| The Walking Dead (8.Staffel)
Test des Monats
Mit der achten Staffel will das serielle Horror-Drama ein Zeichen setzen und arbeitet dafür mit Superlativen wie etwa „größtes Schlachtengetümmel der Serie“, „dramatischste Kehrtwende“oder auch „Höchster Bodycount“. Warum sich das Weitergucken lohnt und was die umfangreiche Blu-ray-Fassung zu bieten hat, verraten wir Ihnen jetzt.
Staffel sieben hielt so einige Überraschungen bereit, begann mit einem schweren Verlust, stellte König Ezekiel vor, der mit seinem Tiger und seiner mittelalterlichen Ausdrucksweise einer Fantasy-Welt entsprungen sein könnte, und zeigte einen gebrochenen Rick Grimes (Andrew Lincoln), der jeglichen Kampfgeist verloren zu haben schien. Zudem wurde mit Negan („Grey’s Anatomy“-Kuschelbär Jeffrey Dean Morgan), der am Ende der sechsten Staffel eine erinnerungswürdige Einführung erhielt, ein Antagonist etabliert, der den Governor wie einen Schuljungen wirken lässt. Im Grunde sind sich die beiden Bösewichter jedoch gar nicht mal so unähnlich. Schließlich verfolgen sie ein ähnliches Ziel und nutzen auch beide die gleichen Mittel, um ihre Leute gefügig zu machen: Abschreckung und scheinheilige Versprechen. Zudem teilen sie sich mit Rick einen gemeinsamen Feind, der sie aus persönlichen Gründen zu Fall bringen möchte und dabei selbst immer mehr zu einem von ihnen wird. Rache, Hass, verloren gegangene Moralvorstellungen – Ricks Hemmschwelle, ein Lebewesen zu töten, sei es nun ein Untoter oder ein normaler Mensch, ist inzwischen so weit unten, dass er nicht mal mit der Wimper zucken muss. Es spielt alles keine Rolle mehr. Nur noch überleben. Oder sollte man vielleicht sagen, nur die „Richtigen“dürfen überleben, während die „Falschen“ausgelöscht werden sollen, wie es Rick so inbrünstig in seiner Kriegs-Rede seinen Verbündeten zur Stärkung der Team-Moral entgegen schmettert? Ganz recht: Staffel 8 beginnt von der ersten Minute an mit einem kräftezehrenden, 16 Episoden währenden Krieg, in dem Menschen gegen Menschen kämpfen.
Häuserkampf
Einen militärischen Schlag durchführen, danach einem Gegenschlag erliegen, nur um die Menschen der Gegenseite das nächste Mal noch gnadenloser zu ermorden – auf diese Weise bewegen sich die Protagonisten und deren Handlung von Folge zu Folge fort. Einen groß angelegten Kampf zwischen Menschen gab es ja auch schon einmal in Staffel 3 zu sehen, dieser dauerte allerdings nur wenige Folgen an und war eher so etwas wie eine Schlacht, während sich hier ein ganzer Krieg entfaltet. Ebenso fokussierten sich die Staffeln 5 & 6 mit dem Alexandria-Kapitel auf klare Auseinandersetzungen zwischen den Lebenden, wobei allerdings auch dies „nur“auf gelegentliche Geplänkel wie etwa Befreiungsaktionen hinauslief. Dementsprechend kann sich die neueste Blu-ray-Staffel definitiv auf die Fahne schreiben, als erste in der Geschichte von „The Walking Dead“eine Art Bürgerkriegsszenario mit mehreren Fronten dargestellt zu haben, auch wenn die Schusswechsel nur selten echte Konsequenzen für die Haupthandlung bzw. die Protagonisten haben.
Rolle der Beisser
Dass die Zombies bei all den Machtkämpfen zwischen Ricks und Negans Leuten inzwischen nur noch eine Nebenrolle spielen, tut der Spannung keinen Abbruch. Die Welt ist schließlich tödlicher für Grimes’ Gruppe als jemals zuvor. Im Grunde genommen gehören die Untoten einfach zum guten Ton der Serie. Sie stehen oder torkeln irgendwo dekorativ im Hintergrund herum, ohne dass sie auch nur einer der Pro- oder Antagonisten überhaupt ernst nimmt. Gelegentlich erbarmt sich ein menschlicher Charakter, ein bis zwei der armen Kerlchen zu erstechen oder zur Freude der Zuschauer zu zerhacken, aber Angst hat hier schon lange keiner mehr vor ihnen. Das hält die Make-Up-Künstler glücklicherweise nicht davon ab, der Kamera immer mal wieder besonders „schön“gestaltete Zombies zu schenken. Manche Zombies sind dermaßen deformiert, dass sich ihr menschlicher Ursprung kaum noch erkennen lässt. Fast erscheint es beispielsweise wie eine Szene aus „Der Herr der Ringe“wenn ein Ork-gleiches Monster durch den Wald schleicht, bis die mächtige Axt des Gimli … Entschuldigung, Jerrys (Cooper Andrews) dessen Kopf spaltet und König Ezekiel fragt: „Was richtete wohl dieses Wesen so zu?“. In einer Welt, in der die Toten wieder aufstehen können, gelten ansonsten bestimmte Gesetze, die in authentischen Kriegsdramen mit realem Ansatz nicht zum tragen kämen. Und so werden diese besonderen Zombie-Regeln noch mehr als in vorangegangenen Staffeln taktisch im Kampf genutzt. Diese Form der Zombie-Inflation soll übrigens nicht ewig vorherrschen, denn der aktuelle Trailer zu Staffel 10 deutet bereits an, dass diese bald wieder erstarken und eine neue, viel gefährlichere Rolle einnehmen werden.
Communities & Clans
Für kleine Dramen und Moralfragen bleibt zwischen den vielen Explosionen und den häufig vorkommenden Schusswechseln mit gefühlt unendlicher Munition dennoch Platz. Nach den ersten Folgen, die quasi zwei aufeinander treffende Zivil-Armeen im offenen Häuserkampf zeigt, spaltet sich die Handlung bzw. die Masse der Charaktere wieder in viele kleine Grüppchen auf, um moralische Konflikte aufzuzeigen oder besonders bedrängenden Situationen Raum zur Entfaltung zu geben. Auf diese Weise gibt es auch mehr wechselnde Handlungsorte (z.B. Alexandria, Sanctuary, Hilltop), wobei die meisten Szenarien dann grob betrachtet doch wieder nur vor einer Wald- oder einer Lagerhallen-Kulisse stattfinden. Da wirkt die Mülldeponie-Community als Handlungsort, so absurd es auch klingt, wie eine willkommene Abwechslung. Ann Jadis (Pollyanna McIntosh) und ihre wortkargen Clan-Mitglieder bringen ähnlich wie Ezekiel und sein Tiger oder auch die seit der dritten Staffel teilnehmende Katana-Schwingerin Michonne (Danai Gurira) einen Hauch von Comic-Atmosphäre in das ansonsten tonal authentisch gehaltene Szenario ein. Mit den verschiedenen Clans und Interessengebieten erscheinen die Konflikte zumindest ansatzweise komplexer, wobei hier ähnlich wie bei den oben genannten kleineren Dramen mehr Schein als Sein vorherrscht. Zwar gibt es gelegentlich Verhandlungen für Bünd-
nisse, jedoch bleibt es insgesamt bei nur zwei tatsächlich vorherrschenden Interessen-Gemeinschaften, die gegeneinander antreten.
Klischees
Ambivalente Charaktere wie Dwight (Austin Amelio) bewegen sich daher ausschließlich zwischen diesen beiden Fronten, jedoch nie in Richtung einer dritten Partei. Dabei ist das Potenzial durchaus gegeben, wie der „außerirdisch“anmutende Überraschungs-Besuch in den späteren Episoden zeigt. Auffällig ist, dass in einigen Szenen bestimmte Moralfragen von den Drehbuchautoren eingeworfen und als konstruierte Lösung Dämonisierungen durchgeführt werden, um unnötige Gewalt gegen Menschen zu rechtfertigen. So etwas kennt man normalerweise nur aus Trash-Filmen, in denen die Bösewichte ihr „wahres Gesicht“zeigen, sobald die Situation zu ihren Gunsten kippt. Generell ist das mit der Darstellung der Bösewichte so eine Sache, insbesondere wenn eine bestimmte Person dem Klischee verfällt, Dr.-Evilmäßig den Sturz der Ricktatur anzukündigen, während eine andere Person zustimmend aus dem Schatten tritt und sich damit dem gewiss hochgradig überraschten Publikum entlarvt. Hat eine solch hochwertige Serie wie „The Walking Dead“so einen theatralischen Kniff wirklich nötig? Schließlich liegen ihre Stärken neben den Schauwerten und der spannenden Grundprämisse in den sorgfältig ausgearbeiteten, fehlerbehafteten Charakteren, die eher ihrer Psyche folgen, als einem Schwarz-Weiß-denkenden Cartoon-Klischee. Dies und die gelegentlich undynamische bzw. zurückhaltende Action-Regie (wechselnde Schnitte zwischen aus dem Stand feuernden Menschen) sind demnach klare Schwächen der achten Staffel.
Charakter-Tiefe
Dem Vorwurf der fehlenden Charakter-Entwicklung stellen sich insbesondere die Sub-Plots von Rick und dessen Sohn Carl (Chandler Riggs) entgegen. So werden immer mal wieder Zeichen eingestreut, die zeigen, dass Rick nicht NUR ein rachelüsternes Monster geworden ist, dessen Blick so stark getrübt ist, dass im Vergleich selbst Negan vernunftbegabter scheint. Ricks Entwicklung ist hier noch lange nicht zuende und die rätselhaften, utopischen Einblendungen sind nur ein kleiner Hinweis darauf, was noch folgen wird. Carl wiederum wird immer mehr zum Sinnbild der Hoffnung, da er sich gewisse Werte der Menschlichkeit bewahrt hat und sich eine Welt des Friedens vorstellen kann. Sein zukünftiges Schicksal hängt unmittelbar mit dem Serien-Neuzugang Siddiq (Avi Nash) zusammen, der nicht nur in religiöser Hinsicht frischen Wind in das Konzept mit einbringt. Die schwangere Maggie (Lauren Cohan) wird zunehmend als eine Anführerin etabliert. Den loyalen Bo-Kämpfer Morgan (Lennie James) plagen immer mehr die eigenen Schuldgefühle. Und den Prediger Gabriel (Seth Gilliam) erwarten seelische und körperliche Veränderungen. Bei Publikumsliebling Daryl (Norman Reedus) scheint hingegen alles beim alten zu bleiben, wenn er cool wie ein T-800 auf seiner Maschine sitzt und fahrend Sprengsätze am Straßenrand hochjagt. Es passiert also durchaus eine ganze Menge in dieser Staffel, wobei unter anderem ein Fortgang eines Charakters zur Spinoff-Serie „Fear The Walking Dead“, ein besonders schwerwiegender Tod sowie ein explosiver Twist im Gedächtnis bleiben. Stilistisch fallen die zelebrierten Close-Ups auf, die sämtliche Emotionen gut sichtbar für den Zuschauer in Zeitlupe aufdecken, ohne sofort zu verraten, weshalb z. B. gerade Schweiß an einer angestrengten Mimik entlang tropft. Das gibt dem Publikum Rätsel auf und steigert die Spannung auf artifizielle Weise. Wie immer sind die Episoden ungeschnitten, sodass der Zuschauer Zeuge brachialer, meist durch CGI unterstützter Gewalt wird. Sechs Folgen haben außerdem auch noch eine erweiterte Version zu bieten, sodass der Blu-ray-Käufer exklusiv das vollständige Erlebnis in bester Qualität erhält.
Auf alt getrimmt
An der gewohnten 16-Millimeter-Stilistik hält die Serie konsequenterweise fest, was die meiste Zeit über ein starkes Bildrauschen und einen leichten Sepia-Ton bedeutet, der an klassische Zombie-Streifen erinnert. Auch wenn die Schärfe ein wenig darunter leidet, so ist sie dennoch relativ hoch und man erkennt deutlich einen positiven Unterschied zu den älteren Produktionen. Auch die Farben sind nun einen Tick kräftiger, während sich Ricks Zukunftsvisionen mit paradiesisch knackigem Pflanzen-Grün und satten Hauttönen noch einmal stark vom Rest der Staffel abhebt. Von den Schusswechseln, Explosionen und dem Kampfgetümmel haben hauptsächlich die Ohren etwas, die sich über einen ausgesprochen räumlichen SurroundSound-Mix freuen dürfen. Die dreidimensionale Umgebungs-Darstellung könnte zwar noch präsenter sein, aber bei der akkuraten, gezielt eingesetzten Signal-Ortung haben sich die Sound-Designer große Mühe gegeben. Die gelungene Dynamik der Audiospur intensiviert die gezeigte Action. Das Klangspektrum ist weit genug, um es ordentlich Scheppern zu lassen und zugleich die Dialoge natürlich zu halten. Selbst bei Dauerfeuer bleiben die Dialoge verständlich, was auf eine ausgeglichene Abmischung hindeutet. Das umfangreiche Bonusmaterial auf Disc 6 sollte man sich erst nach dem Schauen der 16. Episode zu Gemüte führen, da es sonst einige Spoiler gibt. Die beiden Haupt-Beiträge „Inside The Walking Dead“(ca. 57 Min.) und „Making Of The Walking Dead“(ca. 47 Min.) geben einen umfassenden Einblick in die Produktion der Staffel und verdeutlichen noch mal die Intention der kreativen Köpfe hinter der Serie. Drei weitere 10-Minuten-Clips widmen sich den in dieser Staffel Verstorbenen sowie dem Kriegs-Thema aus dramaturgischer Sicht. Audiokommentare komplettieren die Extras.
Die achte Season stellt somit trotz einiger Schwächen einen wichtigen, da notwendigen Wendepunkt im handlungstechnisch festgefahrenen Franchise dar und entwickelt den Nährboden für etwas, was aus dem ewigen Wald-Refugium-Handlungskreislauf ausbrechen könnte. Und da Rick-Darsteller Andrew Lincoln bereits offiziell verlautbart hat, sich im Laufe der zehnten Staffel aus persönlichen Gründen von dem Projekt zu verabschieden, ist die Aufbruchsstimmung in eine neu definierte Horror-Serie sehr deutlich zu spüren.