Lost Girls And Love Hotels
Im Schatten der Großstadt, inmitten von Millionen die Einsamkeit zu suchen, klingt zunächst paradox, erscheint auf den zweiten Blick aber ziemlich plausibel. Wo sonst als in einer schillernden Metropole wie Tokio ist man als Individuum unauffälliger und austauschbarer. Selbst wer auffallen will, hat es schwer, aus der Masse herauszustechen. Getrieben von der Flucht aus ihrem alten Leben hat es auch Margaret (Alexandra Daddario) dorthin geführt. Während sie tagsüber japanischen Flugbegleiterinnen englisch beibringt, verbringt sie ihre Nächte vorzugshalber in sogenannten „Love Hotels“– billige Stundenhotels, in denen sie mit wildfremden Männern bedeutungslosen Sex hat. Zumindest für sie bedeutungslos, denn wenn einer der Männer ihre Neigungen nicht teilt oder gar mehr für sie empfindet, ist es mit ihrer Lust schnell dahin. Sie möchte nicht reden, sie möchte nicht kuscheln, sie will Sex, harten Sex. Sie will von einem Mann dominiert werden und zeigt dies auch wenig zimperlich. Doch nur selten bekommt sie, wonach sie sich sehnt. Gleiches gilt für ihren Job. Wenngleich sie diesen zu mögen scheint, taucht sie zu spät, verkatert oder heruntergekommen auf Arbeit auf. Neben den Sex-kapaden liegt das vor allem an den allabendlichen Kneipenbesuchen. Am Ende einer dieser Nächte lernt sie den mysteriösen Kazu (Takehiro Hira) kennen, ein Yakuza der alten Schule: Tätowiert, resolut und gefürchtet. Kazu umgibt eine Aura, derer sie sich nicht entziehen kann und der sie zunehmend verfällt. Sowohl in sexueller Hinsicht als auch abseits des Bettes ist sie ihm schon bald hörig und wie verloren man sich dabei fühlen kann, wird ihr mehr und mehr bewusst.
Lust und Langeweile
Verlorene Seelen und solche, die es vorgeben zu sein, gibt es gewiss viele. Einige von ihnen entfliehen der alltäglichen Tristesse, indem sie ihre Gedanken mit Sex, Drugs and Rock’n’roll betäuben. Gleiches versucht Regisseur William Olsson mit seiner Protagonistin. Wirkliche Gefühle entfalten sich dabei aber nicht. Viel zu selten geht der Film in die notwendige Tiefe, um dem verlorenen Charakter der Margaret eine glaubhafte Fassade zu verleihen. Selbstzerstörung wird lediglich erzählt, zum Teil angedeutet aber letztendlich nicht verkörpert. Ähnlich oberflächlich geht es auch bei der Ausgestaltung der Sex-szenen zu. Die geforderte Dominanz wird lediglich angedeutet. Lust, Hingabe und interaktives Spiel sind Raritäten, die man im Dunkeln der verwaschenen Aufnahmen nur erahnen kann. Fifty Shades heiße Luft lautet hier das Motto. Die aufregendste Provokation sind ein paar Kabelbinder in der Handtasche. Darüber hinaus bleibt dem Zuschauer nur Rätselraten. Zu stark wurde der bereits 2017 gedrehte Film nachträglich geschnitten. Die Idee, damit ein breiteres Publikum anzusprechen, hat dem Film vermutlich mehr geschadet als gefördert. Das Drehbuch selbst stammt aus der Feder von Catherine Hanrahan, die auch den Roman verfasst hat, auf dem der Film basiert. Entsprechend verwunderlich ist es, dass der Film derart banal mit dem Thema umgeht. Daran ändern auch die Schauspieler nichts. Alexandra Daddario, die sich bereits einen Namen in Produktionen wie „San Andreas“oder „Baywatch“gemacht hat, schafft es trotz ihrer schauspielerischen Klasse nicht aus der Margaret einen vielschichtigen Charakter zu formen. Ebenso unbefriedigend erscheint die optische Qualität des Films. In den Tageslichtszenen noch auf einem guten Standard, wirken die Nachtaufnahmen wie ein schräger 1980erjahre-film. Wenngleich das grobe, verwaschene Bild und die übertriebenen Farben dem Film einen gewissen Rotlicht-milieu-charme verleihen, passt es weder zum restlichen Film noch zum heutigen Standard. Die Soundeffekte sind dahingehend schon eher unauffällig, weshalb das Klangerlebnis unspektakulär bleibt.