| The New Mutants
Blockbuster
Ein würdevoller Abgang bleibt der „X-men“reihe von Fox – Verzeihung – 20th Century Studios wohl endgültig versagt. Zwar kann darüber diskutiert werden, ob „X-men: Dark Phoenix“, der letzte Hauptfilm der Reihe, tatsächlich die Schmähungen verdient, denen sich der Streifen seitens vieler Kritiker ausgesetzt sah. Unzweifelhaft ist jedoch das finanzielle Debakel, das sich an den Kinokassen abspielte. Das schon 2017 abgedrehte, aber erst im September 2020 veröffentlichte „X-men“-spinoff „The New Mutants“, dreizehnter und letzter Eintrag in der Mutanten-reihe, kann wiederum sein Box-office-scheitern mit den Bedingungen der Corona-krise rechtfertigen, wodurch große Hoffnungen auf einen bombastischen Erfolg gar nicht erst aufkamen. Ganz unverdient ist aber auch „The New Mutants“nicht gekentert und gesunken. Der auf den gleichnamigen Comics von Chris Claremont basierende Film versagt als faszinierender Bestandteil der im Jahr 2000 so hoffnungsvoll gestarteten Superheldenreihe ebenso wie als eigenständige Geschichte. Anders als seine Comicvorlage grenzt sich „The New Mutants“von den Charakteren und Ereignissen der Hauptreihe konsequent ab. Statt um Rogue, Wolverine oder Jean Grey geht es im Film – ganz wie der Titel es suggeriert – um neue Mutanten. Auch Professor X und Magneto glänzen durch Abwesenheit und werden nicht einmal erwähnt. Stattdessen werden die Abenteuer von fünf Jugendlichen mit Superkräften geschildert, die sich zu Beginn des Filmes in einem seltsamen Krankenhaus wiederfinden. Obwohl Abenteuer ein großes Wort ist, insbesondere für die ereignisarme erste Hälfte, in der sich das Quintett mit der unerwarteten Situation arrangieren muss und sich gegenseitig kennenlernt. Wie das so ist mit Teenagern, drücken Vorurteile, Paranoia, Eifersüchteleien und finstere Geheimnisse die Stimmung, die allerdings von Anfang an nicht die beste ist. Denn schnell wird den jungen Mutanten klar, dass sie weniger Patienten in einem Hospital als vielmehr Versuchskaninchen in einem zwielichtigen Experiment und letztlich Gefangene sind.
Jung und neu ist nicht immer besser
Die Idee eines Horrorfilmes im „X-men“-universum ist nicht die Übelste und das zwischen Hightech-instrumentarium und Irrenhausschauder angesiedelte Krankenhaus-setting macht atmosphärisch ordentlich was her. Die bekannten Jungdarsteller könnten vor allem ein Tv-serien-affines Publikum begeistern: Maisie Williams (Arya aus „Game Of Thrones“), Charlie Heaton (Jonathan Byers aus „Stranger Things“) und die gerade mit der Netflix-prestigeserie „Das Damengambit“zu Starruhm gelangte Anna Taylor-joy erwecken positive Assoziationen, hinterlassen aber kaum bleibenden Eindruck. Zusammen mit ihren weniger bekannten Kollegen Blu Hunt und Henry Zaga arbeiten sie gegen ein steifes, blutleeres Drehbuch, welchem es nicht gelingt, die wenig originellen Archetypen in interessante Figuren zu verwandeln. Gerade in der „X-men“-reihe gab es schon deutlich erfolgreichere Versuche, jugendliche Helden glaubwürdig und spannend einzuführen; besonders „X-men: Die erste Entscheidung“hat gezeigt, wie es gemacht wird. „The New Mutants“fehlen hingegen fühlbare Emotionen, spannend aufbereitete Konflikte und echter Horror. Im Finale wirft der Film dann die selbstgesteckten Ambitionen vollends über Bord und versucht sein Glück im Spektakel. Gegen die Großen im Genre, auch gegen die aus der eigenen Reihe, kann „The New Mutants“in dieser Disziplin allerdings nur verlieren. Schade, dass Regisseur Josh Boone die dramatische Dichte seines Erfolgsfilmes „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“auf diesen neuen, fantastischen Kontext nicht übertragen konnte.