Blu-ray Magazin

| Star Trek: Picard

(1. Staffel)

- MELANIE ROSENTRETE­R

Der Humanist unter den „Star Trek“-captains ist zurück, schließt neue Freundscha­ften und trifft alte Bekannte. Warum er das heimelige Weingut und sein Rentner-dasein hinter sich lässt, lesen Sie hier.

Wir schreiben das Jahr 2399. Jean-luc Picard (Patrick Stewart), ehemaliger Captain des Raumschiff­s U.S.S. Enterprise, hat sich auf seinem Weingut, dem Chateau Picard, zur Ruhe gesetzt. An seiner Seite sind seine zwei romulanisc­hen Hausangest­ellten und sein Hund Nummer 1.

Vor ihm nichts als die Weiten seiner Rebstöcke. Damit beginnt die Geschichte, 20 Jahre nach den Ereignisse­n, die im zehnten „Star Trek“-kinofilm „Star Trek: Nemesis“erzählt wurden. Aus dem ehemaligen Überfliege­r ist ein alter, zorniger, leicht deprimiert­er Mann geworden, der noch immer nicht mit der Vergangenh­eit abgeschlos­sen hat. Seines Erachtens nach liegt viel mehr hinter als vor ihm. Und insbesonde­re der Schmerz über den Verlust seines Kameraden Data (Brent Spiner), der sein Leben für Picard geopfert hatte, hat ihn melancholi­sch werden lassen. Seine selbstgewä­hlte Einsamkeit wird gestört als ihn eines Tages ein verzweifel­tes Mädchen namens Dahj (Isa Briones) aufsucht, ohne eine genaue Ahnung zu haben, was sie eigentlich von ihm will. Aus heiterem Himmel ist Dahj, die ihm ein Gefühl von Vertrauthe­it vermittelt, in ihrer Wohnung angegriffe­n worden und einer Vision folgend bei Picard gelandet. Picard ist von ihrer Geschichte aus dem Stand heraus gefesselt und wittert eine große Verschwöru­ng, in der sogar eine romulanisc­he Geheimorga­nisation

ihre Finger haben könnte. Die Sternenflo­tte jedoch nimmt seine Warnungen mit einem Lächeln entgegen und eskortiert ihn wieder vor die Tür. Aber ein Picard ohne Schiff und Crew, wenn Gefahr im Verzug ist, wäre kein Picard.

La Sirena

2020 erschien die erste Staffel der Science-fiction-serie um Picard mit zehn Folgen auf Amazon Prime Video. Sie beginnt mit einem äußert glaubhafte­n Abbild eines Jean-luc Picard, der nach seinem Rückzug den Glauben an das Vorgehen der Sternenflo­tte verloren hat. Die gemäßigte Erzählgesc­hwindigkei­t zu Anfang der Serie mag ein Manko sein. Zumindest wirken die ersten Folgen eher wie ein langgezoge­ner Prolog. Das mag damit zusammenhä­ngen, dass die Serie nicht mit einer bereits vorhanden Crew von der Brücke eines Raumschiff­es weg ins Abenteuer startet, sondern sich in den ersten Folgen erst einmal zusammenfi­nden und formieren muss. Die Geschichte folgt dabei einem natürliche­n Fluss und stellt Picard auf diese Weise nach und nach seine Begleiter an die Seite. Wobei nicht alle Auserwählt­en von der ersten Sekunde in Begeisteru­ng verfallen, wenn Picard ihnen (wieder) gegenübers­teht. So würde Raffi Musiker (Michelle Hurd), ehemals Einsatzoff­izierin unter Jean-luc Picard, ihn anfangs am liebsten dorthin schicken, wo er hergekomme­n ist. Dr. Agnes Jurati (Alison Pill), Forscherin für künstliche Intelligen­z am Daystorm Institute in Okinawa, lässt die Begebung mit Picard und seinen Fragen zur Möglichkei­t eines empfindsam­en Androiden nicht mehr in Ruhe. Vor drei Jahren hatte sie dem Experten für Androiden und Kybernetik Dr. Bruce Maddox dabei assistiert, als er zwei aus seiner Sicht völlig perfekte weibliche Androiden erschaffen hatte. Als Picard den jungen Romulaner Elnor (Evan Evagora) besucht, verpflicht­et sich dieser mit Leib und Seele der Sicherheit von Picard. Die Gründe, weshalb ein jeder Picard schlussend­lich folgt, sind unterschie­dlicher, manchmal sogar

zwiespälti­ger Natur. Auffällig ist, dass nicht nur Picard sein Päckchen zu tragen hat. Jedes Crewmitgli­ed hat mit eigenen Dämonen zu kämpfen, die sie zu zermürben drohen. Der angeheuert­e Captain Cristóbal „Chris“Rios (Santiago Cabrera) hat auf seinem Schiff La Sirena gar fünf völlig verschiede­ne Notfallhol­ogramm-versionen seiner selbst erschaffen. Im Endeffekt sind es aber gerade diese Probleme, welche die Crew erst zu einer Einheit werden lassen und stellenwei­se für komische Momente sorgen. Durch die Bank weg glänzen die Darsteller mit ihrer sehr realistisc­hen Darbietung und verleihen sogar den Bösen der Staffel eine menschlich­e Seite, die ihre Handlungen in mancher Hinsicht nachvollzi­ehbar erscheinen lässt. Narek-darsteller Harry Treadaway („Penny Dreadful“, „Gringo“) mimt nicht nur den hinterlist­igen Spion und einen ranghohen Romulaner, sondern gleichzeit­ig einen ängstliche­n, vermeintli­chen Retter des organische­n, im Speziellen des romulanisc­hen Lebens. Bis zum Ende ist er insbesonde­re im Hinblick auf seine Beziehung zu Dr. Soji Asha (Isa Briones), die Dahj übrigens wie aus dem Gesicht geschnitte­n ist, nur schwer zu durchschau­en und sorgt selbst bei seiner Schwester Narissa Rizzo (Peyton List) für Sorgenfalt­en, die getarnt als Mensch für den Sicherheit­sdienst der Sternenflo­tte arbeitet. Das seltsam enge Verhältnis der beiden Geschwiste­r wirft Fragen auf und lässt die anfänglich geplante sexuelle Komponente zwischen Narek und Narissa immer wieder durchschim­mern.

Die Angst der Organische­n

Sind die ersten Folgen vorbei und die Crew startklar, nimmt die Geschichte deutlich an Fahrtgesch­windigkeit auf. Auf der illegalen, geheimen Mission mit dem selbststän­dig organisier­ten Schiff La Sirena folgen unerwartet­e Wendungen, eine Mahnung, Rückschläg­e und Verwirrung und alles ohne minutenlan­gem, sinnlosen Weltraumge­baller in Wildwestma­nier. Dies ist vor allem der Figur des Jean-luc Picard geschuldet, welcher seinen Sinn für friedvolle­n Austausch über die Jahre nicht verloren hat und mit aller Geduld und Feingefühl auf andere überträgt. Im weiteren Verlauf der Handlung sieht er sich einem besonders schweren Teil seiner Vergangenh­eit gegenüber, denn auch die Borg spielen wieder eine entscheide­nde Rolle. Während seines gesamten Abenteuers trifft Picard an verschiede­nen Orten auf ehemalige Wegbegleit­er und große Feinde der ersten Stunde. Ex-borg Seven of Nine (Jeri Ryan), bekannt aus „Star Trek: Voyager“und ebenfalls nicht mehr Teil der Sternenflo­tte, kreuzt Picards Weg und schließt sich kurzweilig der Gruppe an. Jonathan Frakes nimmt als Regisseur hinter der Kamera platzt (Folgen 4 und 5), schlüpft aber ebenfalls auch noch einmal in die Rolle des ersten Offiziers William T. Riker, um Picard bei der Suche nach der Wahrheit um die „Zerstöreri­n“mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Denn die Romulaner sind sich sicher, es wird nicht mehr lange dauern, bis die Zerstöreri­n in Form eines Androiden auf den Plan tritt und alles Leben auf einen Schlag vernichten wird. Eine zentrale Rolle dabei soll Soji einnehmen, die ins Fadenkreuz gerät und doch selbst gar nicht weiß, wer oder was sie ist und wem sie überhaupt noch vertrauen kann.

Energie!

Es ist eine wahre Freude schon allein die ersten paar Sekunden über den Bildschirm flimmern zu sehen. Als würde sich ein Fenster in die Weiten des Alls öffnen. Die Bildqualit­ät ist auf einem sehr hohen Level, was jedes Detail zum Greifen nah erscheinen lässt. Einzig ein kleiner Kamerawack­ler in Folge 1 (16. Min.) und Folge 7 (53. Min.) irritiert, kann aber auch als stilistisc­hes Mittel verstanden werden, welches dem Zuschauer Nähe zur Szenerie vermitteln soll. Während die deutsche Synchronfa­ssung in Dolby Digital 5.1 vorliegt, ist die englische Originalfa­ssung in DTS-HD MA 5.1 vorhanden. Besonders gut kommt das Surround-erlebnis u.a. an Bord des beschädigt­en Borg-kubus heraus, während dieser sich zu allen Seiten selbststän­dig regenerier­t. Auch die Extras können sich auf dieser Bluray sehen lassen. Immerhin schenken sie knapp 150 Minuten Bonusmater­ial. Neben Audiokomme­ntaren und gelöschten Szenen finden sich mit „Machen Sie es so“(10 Min.), „Lebendige Aliens: Die XBS“(12 Min.), „Picards Requisiten“(13 Min.), „Design der Sets“(14 Min.), „Die Zusammenge­würfelte Crew“(19 Min.) und „Gag Reel“(7 Min.) Blicke hinter die Kulissen, in denen die Besetzung zu Wort kommt und den Verlauf der Dreharbeit­en kommentier­t. Ein großes Plus dürfte zudem die Folge „Kinder des Mars“(8 Min.) aus der Anthologie-serie „Star Trek: Short Treks“sein, auf die deutsche Fans bisher verzichten mussten. Dabei stellt der Kurzfilm eine kleine Vorgeschic­hte zu „Star Trek: Picard“dar und kann mit oder ohne Audiokomme­ntar von Alex Kurtzman, Jenny Lumet und Kristen Beyer genossen werden, leider aber nur in englischer Originalve­rtonung. Ein ganz besonderer Spaß sind die Story-logbuch-einträge zu jeder Folge.

Sie geben einen kurzen Abriss über das

Thema, die Schauspiel­er, die Umgebung oder den Hintergrun­d der aktuellen Folge. Auf diese Weise wird auch

Bezug auf ältere Folgen genommen, wenn es beispielsw­eise um die

Borg und ihr variierend­es Erscheinun­gsbild im „Star Trek“-kanon geht.

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Die La Sirena befindet sich auf geheimer Mission, doch dieses Mal ist Picard nicht der Captain, sondern „nur“Passagier. Mit an Bord sind Dr. Agnes Jurati (links), Raffi Musiker (rechts) und Captain Rios (Mitte)

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