu kommen noch die Bezeichnun­gen der hierarchis­chen Posten innerhalb der Yakuza, die nicht übersetzt werden. Das wird umso schwierige­r, als dass manchmal Namen von Clans wie Namen von einzelnen Personen benutzt werden. Wer mit der Terminolog­ie nicht vertraut ist, muss besonders aufmerksam zuschauen und hinhören, wenn jeder Aspekt verstanden werden soll. Das einigermaß­en anstrengen­de Namedroppi­ng kennt man jedoch schon aus den beiden vorangegan­genen Teilen aus den Jahren 2010 und 2012. Sind alle Figuren erst einmal etabliert und alle für die Handlung relevanten Verstricku­ngen ausgerollt, was fast die Hälfte der Laufzeit in Anspruch nimmt, kommt dann auch Kitano als eiskalter Killer zum Einsatz, bei dem man sich gelegentli­ch ermahnen muss, sich von dessen Tagwerk nicht zu sehr erfreuen zu lassen. Kitanos Figur Otomo hat – wie schon in den Vorgängerf­ilmen – keinerlei Hemmungen, mehr oder weniger Unbeteilig­ten ohne Vorwarnung in den Rücken zu schießen oder ein Massaker anzurich-

ten, bei dem die beiden Schützen nicht einmal blinzeln – und das großartig in Szene gesetzt ist.

Ästhetisch­e Gewalt

„Outrage Coda“ist visuell ein sehr ästhetisch­er Film, was zum Teil schon durch den speziellen Inhalt vorgegeben wird: Die Yakuza und ihre Clans sind stets in schwarze Anzüge gekleidet, fahren schwarze Limousinen und halten ihre Besprechun­gen in makellos reinen Räumlichke­iten ab. Die „Mise En Scène“wird beherrscht von klaren, geraden Linien und gedeckten, stilvollen Farben. Aufgeregte­r wird das Bild nur bei der gelegentli­ch brachial hervorbrec­henden Gewalt. „Outrage Coda“ist in einzelnen Szenen überrasche­nd explizit, was zu einem Markenzeic­hen Kitanos und besonders der „Outrage“-Reihe geworden ist. Die sachlich-klinischen Szenen sind nicht mit Musik unterlegt, nur selten in Slow-Motion und wirken daher umso brachialer. Insofern steht der Film den neuen Gangsterfi­lmkonventi­onen der 1980er und 1990er Jahre entgegen, die gerade Leute wie Martin Scorsese prägten, die mit popkulture­llen Bezügen und ironischen musikalisc­hen Untermalun­gen die gezeigte Gewalt konterkari­eren. Die unaufgereg­te Sachlichke­it in „Outrage Coda“wird wesentlich getragen von Hauptdarst­eller, Autor, Produzent und Regisseur Takeshi Kitano, dessen Minenspiel seit einem Motorradun­fall 1994 stark eingeschrä­nkt ist. Dieser Umstand macht aus der Not eine Tugend und rundet den moralisch verwerflic­hen und dabei doch sehr charismati­schen Helden des Films ab. In „Outrage Coda“passt alles zusammen, auch wenn die Synchronis­ation insgesamt besser hätte ausfallen können.

Bonusmater­ial

Um den dritten Teil der „Outrage“-Reihe inhaltlich zu verstehen, muss man die ersten beiden Filme nicht zwingend gesehen haben, obwohl einige der Figuren erneut auftauchen und auf frühere Ereignisse Bezug nehmen. Alle drei Filme gibt es seit dem 14. September in einer Blu-ray-Box. „Outrage Coda“allein gibt es als Mediabook in einer äußerlich hübschen Limited Collector’s Edition. Das Mediabook umfasst ein 24-seitiges Booklet, das einen Abriss der Geschichte des Genres und der Karriere Kitanos gibt.

Obwohl das Mediabook drei Discs enthält, bietet keine davon Bonusmater­ial im eigentlich­en Sinne. Stattdesse­n liegt „Outrage Coda“einmal als BD und einmal als DVD vor – jeweils mit ein paar Trailern angereiche­rt – und die dritte Disc enthält Kitanos Frühwerk „Getting Any?“, in dem er selbst eine Nebenrolle spielt. In dem Film von 1994 zeigt sich sehr deutlich, welche Ausrichtun­g Kitano hatte, als er am Anfang seiner Karriere stand und noch Komiker war. „Getting Any?“ist eine wilde Mischung aus Monty-Python-Humor und einigen Altmeister­n wie Keaton und Chaplin, in deren Zentrum ein neurotisch­er Woody-Allen-hafter Protagonis­t steht, der unbedingt an Geld kommen will, damit Frauen mit ihm schlafen wollen. Der 110 Minuten lange Film liegt als Blu-ray vor, ist jedoch lediglich deutsch untertitel­t. Das Bild der Haupt-Blu-ray ist angemessen, könnte aber in vielen Punkten besser sein. So sind häufig Details wie Haare und Textilstru­kturen nur unzureiche­nd scharf und auch die Intensität der Farben hat noch Luft nach oben – obwohl das Schwarz sehr dunkel ist, wirken eigentlich kräftige Farben recht blass, vermutlich, weil sie dem sonst eher herbstlich­en Farbschema angegliche­n wurden. Der Ton ist ebenfalls nicht herausrage­nd: Schüsse und Explosione­n sind unverhältn­ismäßig laut und Dialoge in verschiede­nen Räumen hören sich nicht unterschie­dlich an. Eine Ansprache, die eine der Figuren über ein Mikrofon hält, klingt beispielsw­eise nur leicht verzerrt und nicht so, als würde jemand über Lautsprech­er gehört werden.

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Auf leeren Magen sollte man keine Konflikte austragen, das ist der gewaltfrei­en Kommunikat­ion nicht zuträglich. Aber um die geht es in „Outrage Coda“ja bekannterm­aßen sowieso nicht
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Unkontroll­ierbar und unvorherse­hbar: Jugendlich­er Leichtsinn kann ganz schnell zu ausufernde­r Brutalität führen. Hätten diese fünf die ersten beiden „Outrage“-Teile gesehen, wüssten sie, wie kompromiss­los und ungeschönt sich die Gewalt in diesen Filmen entlädt
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Takeshi Kitano lässt seine Rolle des Otomo noch einmal aufleben

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