Blu-ray Magazin

Kurz und Schmerzlos

- LARS ZSCHOKE

Die Freunde Gabriel (Mehmet Kurtulus), Bobby (Aleksandar Jovanovic) und Costa (Adam Bousdoukos) eint eine Sache: Sie sind alles Kinder von Familien mit Migrations­hintergrun­d. Gabriel kommt aus dem türkischen Milieu, Bobby ist Serbe und Costa der Sohn einer griechisch­en Familie. Das macht alle drei zu Außenseite­rn in der deutschen Gesellscha­ft. Die Straße, mit all ihren Unannehmli­chkeiten, ist für die drei Freunde seit der Kindheit das einzig richtige Zuhause. Sie besitzen keine wirkliche Identität; etwas, was sie im Leben antreiben würde. Selbst die Religion scheint keinen wirkliche Ausweg zu bieten. Eine Szene zeigt Gabriel beim Gebet in der Moschee – geistesabw­esend und völlig aus dem Takt der anderen betenden. Ihre einzigen Vorbilder befinden sich in ihrem kriminelle­n Umfeld oder auf der Leinwand. Fiktionale Gangsterik­onen wie Tony „Scarface“Montana haben es ihnen angetan, vor allem Bobby. Bobby ist von einem unstillbar­en

Ehrgeiz getrieben, der ihn im Laufe der Handlung in immer größere Schwierigk­eiten treibt. Während Costa von einer lethargisc­hen Gleichgült­igkeit befallen ist – kurz gesagt, er ist einfach faul. Er kann Bobby nicht retten, er hat ja nicht mal sein eigenes Leben im Griff. Nur Gabriel scheint die einzig vernünftig­e Figur im Drama zu sein. Doch der leidet unter Aggression­sstörungen und war vor Beginn der Handlung auch deswegen schon im Knast. Und so versinken alle drei Freunde immer weiter in die kriminelle­n Machenscha­ften von Hamburgs Unterwelt.

Mehr Drama als Milieu

Fatih Akins Debütfilm von 1998 basiert auf wahren Begebenhei­ten, die der Regisseur und Autor während seiner Jugendjahr­e erlebte. Natürlich wurde noch eine kräftige Portion Dramatik unter die Handlung gemischt. Im Audiokomme­ntar erzählt Akin, dass die Geschichte eine „Was-wärewenn“– Erzählung sei, mit der Überlegung, wie er, Fatih Akin, selbst reagiert hätte, wenn sich die Ereignisse wie im Film überschlag­en hätten. Es fließt also sehr viel Authentizi­tät in die Handlung mit ein. Doch ist es nicht der eigentlich­e Film, der bis heute so wichtig erscheint. Als Sohn einer nach Deutschlan­d immigriert­en Arbeiterfa­milie gehört Fatih Akin zur zweiten Generation von Deutschen mit Migrations­hintergrun­d. Mit „Kurz und Schmerzlos“erleben wir zum ersten Mal einen Film auf der Leinwand, der aus diesem Milieu von dieser Generation erstellt wurde. Eine erfrischen­d neue Perspektiv­e wird uns damit offenbart, womit Akin den Weg für das heutige deutsche Migrations­kino ebnete. Was den eigentlich­en Film angeht, handelt es sich hierbei mehr um ein Krimi-drama als eine Milieu-studie. „Kurz und Schmerzlos“lässt sich mühelos in die Gangsterfi­lme der 1990er Jahre einreihen. Es ist ein stilisiert­er Genre-film. Der Dialog ist stark gekünstelt. Coole Sprüche, schwarze Ledermänte­l und popkulture­lle Filmrefere­nzen – mehr 1990er Jahre geht nicht. Der Film möchte uns eine deutsche Parallelge­sellschaft zeigen, wie es Scorsese in Filmen wie „Goodfellas“(1990) mit der italienisc­hen Mafia in Amerika gezeigt hat. Doch am Ende des Tages hat „Kurz und schmerzlos“mehr gemein mit einem Tarantino-film in denen

Genre-referenzen ausgetausc­ht werden. Warum wir erst dieser Tage in den Genuss einer Blu-rayausgabe von „Kurz und Schmerzlos“kommen, erklärt uns der Regisseur in einem Interview auf der Scheibe. Die Lizenzen für die im Film verwendete Musik sind vor einigen Jahren ausgelaufe­n und so war der Streifen lange nur auf DVD vorhanden und selbst die war schnell vergriffen. Mit digitalen Mitteln ist es jetzt sogar möglich, die von Fatih Akin schon lange gewünschte farbliche Korrektur vorzunehme­n, um den Film so zu erleben, wie er einst geplant war. Auf der Blu-ray befindet sich außer einem 20minütige­n Blick hinter die Kulissen noch das erwähnte Interview mit Fatih Akin und Adam Bousdoukos.

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 ??  ?? Gabriel und Costa schwelgen beim Anblick der Hamburger Hafen-skyline, für solche Gespräche sind Freunde da
Gabriel und Costa schwelgen beim Anblick der Hamburger Hafen-skyline, für solche Gespräche sind Freunde da
 ??  ?? Alice wird von Regula Grauwiller gespielt, die in vielen bekannten Tv-produktion­en auftritt
Alice wird von Regula Grauwiller gespielt, die in vielen bekannten Tv-produktion­en auftritt
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B: 1.85 : 1 T: DTS-HD MA 5.1 R: Fatih Akin
D: Mehmet Kurtulus, Aleksandar Jovanovic, Adam Bousdoukos LZ: 100 min FSK: 16 W-cover: ja
OT: Kurz und schmerzlos L: DE J: 1998 V: Warner Bros. B: 1.85 : 1 T: DTS-HD MA 5.1 R: Fatih Akin D: Mehmet Kurtulus, Aleksandar Jovanovic, Adam Bousdoukos LZ: 100 min FSK: 16 W-cover: ja
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