THE LAST BOY
Mit „The Last Boy“erscheint ein weiterer postapokalyptischer Streifen im Kampf um unsere Aufmerksamkeit. Die Besonderheit ist hier, dass ein Kind als Protagonist dient. Ob das allein reicht, um das weite Feld des Postapokalypse-genres sinnvoll zu erweiter
Die Handlung dreht sich um den Jungen Sira (Flynn Allen), der von seiner im Sterben liegenden Mutter (Aneta Piotrowska) eine Karte bekommt, auf der ein ganz besonderer Ort markiert ist. Nach ihrem Tod zieht er von dannen, um diesen geheimnisvollen Ort aufzusuchen, der die wundervolle Eigenschaft verheißt, Wünsche zu erfüllen. Der Weg dahin ist gezeichnet von Gefahren. Ein schlimmer Wind weht dann und wann vorbei und verwandelt die Menschen in Salzsäulen. Doch Sira hat von seiner Mutter ein Gerät mitbekommen, das diese Anomalien vorzeitig aufspürt. Auf seiner Reise begegnet der Junge einem korrupten Priester (Peter Guinness), dem Mädchen Lilly (Matilda Freeman), das Siras elternloses Schicksal teilt, dem Soldaten Jay (Luke Goss) und der Wissenschaftlerin Jesse (Jenifer Scott).
Emotionsarm
Kommen wir zu den positiven Aspekten des Werkes. Das Thema – die Jagd nach dem persönlichen Glück bzw. dem persönlichen Seelenheil – ist ein gänzlich interessantes. „The Last Boy“macht keinen Hehl daraus, ein Remake von Andrei Tarkovskis Meisterwerk „Stalker“aus dem Jahre 1979 zu sein. Und es ist eine wunderbare Idee, dieses Thema kinderfreundlicher und in neuem Gewand zu präsentieren. Denn seien wir mal ehrlich, Tarkowskis Filme sind sehr schwer zu verdauen. Und hier ist „The Last Boy“: eine moderne Variante mit solider Kameraarbeit, einem ansprechenden Schnitt und einem stimmungsvollen Soundtrack. Also wo liegt die Krux begraben? Ganz klar bei Regisseur und Drehbuchautor Perry Bhandal, dessen Regiearbeit ihm nicht sonderlich gelungen ist. Es kann sein, dass der Mann auch Stärken hat, aber Schauspieler zu dirigieren gehört auf jeden Fall nicht dazu. Alle Akteure und Aktricen agieren entweder lustlos oder wirken deplatziert, was bei Bhandals unnatürlichen Dialogen allerdings kaum verwundert.
Es gibt noch eine weitere Komponente, die der Immersion unzuträglich ist: Hauptdarsteller Flynn Allen. Kinderdarsteller sind immer etwas schwierig, weil ihnen die berufliche Abgeklärtheit ihrer erwachsenen Kollegen fehlt. Deswegen ist die treffende Besetzung einer kindlichen Hauptrolle umso wichtiger. Doch auch das ist Perry Bhandal nicht gelungen. Flynn Allen ist immer desinteressiert und distanziert vom Geschehen, auch beim Filmtod seiner befreundeten Figuren oder selbst seiner Filmmutter.
Nihilismus vs. Religion
In Andrei Tarkowskis „Stalker“begeben sich ein Schriftsteller und ein Wissenschaftler, begleitet von eben jenem titelgebenden Stalker, in die „Zone“, um sich einen Wunsch im Raum der Wünsche zu erfüllen. Der Schriftsteller will seine Inspiration zurück und der Wissenschaftler den Raum zerstören, weil dieser großes Unheil verursachen könnte („Wer weiß schon, was sich die Menschen wünschen!“). Doch während der Reise machen alle Figuren große Veränderungen durch, bedingt durch die unwirkliche Zone, die immer wieder ihre Gestalt ändert. Ort und Zeit scheinen verloren. Und so philosophieren die drei Männer über das Wesen der Realität. „The Last Boy“hat dagegen einen stark religiösen Ansatz. Es gibt unter anderem einen korrupten weltlichen Priester, der seine Macht auf Erden missbraucht und als Strafe zur Salzsäule erstarrt. Man braucht wirklich keinen Abschluss in Theologie, um die simple Bildsprache zu verstehen. Dazu gesellt sich ein kleiner, nennen wir ihn mal philosophisch angehauchter Dialog zwischen dem Soldaten und der Wissenschaftlerin, die sich fragen, ob ihre ganze verfahrene Situation als Strafe Gottes einzuordnen wäre. Und natürlich zu guter Letzt die Erlösungsszenen, auf die aus Spoilergründen an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll. Nur so viel dazu: Die Ideologie der Geschichte folgt einem stark religiösen Leitmotiv – der Entrückungsmythologie. Der Tod der Figuren im Film muss in diesem Fall nicht immer als etwas Schlechtes angesehen werden. Es vollzieht sich eine Art Abschluss, eine Erlösung vom weltlichen Leiden. Im Christentum, im Buddhismus und in anderen Weltreligionen wird das
Leben auf Erden von Einsamkeit und Leid definiert. Der Himmel ist das Ziel des Weges. Das Ende des Glückes und das Ende der Wünsche. Wäre „The Last Boy“ein handwerklich besser geschmiedeter Film, wäre es sicherlich interessant, darüber zu diskutieren. Jedoch entziehen die Unzulänglichkeiten, mit denen diese Produktion zu kämpfen hat, dem Streifen auch die Glaubhaftigkeit. Sucht man nach einer schön anzusehenden, filmischen Postapokalypse, könnte der Film hingegen den Zuschauer-geschmack treffen.