Donnie Darko
Science Fiction
Kaum zu glauben, dass Richard Kellys Kultfilm hierzulande nie im Kino zu sehen war. Das soll sich nun 20 Jahre nach der internationalen Erstveröffentlichung ändern. Am 21. September flimmert „Donnie Darko“während eines bundesweiten Kinoevents in ausgewählten Lichtspielhäusern über die Leinwände. Zwei Tage später folgt dann der Blu-ray- und Uhd-start mit dem neuen 4K-master. Neben dem Kinocut wird auch der Director’s Cut enthalten sein.
Es ist die Nacht zum 2. Oktober 1988: Der Teenager Donnie Darko (Jake Gyllenhaal) bekommt plötzlich Visionen von einem Mann in einem grimmigen Hasenkostüm. Er wird aus seinem Zimmer ins Freie gelockt, wo ihm Meister Lampe seinen Namen verrät: Frank. Doch nicht nur das hat das fremde Wesen Donnie mitzuteilen. Laut Frank wird die Welt, wie Donnie sie kennt, in genau 28 Tagen – zu Halloween – untergehen. Als Donnie am Morgen im Freien erwacht und nach Hause geht, findet er ein Flugzeugtriebwerk vor, das aus den Wolken direkt in sein Zimmer gekracht ist. Ohne die mysteriöse Vision von Frank dem Hasen wäre Donnie jetzt platt! Oder ist er bereits tot? „Donnie Darko“wurde zuerst am 19. Januar 2001 auf dem Sundance Film Festival uraufgeführt. Da diese Version als zu lang und wirr erschien, wurde sie für die allgemeine Öffentlichkeit auf unter zwei Stunden gekürzt und kam im Oktober 2001 in die Us-kinos, wo er floppte. Das lag wahrscheinlich u. a. an dem angedeuteten Flugzeugabsturz. Die Bilder vom 11. September 2001 waren noch zu frisch im Gedächtnis der Allgemeinheit. Da der Film keine Großproduktion war, hielt sich die negative Stimmung wohl in Grenzen. Die Produktionsangaben sprechen von einem 4,5 bis 6-Millionenus-dollar-budget. Die zweite Angabe bezieht sich vermutlich auf die Marketingkosten oder aber die Kosten für die aufwendige Produktion des Director’s Cut.
Richtige Entscheidungen
Für den Autor und Regisseur Richard Kelly war die Geschichte um den Jungen Donnie Darko fast 13 Jahre in Entwicklung. Kelly bringt sehr viele Jugendanekdoten in seine Erzählung mit ein. Das Jahr 1988 ist nicht willkürlich gewählt, sondern eine in eine Fiktion umgewandelte Jugenderfahrung, die mit übernatürlichen Elementen ausgeschmückt wurde. Im Kern erzählt die Handlung eine Coming-of-age-geschichte, in der ein Jugendlicher gegen die gesetzten Normen rebelliert. Uns als Zuschauer wird eine nicht hinterfragte Scheinwelt präsentiert, wo an alle Probleme mit einer naiven Oberflächlichkeit herangegangen wird, seien es leere Worthülsen oder verkitschte Aufklärungsvideos mit ebenso leeren Aussagen. Die Probleme der jungen Leute werden mit einer vorgefertigten Messskala, welche von den beiden Achsenpunkten Angst und Liebe umrahmt werden, gelöst. Der fiktive Philosoph Dr. J. Evans Pritchard, aus „Der Club der toten Dichter“(1989), wäre stolz auf diese Messlatte gewesen. Hier wird in subtiler Weise klar, wie das Fließbandsystem der staatlichen Erziehung versagt und warum dieser Aspekt doch zum Großteil den Eltern vorbehalten sein sollte. Aber wer hat heutzutage noch Zeit dafür? Die erwachsenen Charaktere lassen sich lieber von Scheinbildern blenden, die u.a. in der Figur des zwielichtigen, aber charismatischen Motivations-trainers und Hobby-philosophen Jim Cunningham (Patrick Swayze) verkörpert wird. Selbst als sich Cunningham als Kinderschänder herausstellt, wollen es sich die Lehrer nicht eingestehen. Ein anderer Aspekt der Scheinwelt wird durch die Junior-girlband „Sparkle Motion“verdeutlicht, der Donnies kleine Schwes
ter beitritt. Anstelle sich genau zu überlegen, was man für die Zukunft tun kann, kann man sich auch dem Hier und Jetzt ergeben und den schnellen Ruhm suchen, der leider aber oftmals viel zu schnell wieder vergeht.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass Richard Kelly die Rolle von Donnies Psychologin mit Katharine Ross besetzte, die einst Elaine Robinson in „Die Reifeprüfung“(1967) spielte. Ein Film, der das Aufbegehren der Jugend behandelte. Nur musste sich Dustin Hoffman damals nicht mit Zeitreisen und einem gruseligen Hasenmenschen herumschlagen.
Mit Mystery zum Ziel
Auch wenn er im Us-kino floppte, auf DVD wurde „Donnie Darko“zum Verkaufsschlager. Als Grund für den Erfolg kann man den Einbau der geheimnisvollen Elemente nennen. Seit David Lynchs „Twin Peaks“ist klar: Jede gute Geschichte um Familie und Gemeinschaft braucht ein düsteres Geheimnis. So etwas hält den Spannungsbogen aufrecht und gibt der ganzen Erzählung einen überlebensgroßen Ansatz. Immer mit der Frage im Hintergrund: Ist da mehr als nur das ausdrücklich Erwähnte?
Die neuentdeckte Landschaft des Internets half „Donnie Darko“letztendlich dabei, seinen Kultstatus noch auszubreiten. In den späten 1990ern und den frühen 2000ern war das eine recht neue Methode, für Filme zu werben. Und sie hat oft funktioniert – siehe „Matrix“(1999). Auf der Internetseite von „Donnie Darko“konnte Richard Kelly sein aus der Sundance-version geschnittenes Material veröffentlichen. Dort konnte man auch die Seiten des Zeitreise-buches finden, die Kelly persönlich geschrieben hat. Diese Form des Viralen Marketings hat zu Spekulationen und Lore-bildung geführt. Die Wissenschaft von „Donnie Darko“hat sich verselbständigt. Selbst Bücher über die Möglichkeit des Zeitreisens im Stile von „Donnie Darko“wurden geschrieben. Jene wenigen von Richard Kelley verfassten Seiten wandelten sich zu seinem ganz persönlichen Necronomicon. Diese Art von versteckter Mystery wurde danach von J.J. Abrams und Damon Lindenof später auch für die Serie „Lost“verwendet. Da diese Elemente aber von Anfang an nur aufgesetzter Natur waren, konnte das Universum von „Lost“im Staffelfinale nicht mehr überzeugen. „Donnie Darko“ist hingegen schon nach rund zwei Stunden vorbei und wartet mit einem runden, wenn auch nachdenklichen Ende auf.
Ein fiktives Universum entsteht
Durch die Mund-zu-mund-propaganda verkaufte sich die DVD von „Donnie Darko“mit großem Erfolg. So wurde im Jahr 2004 entschieden, einen Director’s Cut herauszubringen, der an die Sundance-version anknüpfen sollte. Diese Version ist gute 20 Minuten länger und bietet neben einigen Dialogerweiterungen ein neu abgemischtes Sounddesign, welches das Außerweltliche der Erzählung unterstreichen soll. Auch wurden viele
Szenen mit neuen Songs unterlegt, die aus lizenzrechtlichen Gründen in der Kinoversion nicht verwendet werden konnten, da sie zu teuer waren.
Vor allem wird im Director’s Cut mehr auf Mystery-elemente eingegangen. Es gibt also weniger Spielraum für Interpretation. Wesen aus der Zukunft, vielleicht Menschen, haben einen Riss im Raum-zeit-kontinuum entdeckt und benutzen die Körper und Seelen von toten Menschen, um dieses Loch wieder zu stopfen. So wird aus Donnie der „Receiver“(Empfänger) und aus Frank der „Messenger“(Vermittler/botschafter). An der Decke von Donnies Zimmer, in der später das Flugzeugtriebwerk durchbricht, hängt das Bild eines Engels. Es wird viel von Gottes Plan gesprochen. Bald schon bekommt Donnie die Kräfte, die ihm dabei helfen, zu sehen und zu handeln. Er sieht die vorgefertigten Wege eines jeden Menschen in Form der Wasserwurm-vektoren, die aus den Brustkörpern eines jeden ragen. Zum Schluss bekommt er noch die Kraft, das Wasser und den Himmel zu kontrollieren, um den Weg zurück in seine Zeit zu schaffen. Donnie Darko wird zu einer Art Superheld, was auch sein Name verrät, der wie bei vielen Comichelden eine Alliteration darstellt. Vielleicht sind es aber auch nur die Medikamente bzw. seine veränderte Wahrnehmung, die ihm all das vorgaukeln?
Zurecht ein unangreifbarer Klassiker?
Auch im Director’s Cut werden leider nicht alle Fragen beantwortet und einiges stellt sich sogar als sehr viel verwirrender heraus. Es verhält sich leider nicht so wie bei David Lynch. Richard Kelly hat hier eine spezifische Vorstellung, was im Hintergrund zur Hauptstory vorgeht. Die Kinoversion mag mehr ein Jugenddrama sein, sie hat jedoch ein zweifelhaftes Ende. In seiner zweiten Chance
erkennt Donnie die falsche Welt der Erwachsenen und muss erleben, wie schmerzhaft es sein kann, zu wissen. Doch wählt er den einfachen Pfad als Ausweg. Das Ende steht nun in dieser Interpretationsweise im Kontrast zur Aussage. Das Leben geht nun weiter seinen geregelten Gang.
Aber sei es drum, „Donnie Darko“ist nach wie vor ein echter Autorenfilm. Richard Kelly hat in bester Kubrick-manier Szenen nach Musik, u.a. von Songs der Band „Echo and the Bunnymen“(der Bandname könnte auch für die Entstehung von Donnie und Frank verantwortlich sein), kreiert. Der Soundtrack geht eine perfekte Symbiose mit den Bildern ein. Auch greift der Film sozialkritische Themen auf humorvolle Art und Weise auf. Niemand wird unliebsam belehrt. Und von der „Faust“-metapher wurde in diesem Review (aus Platzgründen) noch überhaupt nichts erwähnt. Nur soviel dazu: Jena Malones Charakter heißt nicht zufällig Gretchen Ross.
Zu guter Letzt halten die geheimnisumwitterten Elemente, die Spannung aufrecht und sorgen auch beim wiederholten Ansehen mit ihren versteckten Details dafür, dass sich immer wieder etwas Neues entdecken lässt.
28 Tage, 6 Stunden, 42 Minuten, 12 Sekunden
Für unseren Test standen uns bis zum Redaktionsschluss ausschließlich die beiden Blu-rays mit der Kinofassung und dem Director’s Cut zur Verfügung. Die Uhd-scheibe werden wir in der Folgeausgabe sichten. Dennoch lässt sich im Vergleich mit der früheren MconebzwAscot-elite-blu-ray aus dem Jahre 2010 bereits feststellen, was sich alles beim neuen, restaurierten 4K-master alles getan hat. Schaut man sich die 2010er-scheibe mit dem Kinocut an, so fallen sofort der unruhige Kamerastand und die zahlreichen Verschmutzungen und Haarrisse des Bildes auf. Die Farben sind abgedunkelt, das Filmkorn wirkt genauso wie der Klang des DTS-HD-MA-5.1-TON etwas komprimiert. Bei der 2021er-blu-ray wurden all diese Probleme ausgemerzt. Das Kamera-ruckeln fällt wesentlich geringer aus, das Korn wuselt analog über die Mattscheibe und die vormals verzerrten Stimmen besitzen nun einen natürlichen Klang. Der Kontrast sieht hervorragend aus und die Farben sind trotz intendierter Abdunklung kräftiger als zuvor. Das gilt auch für den Director’s Cut, dessen Soundabmischung neben den alternativen und dynamischer eingesetzten Songs auch intensivere Surround-effekte zu bieten hat. Ab dem 23. September liegt „Donnie Darko“sowohl als Blu-ray als auch als Uhd-blu-ray in den Verkaufsregalen. Beide Versionen gibt es als limitiertes Steelbook zu kaufen. Wer mehr möchte, kann sich die Arthaus-shop-exklusive 4-Disc Limited Collector’s Edition (www.shop.arthaus.de) anschauen. Dieses Rundum-glücklich-paket enthält jeweils den Kino- und den Director’s Cut auf UHD- und Standard-blu-ray. Neben dem Digibook befinden sich auch noch ein 40-seitiges Booklet, drei Kinoposter, ein Kühlschrankmagnet, drei Zeichnungen, zwei Tattoos und fünf Postkarten in der Packung.