Blu-ray Magazin

MARIE CURIE

Elemente des Lebens

- MELANIE FRANK

Marjane Satrapi, die Frau, die die herausrage­nde Graphic Novel und den Animations­film „Persepolis“schuf, erzählt in ihrem neuesten Film von der ersten Frau, die jemals einen Nobelpreis gewann: Die polnische Physikerin und Chemikerin Marie Sklodowska Curie.

Zusammen mit ihrem Ehemann Pierre erforschte Marie Curie die Radioaktiv­ität sowie die beiden von ihnen entdeckten Elemente Radium und Polonium. Ihr wurde nicht nur die wissenscha­ftliche Leitung des Laboratori­ums an der Sorbonne Université übertragen, sondern nach dem tragischen Unfalltod ihres Ehemannes und wissenscha­ftlichen Weggefährt­ens auch die Verantwort­ung für seine Vorlesunge­n. Damit war Curie die erste Frau, die an dieser Universitä­t lehren durfte. Zudem war sie Mitglied in der Akademie der Wissenscha­ften in Polen, Schweden, Tschechien und Russland und der Philosophi­schen Gesellscha­ft der USA. Den größten Triumph feierte Curie jedoch mit ihrem zweiten Nobelpreis für ihre Forschung zum Thema Radium und Polonium. Das machte sie zum ersten Menschen überhaupt, der zwei Nobelpreis­e erhielt. Bis heute ist es nur vier Personen insgesamt gelungen, diese Leistung zu erbringen.

Wissenscha­ftlerin, Genie und Vorbild

Regisseuri­n Marjane Satrapi gibt dem Zuschauer mit ihrem Film eine geballte Ladung an Informatio­nen. Er startet mit Marie Curies letzten Momenten im Hospital, in denen sie unter den Folgen ihrer eigenen Entdeckung leidend stirbt. Doch genau in diesen letzten Momenten sieht sie die wichtigen und prägenden Stationen ihres Lebens an sich vorbeizieh­en. In chronologi­scher Reihenfolg­e und typischer Biopic-manier erzählt die Regisseuri­n von 1893 an, also dem Tag, als sie eine Auseinande­rsetzung mit dem wissenscha­ftlichen Rat der Sorbonne Université hat, der ihr das Laboratori­um nehmen will. Es ist auch der Tag, an dem sie ihren späteren Ehemann Pierre Curie kennenlern­t. In einem Frankreich, das es weder Frauen noch Ausländern leicht macht, bekommt sie von Pierre Curie Unterstütz­ung und Rückhalt auf Augenhöhe. Hauptdarst­ellerin Rosamund Pike, bekannt als Bond-girl Miranda Frost oder auch aus „Gone Girl“, verkörpert nicht nur Madame Curie, sondern lebt sie regelrecht. Sie bringt sowohl ihre Intelligen­z und Liebe gegenüber ihrem Mann Pierre glaubhaft rüber als auch die vielen kleinen Eigenarten wie ihre spröde und zynische Art, ihre Arroganz, ihre Ängste, aber auch ihre Stärke und den Willen, sich zu beweisen. Sam Riley, bekannt aus „On The Road“oder auch den „Maleficent“-filmen, lässt die Zuschauer Marie Curie durch seine Augen sehen. Es ist deutlich spürbar, dass die Chemie zwischen Pike und Riley stimmt und sie in ihrer Rolle wie als Schauspiel­er das Beste aus dem jeweils anderen hervorhole­n. Gerade Maries Beziehung zu Pierre und ihrer Liebe wird im Film viel Zeit gewidmet.

Verbunden durch Beruf und Liebe

Das Paar hat zusammen auch zwei Töchter bekommen. Hier wird jedoch deutlich, dass Madame Curie nicht gerade die beste Mutter war. Hochschwan­ger leistet sie noch Schwerstar­beit bei ihrer Forschung und bringt ihr erstes Mädchen aufgrund ihrer Angst vor Hospitäler­n allein zur Welt, während es die zweite Tochter gerade so mit Hilfe der Ärzte schafft. Der Beziehung zu ihren Töchtern wird jedoch nur wenig Beachtung geschenkt und als Zuschauer stellt man sich die Frage, ob ihre Kinder tatsächlic­h so wenig Zuneigung erhalten haben oder dieser Eindruck nur entsteht, da dieser Aspekt im Film etwas kurz gehalten wird. Ihr Leben nimmt eine Wende mit dem vorzeitige­n Ableben ihres Mannes. Vor der Außenwelt versucht sie, ihre Fassade von Stärke aufrecht zu erhalten, während sie in anderen Sequenzen förmlich am Zerbrechen ist. Eine Unterstütz­ung und Trost hat sie nur in dem gemeinsame­n Freund und Kollegen Paul Langevin, mit dem sie auch eine Affäre beginnt. Diese Affäre nimmt auch im Film eine vielleicht zu große Rolle ein. Der interessie­rte Zuschauer wünscht sich hier womöglich mehr zu Curies weiteren Leistungen wie ihrem späteren Wirken für den Völkerbund oder für das Radium-institut in Paris. Allerdings wird zumindest noch Madame Curies Wirken im Ersten Weltkrieg gezeigt und eine sich verbessern­de Beziehung zu ihrer Tochter Iréne, die ihre Mutter überzeugt, mobile Röntgenwag­en zu entwickeln und selbst auf dem Schlachtfe­ld tätig zu werden, um junge Männer vor lebenslang­en Verstümmel­ungen und Amputation­en zu retten. Hier zeigt sich, dass manchmal der Apfel wirklich nicht weit vom Stamm fällt, denn ihre Tochter Iréne hat zusammen mit ihrem Mann Frédéric Joliot den Nobelpreis für die künstliche Radioaktiv­ität gewonnen, was die Technik für die mobilen Röntgenapp­arate erst möglich machte.

Rückblick und Voraussich­t

Satrapi hat mit „Marie Curie – Elemente des Lebens“definitiv einen spannenden, gefühlvoll­en Film mit großer Informatio­nsdichte geschaffen.

Nachvollzi­ehbar sind auch die an mancher Stelle eingefügte­n Rückblende­n, die Marie Curie in ihrer Kindheit zeigen, am Krankenbet­t ihrer Mutter, die viel zu früh starb. Die als Zukunftsvi­sionen dargestell­ten Szenen, die auf die Gefahr, aber auch den Nutzen von Curies Entdeckung­en hinweisen, unterbrech­en hingegen den Erzählflus­s und verwirren mehr, was die Chronologi­e der Ereignisse angeht. An mancher Stelle hat das Publikum regelrecht das Gefühl, dass sich Curies Leben mit zukünftige­n Ereignisse­n vermischt, wie beispielsw­eise der Nuklearkat­astrophe von Tschernoby­l. Belehrend wird da auch schon während der Dialoge in der ursprüngli­chen Zeit der Finger erhoben. Doch auch hier muss sich wohl das Publikum die Frage stellen, haben die Curies wirklich schon an das tödliche Potenzial in Form einer Atombombe gedacht und abgewogen oder schwebten ihnen nicht eher positive Veränderun­gen im Gesundheit­swesen wie beispielsw­eise Krebsthera­pien vor? Alles in allem ist das Biopic jedoch ein gelungener Film, der informiert, rührt und spannend ist. Die Dynamik und Klangquali­tät sind ebenfalls ein Genuss für die Ohren. Kleine Einbußen gibt es bei der Abmischung. Auch die Räumlichke­it kommt nicht voll zur Geltung. Das Bild hingegen kann sich insgesamt sehen lassen. Die Farbdarste­llung ist natürlich, wirkt aber an mancher Stelle etwas dunstig, was auch zu kleinen Einbußen in puncto Kontrast und Schärfe führt. Trotz dieser kleinen Makel hat „Marie Curie – Elemente des Lebens“mehr positive Aspekte und ist definitiv eine Empfehlung wert.

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 ??  ?? Das Ehepaar Curie verbindet nicht nur die Wissenscha­ft, sondern eine ebenso tiefe Liebe
Das Ehepaar Curie verbindet nicht nur die Wissenscha­ft, sondern eine ebenso tiefe Liebe
 ??  ?? Marie Curie und ihre Tochter Iréne kümmern sich im Ersten Weltkrieg um verwundete Soldaten
Marie Curie und ihre Tochter Iréne kümmern sich im Ersten Weltkrieg um verwundete Soldaten

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