| Early Man
Stop-Motion-Kunst über die Steinzeit
Was wäre, wenn die Höhlenmenschen zufällig Fußball erfunden hätten und sich außerdem gegen höher entwickelte Eindringlinge zur Wehr setzen müssten? Zwei Fragen, die jede für sich einen netten Plot ergeben können, doch funktionieren sie auch in Kombination?
Dug (Eddie Redmayne) hat es nicht leicht: Als Steinzeitmensch ist er von Stammesmitgliedern umgeben, die nicht unbedingt die hellsten Kerzen auf dem Leuchter sind. Chief Bobnar (Timothy Spall) ist zwar deutlich cleverer als die anderen, aber festgefahren in seinen Ansichten. Seit Jahr und Tag jagt der Stamm Kaninchen, aber Dug denkt in größeren Dimensionen, ganz buchstäblich: Er möchte Mammuts erlegen, damit endlich vernünftige Mahlzeiten auf den Tisch kommen.
Doch die Ignoranz seiner Stammesmitglieder wird nebensächlich, als ein neues Zeitalter in Personifikation der viel weiter entwickelten Bronzezeitmenschen über ihre Heimat hereinbricht. Die Neuankömmlinge wollen das Tal übernehmen und dort Erz abbauen. Dug versucht, den Konflikt zu lösen, gerät aber versehentlich in die Stadt der Bronzezeitmenschen und kann dort zufällig ein uraltes Stammesmysterium lösen: Auf Höhlenmalereien seiner Vorfahren scheint eine sonderbare Jagdform mit einem runden „Dingsbums“abgebildet zu sein, die die Steinzeitmenschen sich nie erklären konnten – denn das Wissen, wie man Fußball spielt, ist über die Jahre verloren gegangen. Jetzt sieht Dug in einem Stadion, dass die Malereien keineswegs eine Jagd zeigen. Ermutigt davon, dass schon seine Vorfahren Fußball spielen konnten, fordert er den Anführer der Bronzezeitmenschen selbstbewusst zum Fußballduell: Wenn die Steinzeitmenschen gewinnen, bekommen sie ihr Tal zurück, gewinnen die Bronzezeitmenschen, werden Dug und sein Stamm versklavt und müssen Erz abbauen. Jetzt muss er seinen Freunden nur noch Fußball beibringen. Hilfe bekommt er von Goona (Maisie Williams), die hervorragend Fußball spielen kann, es jedoch als Frau nicht darf.
Wirre Geschichte
Nick Park ist der kreative Kopf hinter „Wallace & Gromit“, „Shaun, das Schaf“und „Chicken Run“. Bisher war er bei abendfüllenden Spielfilmen immer Teil eines zweiköpfigen Regie-Teams. Bei „Early Man“führte er das erste Mal allein Regie, entwickelte die Handlung jedoch zusammen mit Mark Burton, der ebenfalls aus der Animationsecke kommt und schon mehrfach mit Park zusammengearbeitet hat.
Nun wäre es naheliegend, zu denken, dass ein Fan von „Wallace & Gromit“oder „Shaun das Schaf“höchstwahrscheinlich auch „Early Man“toll finden würde. Aber diese These trifft nicht zwangsläufig zu. Zwar macht der Film ebenfalls den Spagat zwischen mehr oder weniger infantilen Witzchen und cleveren Anspielungen und – offensichtlich – handelt es sich auch um einen liebevoll animierten Stop-Motion-Film, aber der Geschichte um den ambitionierten Höhlenmenschen, der sein Tal vor den chiffrierten Kapitalisten retten will, fehlt immer wieder das originelle Moment – und auch eine sinnvoll ausgearbeitete Dramaturgie. Ein paar der Figuren sind ganz hübsch ausgearbeitet und auch die Prämisse des Films, die sich mit „Wer an sich selbst glaubt, wird gewinnen“zusammenfassen lässt, sind eine gute Grundlage für moderat unterhaltsame anderthalb Stunden. Aber letztlich bleibt „Early Man“ein halbherzig wirkender Versuch, an frühere Erfolge anzuknüpfen. Zu viele der Figuren sind plakativ und im Grunde nutzlos, zu viele Seitenhiebe erinnern an schon gesehene, bessere Filme und zu selten schafft es die Geschichte, dem Zuschauer etwas zu vermitteln, worauf man sich nachhaltig einlassen könnte. Stattdessen stolpert man immer wieder über die vielen verschiedenen Aspekte von Gesellschafts- und Globalisierungskritik, die jedoch nur angeschnitten werden und sich nicht recht in die eigentliche Erzählung einfügen wollen.
Ein wenig feministisches Gedankengut hier, ein halbgarer Generationenkonflikt dort und eine erstaunliche Vielzahl willkürlicher Dialekte (drei davon hat Komiker Kaya Yanar eingesprochen, der sich schon 2016 als Synchronsprecher betätigt hatte) und fertig ist ein wirrer Grundkonflikt, der das größte Problem von „Early Man“ist: Hier werden kleine Elemente aus „Pocahontas“, „Gladiator“und „Die Croods“mit einer verqueren Fußballgeschichte angereichert, die man so zwar noch nie gesehen hat, die aber auch kaum für einen roten Faden ausreicht. Dass einige Handlungsstränge und Konflikte nicht zu Ende gedacht wurden, wie der Konflikt zwischen neuem Wissen und Althergebrachtem oder die angeschnittene, aber dann doch abgestorbene Liebesgeschichte zwischen den beiden Hauptfiguren, macht die Handlung noch weniger greifbar. Besser als die knirschende Story funktionieren viele der Pointen, die Kameraarbeit und besonders die Ausstattung.
Stop-Motion At It’s Best
Wie bei Stop-Motion üblich, wurden die meisten Sets und Figuren tatsächlich konstruiert und CGI-Effekte so gering wie möglich gehalten. Gerade dadurch entsteht der eigene Charme dieses Nischengenres, das seit dem Tod des (westlichen) Zeichentrickfilms das letzte Genre ist, das seit den frühesten Anfängen des Animationsfilms nahezu unverändert überlebt hat – und es ist bisher auch nicht alt geworden, obwohl die Anfänge der denkbar einfachen Technik inzwischen über 100 Jahre alt sind.
Momentan wird die Fortsetzung von „Shaun das Schaf – Der Film“gedreht (Kinostart ist im September 2019) und auch ein zweiter Teil zu „Chicken Run“wurde bereits angekündigt. Auch aus Hollywood kommt im nächsten Jahr ein Stop-Motion-Film von Chris Butler, einer Koryphäe des Gebietes – er arbeitete an „Corpse Bride“, „Coraline“und zuletzt „Kubo: Der tapfere Samurai“. Sein neuer Film „Missing Link“wird wie auch für Nick Park seine erste alleinverantwortliche Regiearbeit werden.
Das Bonusmaterial umfasst ein zehnminütiges Making-of in deutscher Sprache, das viele Einblicke hinter die Kulissen gibt, jedoch von offensichtlichen PR-Aussagen durchsetzt ist, und ein kurzes Feature, das die Aufnahmen zu den Stadiongeräuschen näher beleuchtet. Außerdem gibt es ein deutsch untertiteltes Regiekommentar, das jedoch nicht besonders aufschlussreich ist und nicht via Untertitel in der deutschen Synchronfassung angezeigt werden kann.