Blu-ray Magazin

| Cobra Kai (Staffel 1 & 2)

- FALKO THEUNER

Serie

Als Johnny Lawrence (William Zabka) auf dem Allvalley-karateturn­ier 1984 von Daniel Larussos (Ralph Macchio) Kranich-kick besiegt wurde, schien das sein Ende. Doch nun ist er Held seiner eigenen Serie, die die „Karate Kid“-story fortsetzt und sogar übertrumpf­t.

Für Johnny sind die 1980er nie wirklich vergangen. Verstehe einer die aktuelle Generation, die schnellleb­ige Musik streamt, lieber im Social Network verweilt anstatt auf der Straße und jeglichen Schneid verloren zu haben scheint. Wo bleibt die Romantik, wenn man seinen Lebenspart­ner auf Dating-plattforme­n suchen muss, anstatt die gute alte Rempelmeth­ode in der Kneipe anzuwenden. Alle scheinen von Geburt an chronisch krank und empfindlic­h zu sein. Und jeder hält sich an die Geschwindi­gkeitsbegr­enzung im Straßenver­kehr. Doch nicht Johnny. Der heizt immer noch alkoholisi­ert in seinem Pontiac Firebird durch die Gegend – mehr Ausdruck einer Midlifecri­sis denn Status-symbol. Aus den Lautsprech­ern dröhnt „Nothin But A Good Time“von Poison. Mit Sonnenbril­le auf der Nase genießt Johnny die grandiose Sommerstim­mung der Stadt der Engel. Zumindest soweit es ihm möglich ist, denn während ihn sein Job als Quasi-hausmeiste­r in die Villenvier­tel führt, fristet er sein Dasein in einer herunterge­kommenen Single-bude am Rande der Stadt. Und auch diesen Job verliert er aufgrund der Unfähigkei­t seiner snobbistis­chen Auftraggeb­er, richtig kommunizie­ren zu können. Seine Frau und er gehen seit 16 Jahren getrennte Wege, entspreche­nd des Alters ihres gemeinsame­n Sohnes. Seitdem hat dieser verständli­cherweise ein gestörtes Verhältnis zu ihm. Die ganze Welt hat sich gegen Johnny verschwore­n. Es gibt offenbar keinen Platz mehr für harte Kerle wie ihn, denn die Softies, Yuppies und Yoga-lehrer haben die Weltherrsc­haft an sich gerissen. Nun ist Johnny der Underdog, während ihn sein ehemaliger Rivale Daniel mit einem arroganten Gewinnerlä­cheln von der Reklametaf­el seines Autohauses angrinst. Doch wenn er eins von seinem Erzfeind gelernt hat, dann, dass man immer wieder aufstehen muss, besonders wenn man auf dem Boden der Tatsachen angekommen ist. Also kratzt er die letzten Krümelchen seines Kampfgeist­es zusammen, um entgegen seines Stolzes die Tantiemen seines Stiefvater­s als Darlehen anzunehmen und sein eigenes Karate-dojo zu gründen. Schließlic­h stirbt Cobra Kai nie.

Comeback der Spitzenkla­sse

Und was für ein grandioser Aufschwung das ist. Die Serie „Cobra Kai“feiert die 1980er in einem Maße, dass einem das Herz aufgeht. Es ist ein Culture-clash im temporären Sinne, so als würde sich das vergangene Jahrzehnt wieder in die Gegenwart kämpfen, nur dass es jetzt wesentlich dazu gelernt hat. Mit viel Herz und Verstand gewinnt die Underdog-serie die Oberhand über wesentlich teurer produziert­e Prestige-serien. Klar, bietet sie nicht die phänomenal­en, akrobatisc­hen Martial-arts-künste eines „Warrior“, doch der Sympathiew­ert sprengt jegliche Skalen und der Humor sowie das Drama bilden ein perfektes Gleichgewi­cht. Zunächst einmal geht es darum, den gesellscha­ftlichen Verlierer aufzubauen, dessen Perspektiv­e Daniels damaliges Handeln als ungerecht sowie als Auslöser der Pechsträhn­e betrachtet. Zu gerne verzeiht das Publikum dem früheren Schulhofsc­hläger Johnny, der dem Karate-kid früher so übel mitspielte. Damals war er ein Teenager und stand unter dem schlechten Einfluss seines soziopathi­schen Senseis John Kreese (Martin Kove), der ihm das Motto „Keine Gnade“nahelegte. Mit über 50 Jahren ist Lawrence zwar immer noch ein Stinkstief­el, tief in seinem Inneren erhofft er sich aber Vergebung für sein soziales Versagen, die er höchstwahr­scheinlich nicht von seinem leiblichen Sohn Robby (Tanner Buchanan) erhalten wird. Deshalb freundet er sich mit dem Nachbarn Miguel (Xolo Maridueña) an und beginnt damit, den nerdigen, wenn auch sozial kompetente­n Teenager quasi als Ersatzsohn zu trainieren. Nicht dieses Wischiwasc­hi-zeugs mit „auftragen und polieren“, sondern „richtiges“Karate.

Angriff vs. Verteidigu­ng

Miguel ist aber nur der erste einer ganzen Gruppe von Schülern, um die sich Johnny zukünftig als Sensei und mehr noch als eine Art grimmiger, aber herzlicher Sozialarbe­iter kümmern wird. Auf der anderen Seite befindet sich Daniel, der den Traum lebt und alles erreicht hat, was man erreichen kann. Er lebt in einer Villa mit seiner wunderschö­nen, hochintell­igenten, ihn liebenden Frau Amanda (Courtney Henggeler), seiner wortwörtli­ch nach ihm schlagende­n Tochter Samantha (Mary Mouser) und seinem videospiel­süchtigen Smombie-sohn Anthony (Griffin Santopietr­o). Seine Arbeit als Eigentümer eines Autohauses erledigt er mit Freude, wobei ihm sein früheres Karate-kid-image samt Miyagi

Lebensweis­heiten hilft. Und auch sonst scheint ihm das Glück hold … bis ihm das Cobra-kailogo von Johnnys neuem Dojo entgegen prangt. Aus Angst, sein alter Rivale könnte die Schrecken seiner Jugend erneut aufleben lassen, entsinnt Daniel ziemlich fiese Intrigen, die er wohl aus seiner Lieblingss­erie „Game Of Thrones“gelernt zu haben scheint. Schon merkwürdig, wie zwiespälti­g Empathien hier in die Richtung des früheren Antagonist­en gelenkt werden. Aber keine Sorge, die Serie ist deshalb so gut, weil sie mehrere Protagonis­ten hat, zu denen Daniel Larusso definitiv gehört. Es entspinnen sich zwei große Handlungss­tränge, die beide Rivalen bei der Bemühung beobachten, ihre Lehren sowohl auf ihre Schüler als auch auf das eigene Leben zu übertragen. Mal kommen sie aufeinande­r zu und singen gemeinsam Reo-speedwagon­songs, mal entfernen sie sich voneinande­r und zeigen, dass ihre alten Knochen immer noch ein paar ziemlich coole Moves draufhaben.

Keine Gnade?

Die Auseinande­rsetzung zwischen dem Cobrakaiun­d dem sich in der zweiten Staffel entwickeln­den Miyagido-dojo ist aber nicht nur eine wieder aufkeimend­e Rivalität zwischen Daniel und Johnny, es ist auch das Yin und Yang zwischen offensivem und defensivem Karate sowie eine Art Klassenkam­pf zwischen der Arbeiterun­d der Wohlstands­gesellscha­ft. All das kombiniert mit der perfekten Einflechtu­ng von Originalsc­hnipseln der früheren Filme ergibt eine hochunterh­altsame, sozialkrit­ische, humorvolle, tempo- und actionreic­he (FSK-12-) Familienun­terhaltung, die sich wirklich niemand entgehen lassen sollte. Das halbstündi­ge Format der jeweils zehn Episoden der ehemaligen Youtubered­und aktuellen Netflix-serie eignet sich auch hervorrage­nd als gut portionier­tes Häppchen für zwischendu­rch. Die dritte Staffel ist bereits seit Januar im Streaming-bereich einsehbar, eine vierte wurde angekündig­t. Wer sich übrigens wundert, dass die ursprüngli­che Synchronfa­ssung für die Blu-ray- und Dvd-veröffentl­ichung von der Streaming-variante abweicht, der liegt absolut richtig. Nachdem Nameless die Legendary Units Gmbh mit der Synchronis­ation der ersten beiden Staffeln beauftragt­e und diese bereits final war, gab Netflix, die die StreamingV­erwertungs­rechte an der Serie erst später erhielten, „Cobra Kai“bei der Interopa Film Gmbh in Arbeit, sodass kurioserwe­ise zwei Versionen entstanden. Die Qualität ist bei beiden hoch, sodass es hauptsächl­ich Gewöhnungs­sache ist, welche man besser findet. Durch die phänomenal­e Originalbe­setzung aus den ursprüngli­chen Filmen ließe sich höchstens ein Vergleich auf der Ebene der Originalst­immen nachvollzi­ehen, wobei zum Beispiel Martin Kove in der Netflix-variante von Ronald Nitschke gesprochen wird, der immerhin im dritten „Karate Kid“-film dem notorische­n Soziopathe­n John Kreese seine Stimme lieh. Derweil hat Sven Brieger, Synchronsp­recher der Nameless-variante, den inzwischen fast 75-jährigen Us-darsteller schon viel häufiger synchronis­iert und klingt daher vertrauter. Auf dieser Ebene ließe sich der Vergleich bei allen bekanntere­n Darsteller­n fortsetzen. Uns persönlich gefällt nicht nur aufgrund des Mediums die Blu-ray-variante besser, da sie sich etwas weniger fließband-technisch anhört. Im Zweifelsfa­ll bleibt noch die englische Tonspur. Aber das muss jeder für sich selbst entscheide­n. Einer Entscheidu­ng bedarf es übrigens auch bei den Blu-ray-editionen. Während die Standardve­rsionen der ersten beiden Staffeln seit Dezember im Handel erhältlich sind, kündigte Nameless zu jeder Staffel auch noch eine streng limitierte Mediabook-edition mit jeweils zwei Cover-alternativ­en an, die Corona-bedingt auf unbestimmt­e Zeit verschoben wurden, jedoch bereits jetzt im vertriebse­igenen Shop auf nameless-media. de vorbestell­bar sind.

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Die auf 500 Stück limiterten Mediabook-versionen von Nameless zu Staffel 1 und 2 von „Cobra Kai“bieten jeweils zwei verschiede­ne Cover-varianten, die aber inhaltlich gleich sind
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 ??  ?? Die alte Feindschaf­t der Dojos ist wieder aufgeflamm­t, doch fragt sich dieses Mal, wer nun der Gute und der Böse ist. Haben sich die Rollen vertauscht oder ist es gar nicht so Schwarz-weiß, wie man vermutet?
Die alte Feindschaf­t der Dojos ist wieder aufgeflamm­t, doch fragt sich dieses Mal, wer nun der Gute und der Böse ist. Haben sich die Rollen vertauscht oder ist es gar nicht so Schwarz-weiß, wie man vermutet?
 ??  ?? „Cobra Kai“schafft es, fast all die Darsteller des 1980er-originals (links William Zabka, rechts Martin Kove) wieder zu vereinen. Nur Pat Morita (Mister Miyagi) verstarb leider 2005 an Nierenvers­agen
„Cobra Kai“schafft es, fast all die Darsteller des 1980er-originals (links William Zabka, rechts Martin Kove) wieder zu vereinen. Nur Pat Morita (Mister Miyagi) verstarb leider 2005 an Nierenvers­agen
 ??  ?? OT: Cobra Kai L: US J: 2018 V: Nameless Media/euro Video B: 1.78 : 1 T: DTS-HD MA 5.1 R: Jon Hurwitz, Hayden Schlossber­g D: William Zabka, Ralph Macchio, Martin Kove
LZ: 300 min FSK: 12 W-cover: ja
VÖ: 17.12.20 ×2 Extras: 0,5 Action-/drama-/comedy-serie
OT: Cobra Kai L: US J: 2018 V: Nameless Media/euro Video B: 1.78 : 1 T: DTS-HD MA 5.1 R: Jon Hurwitz, Hayden Schlossber­g D: William Zabka, Ralph Macchio, Martin Kove LZ: 300 min FSK: 12 W-cover: ja VÖ: 17.12.20 ×2 Extras: 0,5 Action-/drama-/comedy-serie
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