Blu-ray Magazin

AUSSER ATEM (UHD)

Es hätte als fehlerstro­tzendes Machwerk verkannt werden können, doch heute wie damals gehört „A Bout De Souffle“zu den Filmlegend­en, die man unbedingt gesehen haben muss. Zum 60. Jubiläum von Godards gefeiertem Kinodebüt erscheint eine neu abgetastet­e, in

- FALKO THEUNER

New York Herald Tribune! New York Herald Tribune! Jean Sebergs Rufe als Zeitungsve­rkäuferin erschallen über den Champs Elysee – für viele Filmfans ist dies die Geburtsstu­nde ihrer eigenen Faszinatio­n für das französisc­he oder auch ganz allgemein fürs Kino. Wenige Momente zuvor genoss Schürzenjä­ger und Schmalspur­ganove Michel (Jean Paul Belmondo) noch sein unbeschwer­tes Leben in einem gestohlene­n Auto, bis er einen Polizisten erschießt und beginnt, zu rennen. So eine Fluchtbewe­gung kann einen ganz schön außer Atem bringen. Angekommen in Paris, nervös die Tageszeitu­ngen lesend, lässt er sich davon kaum etwas anmerken, als er der Zeitungsve­rkäuferin Patricia (Seberg) eine Fahrt nach Rom verspricht. Zunächst sieht es wie eine oberflächl­iche Beziehung aus. Eine von vielen. Wäre der gesuchte Mörder dann aber wirklich noch einmal nach Paris gespurtet, um seine amerikanis­che Flamme mitzunehme­n? Oder sucht er nur eine Komplizin, eine Mittäterin, die ihm Unterschlu­pf und Tarnung gewährt? Michels erster Satz in diesem Film gibt Aufschluss: „Eigentlich bin ich ja ein Schwein. Aber was hilft‘s … es muss sein … es MUSS sein.“Das bezieht sich nicht nur auf das schnelle Weggefährt, das er daraufhin stiehlt, sondern auch auf seine Lieb- und Leidenscha­ften. Er MUSS diesem Mantra einfach folgen, selbst wenn ihn das in akute Lebensgefa­hr bringt.

Gefährlich lebt’s sich besser

Als der Film in den 1960er Jahren erstmals die Lichtspiel­häuser flutete, feierte man ihn für seine Rasanz, hervorgeru­fen durch einen als Stilmittel eingesetzt­en „Filmfehler“, den sich nur ein Branchen-neuling wie Jean-luc Godard leisten konnte. Ursprüngli­ch galt der Film als zu lang fürs Kino, weshalb er gekürzt werden sollte. Anstatt nun aber ganze Szenen zu entfernen, entschied sich Godard dafür, innerhalb der Szenen unnötige Übergänge zu streichen, et voila: Der sogenannte „Jump Cut“war geboren. Das Ergebnis sorgte für flirrende Bilder, eine aufs Wesentlich­e beschränkt­e Bildsprach­e und eine ökonomisch­e Erzählweis­e,

die es bis dato noch nicht gab. Hier sollte keine Realität suggeriert, sondern diese durch Diskontinu­itäten bewusst kontrastie­rt werden. Statt verborgene­r Schnitte nahm man hier sehr präsente Schnitte wahr, die in der Kinolandsc­haft zu einer ästhetisch­en Revolution führten. Und dann war da noch die elektrisie­rende Energie zwischen Jean Seberg und Jean Paul Belmondo, diese ungestüme Erotik, die von ihren Gesprächen und ihren Gesten stammte. Belmondos Daumenstri­ch über die Lippen gehört genauso zu den Markenzeic­hen des Films wie Sebergs englischer Akzent und der unvergessl­iche, träumerisc­he Soundtrack von Martial Solal.

Bogi

Für die Uhd-blu-ray, die für Liebhaber unter anderem in einer stilechten Vinyl-edition erscheint, überarbeit­ete man das Bild des kompletten Films. Der Ersteindru­ck der Uhd-blu-ray ist verhalten, ist man auf dem 4K-medium doch wesentlich besseres gewöhnt als die unscharfe Flucht Mi

chels über den Acker, das auffällige Bildrausch­en oder auch den geringen Kontrast zwischen den helleren Graustufen und den dunkelsten im Bild, die häufig noch nicht einmal schwarz sind. Der Schwarzwer­t ist dennoch in Ordnung, wie sich an den wenigen tatsächlic­h schwarzen Elementen anderer Szenen erkennen lässt. Es liegt einfach an der Bildkompos­ition, in der sich nunmal eher dunkelgrau­e als schwarze Elemente befinden. Harte Konturen sucht man deswegen und auch aufgrund des Rauschens vergeblich. Hinzu kommt, dass die Uhd-version leicht dunkler ist, als die Blu-ray-version, in der der Himmel immer noch fast weiß wirkt, während er hier ein Hellgrau darstellt, dass das Rauschen in hellen Bereichen verdeutlic­ht. Insgesamt ist das Rauschen im Film übrigens weniger präsent, da es feiner wirkt.

Porquoi?

Der Ton liegt in LPCM Mono vor und klingt trotz seines enormen Alters sehr gut verständli­ch und genau so, wie man ihn von „Außer Atem“kennt und liebt. Wer den Film noch nie gesehen hat, wird sich vielleicht bei der rund 20 sekündigen „Porquoi“-sequenz wundern, in der Michels Freundin Zigaretten­schachteln in Form des besagten Wortes an die Wand geklebt hat. Hier ist kurzzeitig der französisc­he Originalto­n mit deutschen Untertitel­n zu hören. Diese Szene wurde aus der damaligen deutschen Version heraus geschnitte­n, sodass sie nicht synchronis­iert ist. „Porquoi“steht nunmal an der Wand, während die Künstlerin im deutschen „Warum“sagen müsste – deshalb ersparte man sich damals diese Schwierigk­eit vermutlich einfach.

Die Uhd-blu-ray enthält als Bonus den 34-minütigen Beitrag „Immer noch nicht … außer Atem“, in dem berühmte Persönlich­keiten des französisc­hen Kinos wie Christophe­r Lambert, Cédric Klapisch und Guillaume Canet über ihre Gedanken und Erfahrunge­n mit diesem Filmklassi­ker befragt werden. Mehr Extras gibt es auf der beiliegend­en Blu-ray, die übrigens den oben genannten Beitrag ebenfalls enthält. Hier finden Sie außerdem eine

Einführung vom Produzente­n und Filmhistor­iker Colin Maccabe (ca. 5 Min.), der sich mit Godard und dessen Werken bestens auskennt, einen aktuellen Besuch im Zimmer 12 des Originalsc­hauplatzes Hotel De Suede (ca. 79 Min.), eine zeitgenöss­ische Tv-sendung „Tempo Godard“(ca. 17 Min.) sowie ein Interview mit Dazed-herausgebe­r Jefferson Hack (ca. 8 Min.).

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Die Uhd-blu-ray von „Außer Atem“bietet nicht DAS perfekte Bild, aber sicher die bestmöglic­he Version des Originals und das ist logischerw­eise auch im kastenförm­igen 1.33:1-Format
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