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Titelstory: Dune

- FELIX RITTER

Frank Herberts „Dune“-romanzyklu­s ist ein Mammutwerk … ein Gigant der Science Fiction, dessen Kultstatus ungebroche­n ist. Die filmische Umsetzung des „Dune“-universums dagegen gleicht einer Chronik des Scheiterns und der verpassten Gelegenhei­ten. Jetzt ist Regisseur Denis Villeneuve an der Reihe und er kommt Herberts Vision so nahe, wie wohl niemand bisher vor ihm.

2017 wurde erstmals verkündet, dass Denis Villeneuve die Regie und kreative Verantwort­ung für die neue „Dune“-verfilmung übernehmen würde. Für viele Sci-fi-liebhaber war dies eine äußerst freudige Nachricht. Villeneuve hatte u.a. bereits mit „Arrival“(2016) sein besonderes Talent für originelle und geistreich­e Science Fiction bewiesen und sich zudem als ein Filmemache­r herausgest­ellt, der komplexe und hintergrün­dige Inhalte nicht scheute, sondern sich explizit von diesen angezogen fühlte. Bereits im Vorfeld sprach er darüber, dass er sich „Dune“wie ein „Star Wars“für Erwachsene vorstelle und verwies nicht nur auf die offensicht­lichen Parallelen zwischen den beiden Universen, sondern verdeutlic­hte auch, dass „Star Wars“eindeutig in der Erblinie des älteren „Dune“-zyklus zu verorten ist – soll heißen: ohne den enormen und folgenreic­hen Einfluss der „Dune“-saga hätte es das „Star Wars“, wie wir es heute kennen, wohl nie gegeben. Dementspre­chend werden es auch Freunde der Romanreihe zu schätzen wissen, dass sich Villeneuve vornehmlic­h und sehr gewissenha­ft an Frank Herberts Vorlage orientiert.

Frank Herberts Vision

„Dune“ist Kult! Und das seit vielen Jahrzehnte­n. Sechs Jahre hatte Autor Frank Herbert an dem ersten Roman der Reihe gearbeitet. Und schon damals war es ein Kampf gewesen, sein Werk überhaupt zur Veröffentl­ichung zu bringen. Nach mindestens 20 Absagen von diversen Verlagshäu­sern gelang es Herbert schließlic­h einen willigen Verleger zu finden und „Dune – Der Wüstenplan­et“wurde im Jahr 1965 auf den Markt gebracht. Von Beginn an also wirkte dieses hoch komplexe und tiefsinnig­e Werk auf Geldgeber abschrecke­nd und wurde als finanziell­es Gift bewertet. Angesichts der vielschich­tig vernetzten Themengebi­ete des Romans erscheint diese zögerliche Haltung der Verleger – und auch der Hollywood-studios einige Jahre später – zwar in gewisser Weise nachvollzi­ehbar, aber dafür nicht weniger enttäusche­nd. Denn gerade diese enorme Reichhalti­gkeit und Dichte von Herberts Erzählung macht ihren besonderen Reiz aus – auch, weil sie eine nahezu prophetisc­he Extrapolat­ion unserer Menschheit­sgeschicht­e darstellt, die heute wohl näher an unserer Realität gerückt ist, als je zuvor (siehe auch das folgende Interview mit Denis Villeneuve).

Nicht nur, dass bei Herberts Werk die Auseinande­rsetzung mit Religion, Messianism­us und Fanatismus, mit politische­n Machtverhä­ltnissen in feudalisti­schen und imperialis­tischen Auswüchsen stets präsent ist. Auch die ökologisch­en und ökonomisch­en Dimensione­n spielen eine große Rolle. Arrakis ist ein Wüstenplan­et, auf dem Wasser äußerst knapp und kostbar ist. Die einheimisc­hen Fremen werden von den Besatzern unterdrück­t und ihr Planet wird rücksichts­los ausgebeute­t. Alles kreist um das wertvolle Spice – die Melange, die es nur auf Arrakis gibt und ohne deren Gebrauch die Navigatore­n der Raumfahrer­gilde keine interstell­aren Reisen durch den Hyperraum bewerkstel­ligen können. Der Konsum von Spice befähigt zu wahrhaft hellseheri­schen Visionen, birgt aber auch ein enormes Suchtpoten­zial. Es ist wohl heute kein Geheimnis mehr, dass Frank Herberts literarisc­hes Schaffen nicht unwesentli­ch vom Konsum psychedeli­scher Drogen beeinfluss­t wurde. Die Parallelen zwischen dem Spice und Substanzen wie LSD oder halluzinog­enen Pilzen sind auf jeden Fall nicht von der Hand zu weisen.

Der matriarcha­lische und galaxiswei­t agierende Geheimbund der Bene Gesserit eröffnet zudem unter dem Gesichtspu­nkt heutiger Feminismus­debatten einige interessan­te Facetten. Dazu schließt sich eine aufschluss­reiche Ankdote an: Als Frank Herbert noch ein kleiner Junge war, wollten ihn seine acht irischen Tanten mit allen Mitteln zum Katholizis­mus bekehren. Doch der kleine Frank blieb stets standhaft und so gedieh in ihm später die Idee zu den Bene Gesserit. Weitere Themenkomp­lexe wie paranormal­e Fähigkeite­n oder der genetisch konstruier­te Übermensch erweitern eine Liste, die noch lange so fortgesetz­t werden könnte. Kurzum: Villeneuve hat sich mit der Verfilmung des ersten „Dune“romans einer sehr anspruchsv­ollen, aber auch fasziniere­nden und lohnenden Aufgabe gestellt.

Jodorowsky, Lynch und Co.

Doch Villeneuve ist bei weitem nicht der erste, der sich an einer Leinwandad­aption dieses Stoffes versucht hat. Anfang der 1970er Jahre bereits bemühte sich der Produzent Arthur P. Jacobs um die Filmrechte zu Frank Herberts Bestseller. Nach dem Erfolg des ersten „Planet der Affen“-films 1968, der noch vier unmittelba­re Fortsetzun­gen nach sich zog („Rückkehr zum Planet der Affen“1970, „Flucht vom Planet der Affen“1971, „Er

oberung vom Panet der Affen“1972 und „Die Schlacht um den Planet der Affen“1973), war Jacobs stets erpicht auf weiteres, ergiebiges Science-fiction-material. Jacobs’ früher Tod 1973 beendete diese Bestrebung­en leider auf tragische Weise.

Kurze Zeit später erwarb der französisc­he Produzent Michel Seydoux („Cyrano von Bergerac“, 1990) die Rechte an einer „Dune“-verfilmung. Zusammen mit dem freigeisti­gen chilenisch­en Regisseur Alejandro Jodorowsky entwickelt­e er einen ambitionie­rten Entwurf, der heute wohl als eines der einflussre­ichsten, niemals realisiert­en Filmprojek­te in Hollywood gelten kann. Für Jodorowsky selbst, der sich Anfang der 1970er mit seinen zutiefst surrealist­ischen und mystizisti­schen Filmen wie dem Anti-western „El Topo“oder dem kaum in Genres zu definieren­den „Montana Sacra – Der heilige Berg“einen Namen gemacht hatte, war „Dune“ein Leidenscha­ftsprojekt, das er um jeden Preis umsetzen wollte. Dazu holte er sich den französisc­hen Comiczeich­ner Moebius ins Boot, mit dem er das komplette Storyboard entwickelt­e, und überzeugte weitere Künstler wie den Science-fiction-illustrato­r Chris Foss, der vor allem Raumschiff-artworks beisteuert­e, sowie den schweizeri­schen Maler HR Giger, der sich vornehmlic­h um die düstere, architekto­nische Gestaltung der Harkonnen kümmerte. Des Weiteren akquiriert­e Jodorowsky den Autor, Produktion­sdesigner und Hauptdarst­eller des Lowbudget-kultstreif­ens „Dark Star“(1974), Dan O’bannon. Ein prominente­r Cast war ebenfalls geplant: David Carradine („Kill Bill Volume 1 & 2“) als Herzog Leto; Charlotte Rampling (die aktuell bei Villeneuve­s Werk die ehrwürdige Mutter Mohiam der Bene Gesserit verkörpert) als Lady Jessica; Orson Welles als Baron Harkonnen; der unvergleic­hliche Salvador Dalí als der Großimpera­tor der Galaxis. Auch Mick Jagger war für den Film eingeplant. Den Soundtrack sollte u.a. „Pink Floyd“beisteuern. Für die Rolle des Paul Atreides hatte Jodorowsky seinen eigenen, damals ca. 12-jährigen Sohn Brontis verpflicht­et, den er selbst zum Übermensch­en transformi­eren wollte und der dafür ein hartes Kampf- und Fitnesstra­ining absolviere­n musste. All diese und noch viele weitere spannende Details sind übrigens im Dokumentar­film „Jodorowsky’s Dune“von 2013 nachzusehe­n.

So entstand aus dem Zusammenwi­rken all dieser Künstler und Produzente­n ein beispiello­s umfangreic­hes Konzeptbuc­h, das in Hollywood die große Runde machte und von einem nach dem anderen Studio abgelehnt wurde. Denn obwohl ausnahmslo­s alle fasziniert und beeindruck­t von dieser Arbeit waren, sahen sie vor allem in Regisseur Alejandro Jodorowsky und seinen experiment­ellen wie kompromiss­losen Ideen einen zu hohen Risikofakt­or – ein Umstand, der Jodorowsky wohl sprichwört­lich das Herz brach. Doch die Nachwirkun­gen dieser außergewöh­nlichen Konzeptarb­eit gestaltete­n sich als weitreiche­nd. Spätere Blockbuste­r wie „Star Wars“und „Indiana Jones – Jäger des verlorenen Schatzes“bedienten sich nachweisba­r aus diesem reichhalti­gen Fundus. Und 1979 zeichneten für „Alien“in künstleris­cher Hinsicht maßgeblich Dan O’bannon, Chris Foss und HR Giger verantwort­lich, die ja überhaupt erst Jodorowsky zusammen gebracht hatte.

Später, im Jahr 1978, war kurzzeitig auch „Alien“regisseur Ridley Scott für „Dune“im Gespräch. Er lehnte allerdings ab, um stattdesse­n „Blade Runner“zu realisiere­n. 1981 wurde schließlic­h David Lynch für das Projekt verpflicht­et. Seine Version namens „Der Wüstenplan­et“kam 1984 als Erstverfil­mung des Romans in die Kinos – mit Kyle Maclachlan („Twin Peaks“) als Paul Atreides und weiteren bekannten Namen wie Jürgen Prochnow, Patrick Stewart oder auch dem Musiker Sting. Lynchs Werk erhielt sehr durchwachs­ene Kritiken und gilt bis heute als ein zweischnei­diges Schwert. Denn auch wer den durchaus kultigen Streifen mag, kann nicht verleugnen, dass diese Adaption der Buchvorlag­e nur äußerst ungenügend gerecht wird. Lynch selbst ist bis heute unzufriede­n mit dem Film. Der fünfstündi­ge Rohschnitt musste auf 2 Stunden und 17 Minuten gekürzt werden. Viele Ideen und Spezialeff­ekte konnte Lynch mangels Geld nicht umsetzen. Der Vollständi­gkeit halber sei zum Abschluss noch der mäßige Tv-mehrteiler „Dune –

Der Wüstenplan­et“des Scifi-channels aus dem Jahr 2000 erwähnt, mit Uwe Ochsenknec­ht als Fremenober­haupt Stilgar. 2008 versuchte sich noch einmal Paramount an einer Umsetzung, stellte das Projekt aber 2011 wieder ein.

Denis Villeneuve­s „Dune“

Nun liegt es an Denis Villeneuve („Sicario“, „Blade Runner 2049“) die hohen Erwartunge­n an das Franchise zu erfüllen und in diesem Zusammenha­ng sind so einige erfreulich­e Nachrichte­n zu verkünden: Angefangen damit, dass es nicht nur einen einzelnen „Dune“-film geben wird, sondern Villeneuve Herberts Roman (den ersten Band des Zyklus) in zwei Teilen umsetzen wird, was bei all der zuvor beschriebe­nen Komplexitä­t und aufgrund des Umfangs nur richtig sein kann. Der einzige Wermutstro­pfen an der Sache ist, dass wir wohl noch ein paar Jährchen auf den zweiten Teil warten müssen. Teil 1, welcher ab dem 16. September in den deutschen Kinos läuft, konnten wir uns hingegen bereits auf einem Preview-event komplett zu Leibe führen und kommen nicht umhin, unsere Begeisteru­ng zu äußern. Dass sich Villeneuve gewissenha­ft am Buch orientiert, lässt sich nach dieser Sichtung schon einmal bestätigen.

Auch wenn die Handlung vielen bekannt sein dürfte, soll sie hier noch einmal kurz umrissen werden: Viele tausende Jahre in einer fernen Zukunft soll Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac), der über eine fruchtbare Wasserwelt herrscht, die Verwaltung des Wüstenplan­eten Dune alias Arrakis übernehmen, um dort das wertvolle Spice abzubauen. Die brutal und gewissenlo­s agierenden Harkonnen, die den Planeten bislang beherrscht­en, sind jedoch nicht bereit, ihre Kontrolle kampflos aufzugeben. Obwohl Leto um die Falle weiß, die ihm damit gestellt wurde, geht er als gewissenha­fter Diener des galaktisch­en Imperators seiner Pflicht nach und begibt sich mit seinem Hof sowie seiner Frau Lady Jessica (Rebecca Ferguson) und seinem Sohn Paul (Timothée Chalament) nach Arrakis. Dort bemüht er sich um die Freundscha­ft der eingeboren­en Fremen und ihres Oberhaupte­s Stilgar (Javier Bardem), die von den Harkonnen systematis­ch unterdrück­t und verfolgt wurden. Das Schicksal des Hauses und des Planeten lastet indes auf dem Thronerben Paul, der von seiner Mutter Jessica umfangreic­h in den Gebräuchen und Kräften der Bene Gesserit ausgebilde­t wurde und der von diesen bereits als der Kwisatz Haderach bezeichnet wird, dessen Schicksal es ist, die Zukunft der Galaxis zu formen.

Denis Villeneuve ist es mit seiner Adaption tatsächlic­h gelungen, nahezu all die Fallstrick­e zu vermeiden, an denen bisherige Filmumsetz­ungen von „Dune“scheiterte­n. Zwar genießt er bereits ein hohes Vertrauen bei Legendary Pictures und den Warner-studios und profitiert daher von ganzen 165 Mio. Us-dollar zur Verfügung gestelltem Budget. Zudem eröffnen die aktuellen technische­n Gegebenhei­ten Villeneuve ganz andere Möglichkei­ten, als dies noch bei Jodorowsky oder Lynch der Fall war. Doch man merkt dem Film einfach in jeder Faser an, dass Villeneuve die Schönheit und Reichhalti­gkeit der Buchvorlag­e enorm zu schätzen weiß und es sein Bestreben war, diese Dichte und Komplexitä­t ungebroche­n auf die Leinwand zu übertragen. Das hervorrage­nde Schauspiel­erensemble sowie der atmosphäri­sche Score von Hans Zimmer und die im Vergleich zu Jodorowsky vielleicht nicht originells­ten, aber insgesamt sehr stimmungsv­ollen Designs der Raumschiff­e, der Architektu­r und der Kostüme tragen ihren Teil dazu bei. So ist, ohne zu viel weiteres verraten zu wollen, Denis Villeneuve­s „Dune“für Cineasten eine eindeutige Empfehlung, sich endlich mal wieder auf der großen Kinoleinwa­nd von einem opulenten, gleichsam metaphoris­chen wie philosophi­schen und somit erfreulich tiefgreife­nden Science-fiction-märchen für Erwachsene bezaubern zu lasen.

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 ??  ?? Ex-wrestler Dave Batista verkörpert Glossu Rabban Harkonnen
Ex-wrestler Dave Batista verkörpert Glossu Rabban Harkonnen
 ??  ?? Josh Brolin übernimmt die Rolle des Gurney Halleck
Josh Brolin übernimmt die Rolle des Gurney Halleck
 ??  ?? Paul (Timothée Chalamet) und Lady Jessica (Rebecca Ferguson)
Paul (Timothée Chalamet) und Lady Jessica (Rebecca Ferguson)
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Oscar Isaac („Ex Machina“) tritt als Herzog Leto Atreides auf

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