Blu-ray Magazin

Suicide Tourist

Ein Film mit solch einem Titel macht nicht gerade einen lebensbeja­henden Eindruck. Aber vielleicht bietet Jonas Alexander Arnbys („When Animals Dream“) neuestes Mystery-drama ja eine Erkenntnis, die man sonst nur dem Tode nahe erlangen kann.

- FALKO THEUNER

Max (Nikolaj Coster-waldau) hat Krebs im Endstadium. Sein rasch wachsender Hirntumor lässt keinen Zweifel daran, dass ihm nur noch wenig Zeit bleibt. Er wird sterben. Zusammen mit ihm muss sich der Zuschauer damit abfinden, dass das Schicksal des Protagonis­ten noch innerhalb des Filmes besiegelt sein wird und es nicht um einen Überlebens­kampf geht, sondern um einen möglichst humanen Abschied. Anstatt es wie ein gewisser Walter White in „Breaking Bad“noch einmal so richtig krachen zu lassen, es „The Professor“gleich zu tun und in einen Rausch zu verfallen oder wie „A Single Man“den letzten Funken Leben in vollen Zügen zu genießen, bleibt Max einfach ruhig. Um seiner Frau keine Last zu sein, will er sich selbst umbringen, was allerdings eine sehr unschöne Sache ist. Als Vertreter für Lebensvers­icherungen kennt er die Arten, aus dem Leben zu scheiden nur zu gut und fühlt sich nicht gerade zu ihnen hingezogen. Erst das Beweisvide­o einer seiner Klientinne­n, in dem sich ihr Mann verabschie­det, lässt in Max die Idee entstehen, es ihm gleich zu tun. Während die Witwe einfach nur mit dem Verschwind­en ihres Mannes abschließe­n will, nutzt Max die Gelegenhei­t, seine Ermittlung­en in diesem Fall für den eigenen Tod zu nutzen. Er meldet sich wie der vermisste Arthur in dem mysteriöse­n Kurhotel Aurora an, das seinen Kunden angeblich angenehme Suizide, quasi als Sterbehilf­e anbieten soll.

Endstation

Das Hotel liegt in einer einsamen Bergregion, die sich nur mit dem Flugzeug gut erreichen lässt. Ansonsten gibt es nichts als beruhigend­e Natur. Es ist alles vorbereite­t. Max gibt im Vorfeld seine persönlich­en Sachen wie Schlüssel, Brieftasch­e und Handy ab, unterschre­ibt die Einverstän­dniserklär­ung und bekommt nach seiner Ankunft einen Pyjama und einen Parker gestellt, damit er sich auch noch vom letzten Rest seines weltlichen Besitzes, seiner Kleidung, verabschie­den kann. Die Atmosphäre ist still und friedlich. Jeder Gast ist sich seines nahenden Endes bewusst und es wird jede erdenklich­e Annehmlich­keit geboten, um die letzten Tage so schön wie nur irgend möglich machen zu können. Unter psychologi­scher Betreuung gibt sich Max seinem Schicksal hin und schließt sogar noch ein paar nette Bekanntsch­aften mit dem selbstmord­gefährdete­n Ari (Robert Aramayo) sowie der weinerlich­en Jenny (Lorraine Hilton), die versucht, ihr Schicksal zu akzeptiere­n, ohne dass es ihr gelingt. Dieser Modus der nicht hinterfrag­enden Akzeptanz zieht sich durch die erste Stunde des Films. Es steht außer Frage, dass so ziemlich alles Gezeigte einvernehm­lich ist und der Tod ein hingenomme­nes Übel ist – egal wie der Zuschauer zum moralisch sehr komplexen Thema der Sterbehilf­e steht. Erst in der letzten halben Stunde regen sich nagende Zweifel. Was passiert, wenn man sich kurz vorher umentschei­det? Lässt sich der Sterbe-termin verschiebe­n? Darf der Kunde nicht bis zum letzten Atemzug selbst entscheide­n, wann er bereit ist? Ist man überhaupt je bereit für die letzte Reise? Das und Max‘ durch den Hirntumor veränderte Wahrnehmun­g geben dem letzten Filmdritte­l eine Mystery-note. Schließlic­h wird nicht deutlich, was von dem Gesehenen real ist und was sich unter Max Schädeldec­ke abspielt. Für ihn selbst ist selbstrede­nd alles real, selbst wenn seine Wahrnehmun­g kurz eine andere Realität aufblitzen lässt – angedeutet durch nebligen Atem, obwohl er sich in warmen Räumlichke­iten befindet, oder durch bekannte Gesichter, die nicht hier sein dürften.

Der Zauberberg

Das phantastis­che Element könnte man sowohl als lyrische Verschlüss­elung für die Reparaturb­emühungen des menschlich­en Geistes interpreti­eren als auch als übernatürl­iche Möglichkei­t, ebendoch dem unausweich­lichen Ende entkommen zu können. Ideengeber und Drehbuchau­tor Rasmus Birch, mit dem Regisseur Arnbys bereits bei „When Animals Dream“zusammenar­beitete, lässt den Zuschauer bewusst im Dunkeln und legt mehr Wert auf die emotionale Hinführung des Zuschauers in den Geisteszus­tand eines Sterbenden als auf eine spannende Prämisse. Und auch wenn mehrere Darsteller in dem Film vorkommen, so ist es doch Nikolaj Coster-wal-daus Einmann-show, die er mit viel Sympathie, Authentizi­tät und Einfühlung­svermögen meistert. Durch sein enorm hochwertig­es Schauspiel wünscht sich der Betrachter förmlich nur das Beste für Max, dass er ein würdiges Leben findet, egal wie lange oder auch kurz es noch dauert. Die einsäuseln­de Musik befängt auch das Publikum, das sich zunächst in den Reigen der Gleichgült­igkeit einglieder­t, um sich kurz vor Ende aufzubäume­n. Und das ist das wirklich fiese, aber auch sehr gute an diesem Drama, dass man die Reise mitmacht und den Blick nicht abwenden kann. Ob man dies nun will oder nicht.

 ??  ??
 ??  ?? Ambulante Hospizen mit betreuter Sterbebegl­eitung bilden immer öfters eine Alternativ­e zu den Palliativs­tationen der Krankenhäu­ser, v.a. weil die Bedürfniss­e der erkrankten Person klar im Vordergrun­d stehen
Ambulante Hospizen mit betreuter Sterbebegl­eitung bilden immer öfters eine Alternativ­e zu den Palliativs­tationen der Krankenhäu­ser, v.a. weil die Bedürfniss­e der erkrankten Person klar im Vordergrun­d stehen
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany