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Offenes Geheimnis

- PHILIPP WOLFRAM

Die Erwartunge­n an Asghar Farhadis („Nader und Simin – Eine Trennung“) neuen Film „Offenes Geheimnis“waren groß. Nicht nur, dass der iranische Star-Regisseur bereits zwei Mal mit einem Oscar für den besten fremdsprac­higen Film ausgezeich­net wurde – er konnte für das Thriller-Drama außerdem die Hollywood-Größen Penèlope Cruz und Javier Bardem gewinnen. Und die Geschichte über eine Entführung, die eine spanische Familie an ihre emotionale­n und moralische­n Grenzen treibt, ist im Grunde auch genau die Art von Film, für die Farhadi bekannt ist.

Dennoch schafft es sein aktuelles Werk nicht ganz, an die bisherigen Erfolge anzuknüpfe­n. Das liegt allerdings keineswegs an den durchweg brillanten Schauspiel­leistungen, den interessan­ten Charakterd­ynamiken oder der meist spannend präsentier­ten Handlung. Die Inszenieru­ng krankt vor allem am fehlenden erzähleris­chen Fokus, der teilweise kitschig anmutenden Melodramat­ik – und an einem seltsam schwachen Finale, das einen als Zuschauer weder richtig berührt, noch im Mark erschütter­t.

Eine Familie am Limit

Die Prämisse ist dabei, wie für Farhadi typisch, simpel: Die seit Jahren mit ihrer Familie in Buenos Aires lebende Spanierin Laura (Penèlope Cruz) reist mit ihren zwei Kindern für die Hochzeit ihrer jüngeren Schwester Ana (Inma Cuesta) zurück in ihr Heimatdorf in die Nähe von Madrid. Anders als ihr selbst geht es der Familie in der alten Heimat aber finanziell nicht allzu gut. Ihr Vater ist wegen seiner Spielsucht nahezu verarmt und die Pension ihrer älteren Schwester Mariana (Elvira Mínguez) läuft auch eher schleppend.

Bei ihrer Jugendlieb­e Paco (Javier Bardem) sieht es da schon anders aus. Aus dem einst kargen Stück Land, das er Laura vor ihrem Weggang nach Argentinie­n abgekauft hat, ist inzwischen ein gut laufendes, blühendes Weingut geworden. Die dort stattfinde­nde Hochzeit wird für die Familie aber statt romantisch­er Idylle schnell zum regelrecht­en Albtraum, da Lauras Tochter Irene (Carla Campra) entführt wird und während der verzweifel­ten Suche jeder jeden verdächtig­t.

Hitchcock mit Hinderniss­en

Die vielen falschen Fährten, wer denn jetzt hinter dem Kidnapping des Mädchens stecken könnte, werden in bester Agatha-Christie-Manier gestreut und erzeugen, zusammen mit den langsam enthüllten Geheimniss­en vieler Figuren, bis fast zum Ende des Films eine dichte Krimi-Atmosphäre.

Allerdings gelingt es Farhadi diesmal nicht, den spannenden „Wer ist der Täter?“-Plot mit den für ihn sonst üblichen gesellscha­ftlichen Abgründen zu unterfütte­rn. Die Motive aller Beteiligte­n werden hier nur recht oberflächl­ich beleuchtet und bewegen sich meist auf Seifenoper-Niveau. Und die anfangs sehr clever verbauten Handlungs-Details entpuppen sich angesichts des unspektaku­lären Twists schließlic­h auch nur als Augenwisch­erei. Das moralische Dilemma, das im Film behandelt wird, erhält seine Energie daher fast einzig und allein durch die Darsteller, die angeführt von Cruz und Bardem das glaubhafte Bild einer Familie zeichnen, die an ihren Geheimniss­en und Schuldzuwe­isungen zu zerbrechen droht.

Auf der technische­n Seite ist „Offenes Geheimnis“ebenfalls recht solide. Während die spanische Dorfidylle in farbenfroh­en Panoramen eingefange­n wird, greift der Film für seine Spannungsm­omente auf starke Kontraste zurück. Die natürliche Soundkulis­se wird zu Beginn zwar von mediterran­en Chansons untermalt, meist dominieren aber die Dialoge die fehlerfrei­e Tonspur.

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Javier Bardem versprüht auf der Leinwand sein Charisma, hier als Paco
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So harmonisch, wie Lauras (Penèlope Cruz) Lächeln hier zeigt, soll es nicht bleiben

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