Die Frau, die vorausgeht
Obwohl die dritte Regiearbeit von Susanna White eine interessante Momentaufnahme in der Geschichte der amerikanischen Ureinwohner abbildet und zudem vielschichtige Charaktere besitzt, wirkt die gesamte Erzählung recht unfokussiert. Als Grundlage dient hierbei die spannende Biografie von Caroline (im Film Catherine) Weldon (Jessica Chastain). Die Künstlerin reist Ende des 19. Jahrhunderts eigentlich nur in den Westen der USA, um ein Porträt des berühmten Sioux-Häuptlings Sitting Bull (Michael Greyeyes) zu malen. Was für die New Yorkerin als Selbstfindungstrip beginnt, entwickelt sich zu einem politischen Engagement für die Sache der Indianerstämme, die einem Vertrag der US-Regierung zustimmen sollen, der ihnen die Hälfte ihres Territoriums abspricht. Der Film könnte inhaltlich also eigentlich aus den Vollen schöpfen und eine differenzierte Handlung über die Freundschaft zwischen einer Großstädterin und einem Indianerhäuptling erzählen. Oder deren mutigen Kampf gegen die fortschreitende Kolonalisierung aufrüttelnd dokumentieren. Zudem hat das Drama mit Jessica Chastain, Michael Greyeyes und Sam Rockwell als hartgesottener Army-Veteran drei Top-Schauspieler zu bieten, die ihren Rollen die nötige Schwere und Glaubwürdigkeit verleihen. Doch leider ist die Inszenierung trotz technischer Finesse und teilweise wunderschönen Bildern zu oberflächlich und verfängt sich sogar in einigen alten Hollywood-Klischees über die „wilden Rothäute“, die von idealistischen Weißen zum friedlichen Widerstand agitiert werden müssen. Das ist besonders schade, denn zwischen all diesen dramaturgischen Ungereimtheiten (samt ernüchterndem Finale) steckt ein richtig guter Film.