Ladykillers
Mit „Ladykillers“bringt Studiocanal, unter ihrem Label für anspruchsvolle Filme, Arthaus, nach „Traum ohne Ende“(1945) und „Adel verpflichtet“(1949) einen weiteren überarbeiteten Klassiker des altehrwürdigen britischen Filmstudios Ealing auf Blu-ray herau
Eine Verbrecherbande um den Geheimnisvollen Professor Marcus (Alec Guinness) plant den großen Coup. Als Versteck wird die Herberge der unscheinbaren Seniorin Mrs. Wilberforce (Katie Johnson) auserkoren. An der Türschwelle der alten Dame geben sich Professor Marcus, Major Courtney, Mr. Harvey, Mr. Robinson und Mr. Lawson als eine Gruppe Musiker aus. Der Schwindel geht auf und auch der Coup gelingt. Doch bei der Abreise reißt die Fassade des vorgetäuschten Streichquintetts ein und Mrs Wilberforce bekommt den Schwindel mit. Nun müssen sich die fünf Ganoven überlegen, wie sie die Zeugin am besten beseitigen können.
„Ladykillers“besticht durch seine tiefgründige Bildsprache und der Liebe zum Detail. Für den Autoren William Rose bedeutete das Drehbuch die einzige Oscar-nominierung seiner Schaffensperiode. Es ist voller Anspielungen auf das Gesellschaftsbild der neurotischen britischen Gesellschaft der Nachkriegszeit. Die Ganoven spiegeln alle Archetypen der damaligen Gesellschaftsschichten wider.
Großbritannien in der Nachkriegszeit
Angst vor Betrügern, der Jugend, Ausländern und der wenig intelligenten Arbeiterschicht. Jeder der Gang-mitglieder von Professor Marcus spiegelt eine der genannten Eigenschaften wider. Mrs. Wilberforce hingegen stellt das traditionelle viktorianische Großbritannien dar (der Tod von Königin Victoria wird von ihr zu Beginn der Handlung erwähnt). Ihr Haus sticht aus der Masse hervor, ist wie im expressionistischen Stil schief und krumm, und droht einzustürzen. Die Angst vor der Moderne greift in der Gesellschaft um sich. Das macht „Ladykillers“zu einem sehr konservativen Film, der heute oft nur filmhistorisches Interesse wecken sollte. Bei den Briten besitzt die Komödie einen unbestrittenen Kultfaktor und wird aus nostalgischen Gründen zelebriert. Auf der anderen Seite könnte man in die Handlung hineininterpretieren, dass alle gesellschaftlichen Schichten lernen müssen miteinander auszukommen. Der Umgang der Figuren im Film miteinander färbt von der einen Seite auf die andere ab. Mrs. Wilberforce wird in die kriminellen Machenschaften mit hinein gezogen. Auf der anderen Seite bringen es die Bandenmitglieder, ab einen gewissen Zeitpunkt, nicht übers Herz die nette alte Dame umzubringen. Dieser Interpretationsansatz würde den Film zeitloser und ihn auch für nachträgliche Generationen interessant machen.
Im Gegensatz zu den Hollywood-produktion jener Zeit ist „Ladykillers“befreit von unnötigem Kitsch. Auch traut sich die europäische Komödie mehr als ihre Pendants aus Übersee. Der schwarze Humor ist eine Eigenschaft des Filmes, die ihn auch heute noch sehenswert macht. Regisseur Alexander Mackendrick reizt den Begriff Krimi-komödie voll aus und inszeniert einen sehenswerten Überfall. Auch im übrigen Film verwendet er Stilelemente von Alfred Hitchcock und Fritz Lang, um seinen Film auch unter anderer Perspektive aufzuwerten.
Vielschichtigkeit hinter der Kamera
Alec Guinnes, der schon in der schwarzen Komödie „Adel verpflichtet“in acht (!) Rollen auf
trat, bringt mit seiner Figur, die sich selbst Professor Marcus nennt (seinen wahren Namen erfährt der Zuschauer nie), die bemerkenswerteste Figur in dieser Geschichte auf die Leinwand. Völlig zerzaust und dem Wahnsinn nah, erinnert er entfernt an Rudolf Klein-rogges Darstellung des Dr. Mabuse in Fritz Langs Werken. Zwei Jahre später sollte Guinness die Rolle, die ihn als Schauspieler letztendlich definierte, spielen. Gemeint ist die Figur des unbeugsamen Colonel Nicholson in „Die Brücke am Kwai“(1957).
Stars vor der Kamera
In „Ladykillers“gibt sich des Weiteren ein noch junger Peter Sellers als Harry, a.k.a. Mr. Robinson, die Ehre. Es ist eine der ersten größeren Filmrollen des Tausendsassas. In den 1950er Jahren war er zumeist im britischen Radio der BBC als Mitglied der „Goon Show“(19511960) zu hören. Dieser Verband von Rundfunk-comedians hat später u. a. Monty Python zu ihren visuellen Gags inspiriert. In den 1960er Jahren sollte Sellers seine Berühmtheit durch die Rolle des trotteligen Inspektor Clouseau in der Filmreihe um den „Rosaroten Panther“erlangen. Aber auch ernsthafte Rollen lagen ihm in den Stanley-kubrick-meisterwerken „Lolita“(1962) und „Dr. Seltsam“(1964). In „Ladykillers“soll Sellers angeblich die drei Papageien von Mrs. Wilberforce synchronisiert haben. Für Katie Johnson war die Rolle des Mrs. Wilberforce die einzige große Hauptrolle in ihrem Leben. Deswegen entschieden die Produzenten ihren Namen auf dem Filmplakat unter dem von Alec Guinness zu platzieren. Sie starb kurz nach der Veröffentlichung des Films. Da in der Zeit von „Ladkillers“Filme gleichzeitig für Kino und Fernsehen produziert wurden, gibt es gleich zwei Bildformate, 1.37 : 1 und 1.66 : 1, die man zu Beginn im Menü auswählen kann. In Sachen Zusatzmaterial knausert Studiocanal hierbei nicht. Das üppige Bonusmaterial dieser 2-Disc-edition umfasst ein inhaltlich interessante, 40-minütige Filmanalyse, eine 15-minütige Featurette zum Einsatz der Farbe und eine ältere 50-minütige Dokumentation über die Entstehung und das Wirken des legendären britischen Ealing Studios.