| Outrage Coda
Test des Monats
Der neue Boss des Hanabishi-Clans, Nomura (Ohsugi Ren), spaltet seine Untergebenen, weil er nur der Schwiegersohn des früheren Bosses war und kein echter Yakuza ist. Besonders sein schon etwas älterer Stellvertreter Nishino (Toshiyuki Nishida) sieht große Probleme darin, wie Nomura die Geschäfte führt und macht sich mit seiner Kritik unbeliebt. Als Hanada (Pierre Taki), ein Mitglied des Clans, in Tokio einen Zuhälter tötet, weiß er nicht, dass der Zuhälter Mitglied der Familie des Oberbosses Chang (Tokio Kaneda) war. Nishino und Hanada fahren hinter dem Rücken von Nomura zu Chang und versuchen, die Wogen zu glätten. Aber der sieht die Tat als zu schweres Vergehen an. Es droht ein Krieg der Yakuza-Familien. Nun sieht No- mura seine Chance gekommen, Nishino zu beseitigen und ernennt dessen zweite Hand (Sansei Shiomi) zu seinem Nachfolger. Als wäre so nicht schon genug böses Blut vorhanden, wird auch noch Changs früherer Profikiller Otomo (Takeshi Kitano) eingeschaltet. Und Otomo räumt schneller auf, als es den Beteiligten lieb ist.
Anstrengender Einstieg
Es ist nicht ganz einfach, sich in „Outrage Coda“einzufinden. Es fallen eine Menge Namen in den ersten 30 Minuten und in der Tat muss man fast alle davon behalten, um den Gesprächen und sich langsam zusammenspinnenden Intrigen folgen zu können. Dazu kommen noch die Bezeichnungen der hierarchischen Posten innerhalb der Yakuza, die nicht übersetzt werden. Das wird umso schwieriger, als dass manchmal Namen von Clans wie Namen von einzelnen Personen benutzt werden. Wer mit der Terminologie nicht vertraut ist, muss besonders aufmerksam zuschauen und hinhören, wenn jeder Aspekt verstanden werden soll. Das einigermaßen anstrengende Namedropping kennt man jedoch schon aus den beiden vorangegangenen Teilen aus den Jahren 2010 und 2012. Sind alle Figuren erst einmal etabliert und alle für die Handlung relevanten Verstrickungen ausgerollt, was fast die Hälfte der Laufzeit in Anspruch nimmt, kommt dann auch Kitano als eiskalter Killer zum Einsatz, bei dem man sich gelegentlich ermahnen muss, sich von dessen Tagwerk nicht zu sehr erfreuen zu lassen. Kitanos Figur Otomo hat – wie schon in den Vorgängerfilmen – keinerlei Hemmungen, mehr oder weniger Unbeteiligten ohne Vorwarnung in den Rücken zu schießen oder ein Massaker anzurich-
ten, bei dem die beiden Schützen nicht einmal blinzeln – und das großartig in Szene gesetzt ist.
Ästhetische Gewalt
„Outrage Coda“ist visuell ein sehr ästhetischer Film, was zum Teil schon durch den speziellen Inhalt vorgegeben wird: Die Yakuza und ihre Clans sind stets in schwarze Anzüge gekleidet, fahren schwarze Limousinen und halten ihre Besprechungen in makellos reinen Räumlichkeiten ab. Die „Mise En Scène“wird beherrscht von klaren, geraden Linien und gedeckten, stilvollen Farben. Aufgeregter wird das Bild nur bei der gelegentlich brachial hervorbrechenden Gewalt. „Outrage Coda“ist in einzelnen Szenen überraschend explizit, was zu einem Markenzeichen Kitanos und besonders der „Outrage“-Reihe geworden ist. Die sachlich-klinischen Szenen sind nicht mit Musik unterlegt, nur selten in Slow-Motion und wirken daher umso brachialer. Insofern steht der Film den neuen Gangsterfilmkonventionen der 1980er und 1990er Jahre entgegen, die gerade Leute wie Martin Scorsese prägten, die mit popkulturellen Bezügen und ironischen musikalischen Untermalungen die gezeigte Gewalt konterkarieren. Die unaufgeregte Sachlichkeit in „Outrage Coda“wird wesentlich getragen von Hauptdarsteller, Autor, Produzent und Regisseur Takeshi Kitano, dessen Minenspiel seit einem Motorradunfall 1994 stark eingeschränkt ist. Dieser Umstand macht aus der Not eine Tugend und rundet den moralisch verwerflichen und dabei doch sehr charismatischen Helden des Films ab. In „Outrage Coda“passt alles zusammen, auch wenn die Synchronisation insgesamt besser hätte ausfallen können.
Bonusmaterial
Um den dritten Teil der „Outrage“-Reihe inhaltlich zu verstehen, muss man die ersten beiden Filme nicht zwingend gesehen haben, obwohl einige der Figuren erneut auftauchen und auf frühere Ereignisse Bezug nehmen. Alle drei Filme gibt es seit dem 14. September in einer Blu-ray-Box. „Outrage Coda“allein gibt es als Mediabook in einer äußerlich hübschen Limited Collector’s Edition. Das Mediabook umfasst ein 24-seitiges Booklet, das einen Abriss der Geschichte des Genres und der Karriere Kitanos gibt.
Obwohl das Mediabook drei Discs enthält, bietet keine davon Bonusmaterial im eigentlichen Sinne. Stattdessen liegt „Outrage Coda“einmal als BD und einmal als DVD vor – jeweils mit ein paar Trailern angereichert – und die dritte Disc enthält Kitanos Frühwerk „Getting Any?“, in dem er selbst eine Nebenrolle spielt. In dem Film von 1994 zeigt sich sehr deutlich, welche Ausrichtung Kitano hatte, als er am Anfang seiner Karriere stand und noch Komiker war. „Getting Any?“ist eine wilde Mischung aus Monty-Python-Humor und einigen Altmeistern wie Keaton und Chaplin, in deren Zentrum ein neurotischer Woody-Allen-hafter Protagonist steht, der unbedingt an Geld kommen will, damit Frauen mit ihm schlafen wollen. Der 110 Minuten lange Film liegt als Blu-ray vor, ist jedoch lediglich deutsch untertitelt. Das Bild der Haupt-Blu-ray ist angemessen, könnte aber in vielen Punkten besser sein. So sind häufig Details wie Haare und Textilstrukturen nur unzureichend scharf und auch die Intensität der Farben hat noch Luft nach oben – obwohl das Schwarz sehr dunkel ist, wirken eigentlich kräftige Farben recht blass, vermutlich, weil sie dem sonst eher herbstlichen Farbschema angeglichen wurden. Der Ton ist ebenfalls nicht herausragend: Schüsse und Explosionen sind unverhältnismäßig laut und Dialoge in verschiedenen Räumen hören sich nicht unterschiedlich an. Eine Ansprache, die eine der Figuren über ein Mikrofon hält, klingt beispielsweise nur leicht verzerrt und nicht so, als würde jemand über Lautsprecher gehört werden.