Watchmen
Die neue Hbo-serie „Watchmen“überzeugt in bester Marken-tradition mit ihren Mysterien und Intrigen. Bei der Ausstrahlung war sie von nicht geringer politischer und gesellschaftlicher Relevanz. Ein Jahr später jedoch ist aus der Metapher Realität geworden
Man spricht aktuelle Probleme an und geht dafür erst einmal weiter in die Vergangenheit.
Tulsa, Oklahoma, 1921 – Gegenwart
Die Serie eröffnet mit einem der schlimmsten und wenig bekannten Ereignissen der amerikanischen Geschichte. An der „Black Wall Street“in Tulsa, der einst wohlhabendsten Straße für afroamerikanische Bürger kam es 1921 zu Anschlägen und Lynchmorden seitens der weißen Bevölkerung. Ja, es ist eben jener Ort, den ein gewisser Präsident kürzlich für eine seiner „Rallies“wählte. Ein Jahrhundert später will Präsident Robert Redford die schwarze Bevölkerung mit Reparationszahlungen entschädigen. Dagegen wehren sich unter anderem die Mitglieder der Vereinigung „7th Kavalry“. Zu erkennen sind sie an weißen Masken mit schwarzen Punkten, inspiriert vom längst verstorbenen Antihelden Rorschach. Auch die Polizei von Tulsa ist nach einem Anschlag gezwungen, sich zu maskieren und gegenüber der Öffentlichkeit andere Berufe vorzutäuschen. Zu ihnen gehört Angela (Regina King) oder „Sister Night“, die bald einer großen Verschwörung auf die Spur kommt.
Das ist nur ein winziger Teil des komplexen Puzzles, das innerhalb der neun Episoden gestreut und nach und nach gelöst wird. Warum regnet es Tintenfische vom Himmel? Wer ist der alte Mann (Jeremy Irons), der im Mittelalter festzusitzen scheint? So ungewöhnlich die Serie beginnt, bricht sie schließlich komplett mit den Sehgewohnheiten. Sie spielt mit Zeit und Raum und lässt den Zuschauer unzählige Male mit offenem Mund zurück. Aber vor allem hält sie, was sie verspricht. Jedes Mysterium wird zufriedenstellend aufgelöst. Den Verzweigungen der „Watchmen“-welt über die kurze Staffel hinweg zu folgen, regt zum Nachdenken an und macht richtig viel Spaß.
Masken retten Leben!
Dass HBOS „Watchmen“gerade noch relevanter ist als noch vor einem Jahr, liegt nicht etwa daran, dass es das Tragen von Masken so cool aussehen lässt. Keine schwarzen Themen anzusprechen, hätte Lindelof im Jahr 2019 als falsch empfunden. Sein Schreibteam setzte er bewusst vielfältig zusammen, zur Hälfte mit schwarzen und zur Hälfte mit weiblichen Autorinnen.
Wichtige Charaktere der „Watchmen“historie werden erstmals von schwarzen Schauspielern dargestellt und perfekt in die Geschichte eingefügt. Das Gesamtbild ist so stimmig, das Mysterium so schlüssig, als hätte es nie anders sein sollen. Autor Alan Moore hatte sich schon früh von Projekten distanziert, die auf seinem Comic basieren und will in diesem Zusammenhang nicht genannt werden. Zeichner Dave Gibbons ist dagegen direkt in die Produktion der Serie involviert.
Bestechende Schönheit
Die vielen Details, versteckten Hinweise und Anspielungen laden zum mehrmaligen Ansehen ein. Zum Glück liefert die Blu-ray einen hohen Detailgrad. Die kräftigen Farben, gepaart mit einem fantastischen Schwarzwert, geben dem Bild viel Tiefe. Dass Farben nicht alles sind, beweist die wohl atemberaubendste Episode, die fast gänzlich auf Farben verzichtet und stattdessen mit tollen Grauabstufungen besticht. Spätestens hier wird der hohe Schärfegrad deutlich, wenn selbst in einem Galgen jede einzelne Faser sichtbar wird. Leider scheinen die Pläne einer Uhd-veröffentlichung vorerst auf Eis gelegt. Zumindest gibt es ein Media-markt-/ Saturn-exklusives Blu-ray-steelbook.
Viele Details findet man auch im Sounddesign. Selbst außerhalb der Actionszenen ist immer etwas los. Die deutsche Vertonung lässt wenig zu wünschen übrig, die Sprecher sind gut gewählt, die Dialoge sind klar. Im direkten Vergleich wirkt der deutsche Ton außerhalb der Dialoge etwas gedämpft. Das ist besonders im Anbetracht des fantastischen Soundtracks etwas schade. Trent Reznor und „Nine Inch Nails“-kollege Atticus Ross erschaffen mit ihrem ersten Fernseh-score ein wahres Meisterwerk. Er pumpt sich in den Kampfszenen ordentlich auf und klopft wie ein Herzschlag während spannender Pausen im Hintergrund. Natürlich brechen auch hier die schwarz-weißen Noir-segmente mit der Gewohnheit und bieten einen altmodischen Hollywood-score samt Jazz-musik.
Nach Beendigung der ersten Staffel entschied Damon Lindelof, dass seine Geschichte hiermit erzählt sei. HBOS „Watchmen“gilt vorerst als abgeschlossene Miniserie.