Der Fall Richard Jewell
Richard Jewell (Paul Walter Hauser) verliert aufgrund seiner grobschlächtigen, aber gutgemeinten Methoden seinen Posten als Sicherheitsmann an der Universität von Atlanta. Als Folge dessen nimmt er einen Job als Security Guard bei den Olympischen Spielen im Sommer 1996 an. Bei den Spielen gibt es einen Zwischenfall mit einer Bombe, die Richard noch rechtzeitig bemerkt und die zuständigen Behörden warnt. Schnell wird er zum Held des Tages ernannt. Doch der Dankesruhm hält nicht lange an. Ein Sündenbock muss gefunden werden und durch die Gründe seiner früheren Entlassung ist Richard ein optimaler Kandidat dafür. Die Reporterin Kathy Scruggs (Olivia Wilde) wittert schon den Pulitzer-preis, doch was sie damit lostritt, ist eine regelrechte Menschenjagd mit unvorstellbaren Ausmaßen.
„Der Fall Richard Jewell“ist eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten basiert, veröffentlicht in einem Artikel von Marie Brenner. Die Journalistin hat auch den Artikel über die dunklen Machenschaften der Tabak-lobby verfasst, der für Michael Manns „Insider“(1999) als Vorlage diente. Von ähnlich hervorragender Qualität liefert Clint Eastwood sein Drama über einen unschuldigen Sündenbock ab. Leider ist der Stil von Eastwood nicht ganz so prägnant wie der von Michael Mann. Dennoch: Wie eine Achterbahn der Gefühle transformiert sich die Handlung vor den Augen des Zuschauers von einer zu Beginn vergnüglichen Komödie in ein zermürbendes, psychologisches Drama. Dabei kann Eastwood auf namhafte Charakterdarsteller zurückgreifen wie Sam Rockwell als Jewells Anwalt Watson Bryant, Olivia Wilde als skrupellose Reporterin Kathy Scruggs oder auch Kath Bates, die für ihre Rolle als Richard Jewells Mutter Bobi Jewell für einen Oscar und einen Golden Globe nominiert wurde.
Die Macht des Staates
„Der Fall Richard Jewell“nimmt inhaltlich die amerikanische Regierung – im Film vertreten von dem Fbi-agenten Tom Shaw (Jon Hamm) – ins Schussfeld. In einer kleinen Szene mit Bryant und seiner russisch-stämmigen Sekretärin Nadya wird die Us-regierung kurzerhand mit Russland verglichen. Dies ist nicht der erste Film von Clint Eastwood, der das Thema der absoluten Macht des Staates über das Individuum aufgreift. Sein Film „Der fremde Sohn“(2008) mit Angelina Jolie beschäftigt sich inhaltlich mit einem ähnlichen Fall. Beide Filme zeigen das unrechtmäßige Eingreifen in die Privatsphäre der Hauptfiguren. Schritt für Schritt wird Richard Jewell von den Staatsbeamten in seinen Rechten entmündigt. Rufmord und Diffamierung stehen auf der Tagesordnung. Eastwood inszeniert dabei die Medien – hier repräsentiert in der Figur der Kathy Scruggs – als wissentliche oder auch unwissentliche Handlanger des Systems.
Auch handelt die Geschichte vom Erwachsenwerden eines unbeholfenen Mannes. Richard Jewell ist ein Muttersöhnchen, wie es im Buche steht. In den Szenen, in denen er den Fbi-agenten gegenüber steht, wirkt er wie ein Neugeborener. Die Darstellung von Paul Walter Hauser als dicklicher wie kindlicher Mann ist dabei gut getroffen. Erst im Laufe der Handlung wird er mit der Hilfe seiner Mutter und seines Freundes Watson Bryant zu einem selbständigen Individuum, welches sich gegen den Staat behauptet und seine Rechte einfordert.
Die Geschichte von „Der Fall Richard Jewell“wird in unaufgeregten Bildern mit einem gemächlichen Tempo erzählt. Kein falsches Pathos und keine kitschige Musik überspitzen die Inszenierung des Films. Clint Eastwood konzentriert sich hauptsächlich auf den Sachverhalt des Falls. Dabei wird der amerikanische Patriotismus zum Glück auf ein Minimum reduziert – ein großer Gegensatz zur realen Trump-dynastie der letzten Jahre.