SHOWGIRLS
Die Träume mancher Menschen sind nicht immer leicht nachzuvollziehen. Nomi Malone (Elizabeth Berkley) möchte es zum Beispiel unbedingt als Showgirl in Las Vegas zu Ruhm und Erfolg bringen – ein Traum, der sie als Anhalterin durch die Vereinigten Staaten von Amerika führt. Doch als sie endlich das Sündenbabel Vegas erreicht, steht sie erst ganz am Anfang eines harten und demütigenden Karrierewegs, bei dem die Grenzen zwischen Tanz, Glamour und körperlicher sowie seelischer Prostitution zu verwischen drohen.
Als „Showgirls“1995 in die Kinos kam, fegte eine Welle der Entrüstung durch die USA, eine Entrüstung, welche puritanische Sittenwächter auf eine Seite mit feministischen Aktivistinnen im Kampf gegen den Film stellte. Für Regisseur Paul Verhoeven war diese Aufregung nichts Neues. Jedem Kinostart seiner amerikanischen Filme war Ärger mit Zensoren und Moralaposteln voran gegangen und es sollte auch nicht das letzte Mal gewesen sein, bevor er schließlich Hollywood Lebewohl sagte und in seine holländische Heimat zurück kehrte. Nach Europa war die Kontroverse um „Showgirls“nicht herüber geschwappt. Mit den vergleichsweise harmlosen Darstellungen nackter Menschen, meist Frauen, hatte man hierzulande weit weniger Probleme als mit der plakativen Gewaltdarstellung in Verhoevens früheren Filmen wie „Fleisch und Blut“, „Robocop“oder „Total Recall“. Die negative Rezeption seitens Kritikern und Publikum hingegen ließ
sich vom großen Teich nicht aufhalte. Es hagelte einen Verriss nach dem anderen, von denen sich die Zuschauer offenbar auch beeinflussen ließen. Denn anders als bei Verhoevens letztem Skandalfilm „Basic Instinct“blieben sie den Kinos großteils fern.
Man kann es ihnen nicht verübeln, denn in der Tat bietet „Showgirls“abseits der für europäische Augen eher harmlos anmutenden Nacktszenen wenig, was gesteigertes Interesse aufkommen lassen könnte. Protagonistin Nomi ist weder eine besonders sympathische noch eine außergewöhnlich faszinierende Figur. Ihrem Charakter mangelt es an glaubwürdigem inneren Antrieb, der ihr Streben nach einer Karriere in diesem eher dubiosen Geschäft zu einer fesselnden Erzählung machen würde. Elizabeth Berkleys befremdliches Schauspiel, das zwischen mentaler Abwesenheit und übertriebener Mimik und Gestikulation pendelt, macht die Identifikation mit ihrer Figur nicht leichter. Ihre Rivalin Cristal, die von einer großartigen Gina Gershon mit betörender erotischer Intensität gespielt wird, der gegenüber Berkleys Heldin blass und billig wirkt, ist deutlich spannender. Allerdings wird das Verhältnis zwischen den beiden Frauen lediglich als zickiges Eifersuchtsdrama dargestellt, statt in einem abgründig reizvollen Nervenkrieg wie in Darren Aronofskys „Black Swan“zu kulminieren. Letztlich ist es vor allem Paul Verhoevens überschäumender Regie zu verdanken, dass aus „Showgirls“doch mehr geworden ist als ein voyeuristisches Melodram. Der Film frönt seinem ganz eigenen, schwülstig-schönen Pathos, ist abstoßend und anziehend zugleich, eine Oper des schlechten Geschmacks, von einem Regisseur inszeniert, der sich dieser Geschmacklosigkeiten mit handwerklichem Geschick und dem Gespür eines echten Künstlers bedient. Die Karrierestory um Nomi ist letztlich nur Beiwerk; Anlass allein, um eine unheilige, sinnliche Messe zu zelebrieren, um Vegas mit seinem Glanz und Schmutz, den Tränen und Triumphen, sexueller Ekstase und sexueller Gewalt zu preisen und zu verdammen, eine Messe, die mit über zwei Stunden Laufzeit ihr Willkommen jedoch leicht überstrapaziert und letzten Endes zudem eine erstaunlich konservative Botschaft verbreitet. Capelights neue Heimkino-veröffentlichungen zum 25-jährigen Jubiläum dieses inzwischen zum Kultfilm avancierten Streifens werden dem neuen Status durchaus gerecht. Sowohl als Bluray sowie auch auf Uhd-blu-ray wird „Showgirls“in Form eines attraktiven Mediabooks veröffentlicht, das zusätzlich zum Film auf einer Extra-blu-ray die spielfilmlange Doku „You don’t Nomi“enthält, welche sich mit der über die Jahre gewandelten Rezeption des Filmes und seiner Macher beschäftigt. Das Bonusmaterial der früheren Blu-ray findet sich auf der Filmdisc selbst. Auf den 24 Seiten des Mediabooks lässt sich sowohl Paul Verhoevens Werdegang als auch die Rezeptionsgeschichte des Films intensiver nachvollziehen.