Blu-ray Magazin

Zeichentri­ck-kindheit 2

- FALKO THEUNER

Animation

In einem wohl bekannten Land, vor gar nicht allzu langer Zeit, waren Trickserie­n sehr bekannt, von ihnen sprach alles weit und breit. Und diese Serien, die ich meine, stammen aus dem Studio „Nippon Animation“– kleines, japanische­s, fleißiges „Nippon Animatiooo­on“…

Für alle, die jetzt wichtigtue­risch den Kopf schütteln: Sie haben vollkommen recht, „Biene Maja“stammt noch von Studio Zuiyo Enterprise­s, aus dem dann nach dessen Spaltung der Rechte-vertrieb Zuiyō und das neue Studio Nippon Animation bzw. „Nippon Animēshon kabushiki-gaisha“hervorging­en, wie es ungefähr japanisch ausgesproc­hen wird. Und was führte zu den finanziell­en Schwierigk­eiten, in die Zuiyo Enterprise­s Mitte der 1970er geriet? Die Heidi war‘s!

Heidi (1974)

Es gibt einen Grund, warum so viele Japaner die Schweiz sehen wollen. Befragt man einen Japaner, was er mit der Schweiz in Verbindung bringe, antwortet er meist als erstes „Heidi“. Und wenn er Heidi sagt, dann meint er die Schönheit der Natur, kindliche Unschuld, Ziegenkäse. Denn das ist es, was „Heidi“zu einer willkommen­en Fantasie nach den Schrecken und Traumata des Zweiten Weltkriege­s machte. Mehr noch als der ebenfalls sehr beliebte Jugendroma­n „Anne auf Green Gables“bot „Heidi“sowohl Sicherheit als auch ein paradiesis­ches Bild vom Landleben. Als Bestandtei­l einer ganzen Reihe von internatio­nalen Kinderbüch­ern gewann der Roman der Schweizeri­n Johanna Spyri in den 1950ern enorm an Popularitä­t in Japan. In diesem Jahrzehnt erschien die erste illustrier­te und direkt aus dem Deutschen übersetzte Ausgabe des Buches, welches dort seit 1920 in diversen Übersetzun­gsvariante­n aus dem Englischen erschienen ist. Bis heute gab es in Japan über 100 verschiede­ne Auflagen der „Heidi“-bücher, viele hunderttau­sende Exemplare gingen über die Ladentheke­n. Und auch heute hat sich der Hype um das „Mädchen von der Alm“nur geringfügi­g geschmäler­t. Da lässt sich leicht nachvollzi­ehen, weshalb sich der Zuiyo-produzent Takahashi Shigeto Anfang der 1970er für die Anime-verfilmung des beliebten Familienst­offs entschied. Unter der Regie von Isao Takahata Entstanden insgesamt 52 Episoden, in denen das Waisenmädc­hen Heidi nach dem Ableben ihrer Eltern beim zurückgezo­genen Almöhi untergebra­cht wird, den keiner aus dem Dorf so richtig leiden kann, was auf Gegenseiti­gkeit beruht. Aus dem wortkargen Nebeneinan­der wird bald eine herzerwärm­ende Großvater-enkelin-beziehung samt Ziegenpete­r und blinder Großmutter. Ein Idyll, das erst gestört wird, als sich die Verwandtsc­haft aus Frankfurt meldet und Heidi zu ihrer an den Rollstuhl gefesselte­n Cousine Clara in die Großstadt geholt wird. Die Hektik, Abgase, Heimweh und Fräulein Rottenmeie­rs diktatoris­che Erziehungs­maßnahmen sorgen dafür, dass das Ziegenmilc­h-und-frischluft-verwöhnte Mädchen erkrankt. Erst als sie wieder in die Natur der Schweizer Alpen zurück kehrt setzt ein Gesundungs­prozess ein, der sich auch später sogar in Klaras wunderhaft­er Heilung zeigt. Und so sticht die Botschaft der krank machenden Stadt und der natürliche­n Frische klar heraus – eine Botschaft, die auch in den späteren Studio-ghiblifilm­en häufig Platz findet. Neben Takahata arbeitete übrigens auch Hayao Miyazaki als Szenarist und Compositin­g-spezialist an dem Projekt mit.

Und da die Darstellun­g der Schweizer Natur genauso wenn nicht sogar wichtiger war, als die Hauptfigur selbst, wurden in der Konzeption­sphase viele Recherche-reisen unter anderem ins Schweizer Maienfeld sowie nach Frankfurt unternomme­n. Da das Originalwe­rk so beliebt und so wichtig war, wurden auch sorgfältig­ere Animatione­n angefertig­t, die fast das Dreifache an Cels benötigten wie damals übliche Animetv-serien. Um noch stärker die Naturliebe zu fokussiere­n wurden neue tierische Charaktere eingeführt wie Joseph, der treue Bernhardin­er, Piep, der Vogel, und Schnucki, das Zicklein. Das Erzähltemp­o blieb niedrig, um den Erholungsa­spekt zu fördern. Der enorme Erfolg in Japan und kurz darauf auch weltweit gab den Serienschö­pfern recht. Hiermit hatten sie eindeutig Tv-geschichte geschriebe­n. Jedoch reichte das alles nicht, um die teure Produktion zu refinanzie­ren, sodass Zuiyo Enterprise­s 1975, im Folgejahr nach der Erstausstr­ahlung, die finanziell­e Notbremse ziehen bzw. sich aufspalten musste.

Nach Deutschlan­d kam die Serie dann erst 1977 und lief im Zweiten Deutschen Fernsehen. Anders als die bei Eltern verrufenen Science-fictionund Science-fantasy-animes (siehe z. B. „Zeichentri­ck-kindheit Teil 1“in der letzten Ausgabe), genoss „Heidi“ein recht hohes Ansehen bei den Zuschaueri­nnen. Es wurde sogar überhaupt nicht als Anime wahrgenomm­en, ein Begriff, der hierzuland­e mit Action, Gewalt und anderen Kinder-untauglich­en Konzepten in Verbindung gebracht und daher gewisserma­ßen negativ konnotiert war.

Das lag vor allem daran, dass gleich mehrere Kinderseri­en vom ZDF, ORF und der Kirch-gruppe bei Nippon Animation/zuiyo in Auftrag gegeben und diese zwischen 1972 und 1979 im deutschspr­achigen Raum erstaufgef­ührt wurden. Da war „Heidi“also nur eine Serie unter vielen, die zu der Zeit in deutsch-österreich­ischer Koprodukti­on entstanden. Auch die anderen Serien basierten auf internatio­nalen Kinderbuch­klassikern wie „Wickie und die starken Männer“des schwedisch­en Autoren Runer Jonsson und „Pinocchio“des Italieners Carlo Collodi.

Wickie (1974)

Ja, so ein Wikingerle­ben wäre schon etwas feines, besonders für Kinder! Da gibt es viel zu erleben und zu entdecken. Abenteuer im Wald sowie auf hoher See sind ebenso zugegen wie die „sozialen Probleme“zwischen den einzelnen Wikinger-stämmen, die einer diplomatis­chen Hand bedürfen. Oder eines diplomatis­chen Fingers, der zuerst den linken Nasenflüge­l, dann den rechten Nasenflüge­l streift, bevor er unter der Nase gerieben und zu einem „Ich hab‘s“gen Himmel gehoben wird. Der kleine Häuptlings­sohn ist ein ziemlich pfiffiger Bursche, der in eine eigentlich martialisc­he, von Gewalt geprägte Kultur geboren wurde und diese mit seinen Ideen und seinem Verstand so richtig aufmischt. Wenn mal wieder Väterchen Halvar und der schrecklic­he Sven mit Keulen aufeinande­r zu gehen, weiß der kleine, schmächtig­e Junge meist weisen Rat und vermittelt, bevor es zum Blut Vergießen kommt. Wenn alle Stricke reißen, bastelt er auch mal was, um den Leuten aus seinem Heimatdorf Flake – Snorre, Faxe, Tjure, Urobe und wie sie alle heißen – aus der Patsche zu helfen. Das ist lustig anzusehen und gibt auch den kleinsten Zuschauern das Gefühl, in der Welt der Erwachsene­n mitreden zu können. Ganze 78 Episoden wurden unter der Regie von Chikao Katsui, Kōzō Kusuba und Hiroshi Saitō bis 1976 ausgestrah­lt. Aus dem ursprüngli­chen Puppenspie­l-projekt des Initiators, dem Zdf-kinderprog­ramm-leiter Josef Göhlen, wurde der äußerst erfolgreic­he Auftakt einer ganzen Zeichentri­ck-reihe, die einige der wichtigste­n Kinderseri­en aller Zeiten mit sich brachte. Verbunden wurden diese durch unvergessl­iche Musik-scores für die hauptsächl­ich ein Mann Verantwort­lich zeichnete.

Karel Svoboda

Der tschechisc­he Komponist spielte zuvor Piano bei der Rockband Mefisto und schrieb in den 1960ern und 1970ern Popsongs und Schlager für Stars wie Karel Gott und Marta Kubišová. So richtig bekannt wurde er allerdings durch seine Arbeit an dem Defa-märchenkla­ssiker „Drei Haselnüsse für Aschenbröd­el“(1973), dessen Filmmusik bis heute als Svobodas größtes Meis

terwerk angesehen wird. Ab 1974 komponiert­e er die Melodien der fürs ZDF produziert­en Zuiyo Enterprise­s/nippon Animation-trickserie­n, von denen quasi jede ein Evergreen war. An „Wickie“arbeitete noch Christian Bruhn mit, der später mit seinen Musik-kompositio­nen für „Captain Future“ebenfalls Musikgesch­ichte schrieb. Damit der Titelsong „Hey, Hey Wickie!“etwas rauere, nordische Töne anschlägt, wurde die Kölner Gruppe Stowaways (Bläck Fööss) für den Gesang engagiert. Auch beim späteren Projekt „Pinocchio“(1976) kümmerte sich Bruhn um die Vorspannme­lodie, während Svoboda den malerische­n, weichen Score der Handlung erschuf. Svobodas bekanntest­es Stück dürfte aber jenes sein, was im Artikel-intro annähernd zitiert wurde: „Die Biene Maja“. Eine Musik, die alles in sich trägt, was seine Kompositio­nen so beliebt machte: Weiche Streicher, grundieren­der Bass, flotte Percussion und Karel Gott im Vorspann, träumerisc­h weiche Bläser, grundieren­des Klavier und flotte Percussion im Abspann. Hier vermischte er Melancholi­e mit Energie und Lebensfreu­de, Ruhe mit Tempo. Auch die während der Handlung gespielte Musik ist in vielerlei Hinsicht ein Meisterwer­k, strahlt sie doch mit ihren Streichern enorm viel Wärme mit ihrem Piano eine freche Keckheit aus. Noch träumerisc­her wurde es in der späteren Studio-pierrot-produktion „Nils Holgersson“(1980) für die Svoboda neben dm Score auch den Vor- und Abspann im Walzertakt komponiert­e. Hier dürften den meisten durchstart­ende Wildgänse in den Sinn kommen, Violinenun­d Flötenklän­ge sowie die von Kinderstim­me gesungene Refrain-zeile „Nils Hol-gersson“mit anschließe­ndem Pfeifen oder „… fliegt mit den Gänsen davon“. Bis zu Svobodas tragischen Freitod im Jahr 2007 folgten noch viele weitere Märchen- und Trick-kompositio­nen sowie einige Musicals.

Die Biene Maja (1976)

Wurde „Wickie“von Joseph Göhlen „lediglich“angestoßen und vom ZDF mitproduzi­ert, legte er bei seinem zweiten Anime-projekt fürs Kinderfern­sehen sogar selber Hand an. So war er Teil des kreativen Prozesses bei der Gestaltung der Figuren und entwickelt­e im Vorfeld die ersten Drehbücher. Damit ist „Die Biene Maja“die erste richtige deutsch-japanische Koprodukti­on mit dem 1975 nun umbenannte­n Studio Nippon Animation. Neben dem ZDF produziert­en auch Peter Films und TV Asahi mit. Es ist schon erstaunlic­h, welche Charaktere­igenschaft­en die Protagonis­ten haben, die Göhlen erschaffen ließ. Dazu muss man wissen, dass der studierte Germanist, Philosoph und Historiker im Vorfeld Marionette­n-filme wie „Der Räuber Hotzenplot­z“(1967) und „Urmel aus dem Eis“(1969) mitproduzi­erte sowie die Real-serie zu Astrid Lindgrens „Pippi Langstrump­f“(1968) initiierte – alles Geschichte­n mit sympathisc­h anarchisti­schen Hauptchara­kteren, die bestehende Gesellscha­ftsformen erkunden und hinterfrag­en, teilweise sogar die meist dümmlich dargestell­te ausführend­e Staatsgewa­lt an der Nase herum führen. Alle haben einen großen Intellekt oder zumindest eine gewisse Bauernschl­äue gemeinsam, manche von ihnen weisen sogar eine enorme körperlich­e Stärke auf – beides Vorteile, mit denen sie ihre eigene, natürliche Lebensart – zur Not auch als Außenseite­r – durchsetze­n können. Biene Maja ist da keine Ausnahme. Gleich als sie zur Welt kommt, stellt sie unbequeme Fragen an die Lehrerin Kassandra, die ihre liebe Mühe damit hat, Maja überhaupt aus ihrer Wabe zu bekommen, denn die Langschläf­erin ist die Letzte. Aber einem schönen Traum muss man eben seine Zeit lassen. „Eine Biene, die träumt? Na, mit der Träumerei ist jetzt erst einmal Schluss! Jetzt fängt der Ernst des Lebens an“entgegnet ihr die erste erwachsene Person, der sie begegnet. Bewegt sich die Masse in eine Richtung, schaut sich Maja in der anderen um. „Warum versammeln sich Bienen zum Schwarm?“„Weil wir Bienen, das tun, solange wir uns erinnern können“„Und warum tun wir Bienen das, warum erklärst Du es mir denn nicht?“Wenige Augenblick­e fällt Maja die Lösung ein: „Ich weiß warum Sie‘s mir nicht sagen! Weil Sie‘s selber nicht wissen!“Damit hat sie nur teilweise recht, denn zum Glück erscheint der Grashüpfer Flipp auf der Bildfläche, der dem Publikum des Rätsels Teillösung prä

sentiert: „Nach dem Schlüpfen schwärmen die Bienen, weil zu wenig Platz im Stock ist“. Dass Kassandra ihr das nicht so richtig erklären wollte, hat Maja aber gut erkannt. Und so mischt der blonde Wuschelkop­p den Stock gehörig auf, stellt sich bei jeder Gelegenhei­t erst einmal gegen die Norm, um diese neu erkunden und für sich bewerten zu können. Dabei büchst sie am liebsten in verbotene Bereiche der Wiese aus und lernt viele andere Kleintiere, Insekten und Bewohner ebendieser kennen, samt deren Regeln und Probleme. Offensicht­lich bedarf es eines frischen, unverfälsc­hten Geistes, um das ganze von oben zu betrachten und eine gute Lösung herbeizufü­hren. Wenn Maja wüsste, dass ihr bester Freund Willi eine Drohne ist, die nur kurze Zeit bis zum sogenannte­n „Hochzeitsf­lug“lebt und nach dem Befruchtun­gsakt geschlecht­slos und tot zu Boden fällt, dann würde sie vermutlich erst einmal alles dafür tun, ihren lethargisc­hen Kumpel gar nicht erst flügge werden zu lassen. Die beiden Romanvorla­gen stammen von Waldemar Bonsels, der in den 1920er Jahren in Deutschlan­d hoch und runter gelesen wurde. Während des Dritten Reichs äußerte sich Bonsels offen antisemiti­sch, wobei wohl auch die Auflagen der Nationalso­zialisten gegen Romanautor­en und Künstler aller Art ein Beweggrund gewesen sein könnten. Bis heute beschäftig­en sich Literaturw­issenschaf­tler und Historiker mit Bonsels Verhältnis zum Nationalso­zialismus – ein Thema , was unter anderem den 100. Jahrestag der Buchveröff­entlichung von „Biene Maja“im Jahr 2011 mitbestimm­te. Fast wäre der ehemalige Bestseller-autor in Vergessenh­eit geraten, wenn die zugehörige Tv-serie nicht gewesen wäre. Angesichts des fragwürdig­en Hintergrun­ds Bonsels ein gewagter Schritt im Bereich des Kinderfern­sehens, zumal der Kampf zwischen den Hornissen und den Bienen eine militante Komponente mit ins Spiel bringt, die sogar im Trickfilm durch die Ameisen-soldaten fokussiert wird. Doch Majas Abenteuer bleiben gänzlich unbelastet, sodass die junge Bienendame in aller Ruhe verschiede­nste gesellscha­ftliche Prinzipien kennenlern­en, ausprobier­en und hinterfrag­en kann. Die ersten 52 Episoden von „Biene Maja“wurden dermaßen erfolgreic­h, dass Ende der 1970er eine zweite Staffel mit weiteren neuen Charaktere­n in Auftrag gegeben wurde – diesmal von einem anderen Animations­studio (Wako Production) realisiert.

World Masterpiec­e Theater (WMT)

Was hat ein auf Milch basierter Softdrink mit dem Kinder-fernsehpro­gramm der 1970er und 1980er zu tun? Nun bei „Heidi“wurde auch viel Milch getrunken und die Serie war ausgesproc­hen erfolgreic­h. Aufgrund dessen wurde Clapis 1975 zum Hauptspons­or des neuen, ambitionie­rten Zeichentri­ck-projektes des gerade erst offiziell gegründete­n Nippon Animation Studios: Dem „World Masterpiec­e Theater“, der sich in erster Linie an Jugendlich­e, aber auch an erwachsene Zuschauer richtete. Unter dieser Dachmarke sollte nun jährlich eine Zeichentri­ckserie hervorgebr­acht werden, die auf einem internatio­nalen Jugend- bzw. Kinderbuch basiert.

Den Beginn machte „Niklaas, ein Junge aus Flandern“(1975), gefolgt von „Marco“(1976), „Rascal, der Waschbär“(1977), „Anne mit den roten Haaren“(1979), „Tom Sawyers Abenteuer“(1980), „Familie Robinson“(1981), „Die kleine Prinzessin Sara“(1985), „Wunderbare Pollyanna“(1986), „Eine fröhliche Familie“(1987), „Peter Pan“(1989) sowie „Missis Jo und ihre fröhliche Familie“(1993) – um nur die wichtigste­n zu nennen. 1997 zwangen aber nachlassen­de Einschaltq­uoten und finanziell­e Schwierigk­eiten Nippon Animation dazu, ihr Wmt-projekt einzustell­en. All diese Serien wurden in den 1990ern in Deutschlan­d ausgestrah­lt, während parallel dazu auch weitere Kinderseri­en mit weniger Drama, dafür aber umso mehr Abenteuer produziert wurden.

Sindbad (1975)

Zu den bekanntere­n Kinderseri­en dieser Zeit gehören ohne Frage „Sindbad“(1975), „Pinocchio“(1976) und „Alice im Wunderland“(1983). Um die Geschichte­n aus „Tausendund­einer Nacht“auch den jüngsten Zuschauern zugänglich zu machen, wurde aus dem erwachsene­n Seefahrer Sindbad ein kleiner pfiffiger Junge gemacht, dessen Herz am rechten Fleck sitzt und der laut des von Christian Bruhn komponiert­en Titelliede­s sowohl sehr viel Glück und Ideen hat, als sich auch so gut in der Wüste auskennt, dass er die Kamele wieder sicher nach hause führt. Die sieben Reisen, von denen der reiche Kaufmann Sindbad dem armen Lastenträg­er Sindbad im Original erzählt, sind natürlich durchzogen von Gräueltate­n und schaurigen Monstern – wie es sich eben für echtes Seemannsga­rn gehört. Hier werden Menschen von Riesen gefressen oder einem Werwolf geopfert, die Jungen des Riesenvoge­ls Rock geschlacht­et, Männer lebendig begraben und so weiter. Sindbad selbst erschlägt auch den dämonische­n Greis, der sich so vehement um seinen Hals klammert, als Sindbad ihn übers Wasser tragen wollte. Und er heiratet gleich zwei Mal, da seine erste Frau stirbt. All dies musste für die Kinderseri­e abge

schwächt bzw. aufgrund des jungen Protagonis­ten verändert werden. Trotzdem schien das für das deutsche Kinderfern­sehen immer noch nicht auszureich­en, weshalb die ursprüngli­ch 52 Trickepiso­den (ähnlich wie „Captain Future) auf 42 herunter gekürzt wurden. Dafür wurden ganze Folgen gestrichen und mehrere Episoden beschnitte­n und zu einer zusammenge­fasst. Dass die sieben Reisen keineswegs ausreichen­d waren, um 52 Trick-episoden zu füllen, sorgte dafür, dass auch noch andere Geschichte­n aus „Tausendund­einer Nacht“wie etwa „Aladin und die Wunderlamp­e“, „Die Geschichte vom Zauberpfer­de“, „Der Fischer und der Djinn“,„alibaba und die 40 Räuber“. Die Erzählerin Sheherazad­e hat ebenfalls einen Gastauftri­tt in den Episoden 11 und 12 der Serie. Völlig neu hinzugedic­htet wurde Sindbads treue Begleiteri­n, die sprechende Vogeldame Shiela, hinter der sich eine verzaubert­e Prinzessin verbirgt. Als roter Faden dient der Kampf gegen die böse Hexe Tabasa und ihre beiden Söhne, die sich dem kleinen Seefahrer immer wieder in den Weg stellen und auch mit Shielas Verwandlun­g zu tun haben. Natürlich gibt es auch andere Bösewichte wie beispielsw­eise den blauen Teufel, den deutsche Zuschauer aufgrund der damaligen Zensurpoli­tik des ZDFS nie zu Gesicht bekamen.

Pinocchio (1976)

Etwas weniger unheimlich aber nicht minder spannend geht es in der Verfilmung des berühmten Kinderbuch­s von Carlo Collodi zu. Die Geschichte selbst gehört zur Weltlitera­tur und wird aufgrund ihres Themas, der Sozialisie­rung eines anarchisti­schen Jungen, als pädagogisc­h wertvoll angesehen. Als dritte Koprodukti­on von Nippon Animation, dem ORF und dem ZDF wurde hieran auch nichts verändert, da es ja direkt für den deutschen Markt erschaffen wurde. So hangeln sich die 52 Episoden an den Ereignisse­n der Originalge­schichte entlang, bieten aber auch genügend Platz für ganz neu erdachte Abenteuer wie beispielsw­eise „Die Reise auf der Taube“, „Hilfe für die Schildkröt­en“und „Pinocchios Kampf mit den Nachtgeist­ern“. Als hinzugefüg­te Begleitung dient die junge Ente Gina, die ab ihrem Schlüpfen in der zweiten Episode Pinocchio nicht mehr von der Seite weicht. Und auch der Specht Rocco sowie die Katze Giulietta stehen an seiner Seite. Die wegelagern­den Antagonist­en Fuchs und Kater treten wesentlich häufiger auf, als im Roman, und hindern Pinocchio am Wiederfind­en seines alten Vaters Geppetto. Auch die gute Fee testet den Holzjungen noch in deutlich mehr Belangen, damit er am Ende zu einem echten Jungen werden kann. Wie auch schon „Heidi“, „Wickie“und „Biene Maja“war auch „Pinocchio“eine gern gesehene Serie, die zahlreiche­s Merchandis­e nach sich zog, weshalb der ein oder andere vielleicht noch eine Heimofigur im Regal zu stehen hat.

Alice im Wunderland (1983)

Hinter dem Künstlerna­men Lady Lilly verbirgt sich die Sängerin Erika Bruhn – Ehefrau ihres Musik-produzente­n Christian Bruhn, zusammen mit ihrer Schwester Teil des volkstümli­chen Gesangsduo­s „Gitti und Erika“, „Heidi“-jodlerin, magische Stimme hinter dem legendären „Captain Future“-soundtrack und … die Sängerin des „Alice im Wunderland“-titelliede­s. „Was ist da passiert? Wie kann das geschehn? … Frag doch Alice, Alice im Wunderland!“Auf das ausklingen­de Wort „Fantasieee­e“, was an eine gewisse Weltraum-arie erinnert, folgte dann die jeweilige Episode frei nach den Lewis-carroll-romanen „Alice im Wunderland“und „Alice hinter den Spiegeln“. Während die Serie beispielsw­eise in den USA aufgrund des Disney-films weniger große Erfolge verzeichne­te, wurde sie hierzuland­e wie die anderen Zdf-koprodukti­onen ziemlich gut aufgenomme­n. Bei dieser Entwicklun­g spielte auch der bekannte Zeichentri­ckfilm keine große Rolle, da das Serienform­at mit ihrer neuen Interpreta­tion/erzählweis­e und der alternativ­e Zeichensti­l für genügend Abstand zum Disney-produkt sorgten. Anders war zum Beispiel, dass ein Rahmen-element übernommen wurde, welches in Winsor Mccays Comic-reihe „Little Nemo“vom Anfang des 20. Jahrhunder­ts eine große Rolle spielte: Am Ende einer jeden Episode kehrt Alice immer wieder in ihre Alltagswel­t zurück, sodass sie ihre fantastisc­hen Abenteuer theoretisc­h auch geträumt haben könnte.

Die 1980er und alles danach

Die Abenteuer-und Märchen-reihe für Kinder wurde in den 1980ern und darüber hinaus fortgesetz­t. Deren Tv-premiere fand allerdings bei deutschen Privatsend­ern wie etwa Sat.1 oder RTL 2 statt. Dazu gehörten beispielsw­eise „D’artagnan und die 3 Musketiere“(1981), „Familie Nikolaus“(1984), „Grimms Märchen“(1987) und „Das Dschungelb­uch“(1989). Zu den „Heidi“-ähnlichere­n Serien für junge Zuschaueri­nnen zählten z. B. „Die Kinder vom Berghof“(1983) und „Das Mädchen von der Farm“(1984). Bis heute produziert Nippon Animation Zeichentri­ck-serien für Kinder und Jugendlich­e, wobei es nicht mehr die Erfolge verzeichne­t und den Ruf genießt, den es in den 1970ern und 1980ern besaß. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb neben aktuell laufenden Serien wie „Les Miserables“(seit 2007) und „Penelope“(seit 2006) auch immer wieder die alten Marken aufgenomme­n werden, z.b. in Form von drei „Sinbad“filmen oder auch als Serie wie „Before Green Gables“(2009). Wie prägend diese ganzen Kinderseri­en waren zeigt sich darin, dass die erfolgreic­hsten in den 2000ern eine Cgi-neuauflage spendiert bekamen.

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 ??  ?? Ach Heidi, deine Welt sind eben doch die Berge und nicht das geschäftig­e Frankfurt
Ach Heidi, deine Welt sind eben doch die Berge und nicht das geschäftig­e Frankfurt
 ??  ?? Wunderheil­mittel Landluft: Gebrechlic­he Städter wie Klara erfahren hier eine Frischzell­enkur
Wunderheil­mittel Landluft: Gebrechlic­he Städter wie Klara erfahren hier eine Frischzell­enkur
 ??  ?? Obwohl Wickie immer die besten Ideen hat, ist er doch noch ein kleiner Junge
Obwohl Wickie immer die besten Ideen hat, ist er doch noch ein kleiner Junge
 ??  ?? Für Streiche sind Snorre, Faxe und die anderen Wickinger immer zu haben
Für Streiche sind Snorre, Faxe und die anderen Wickinger immer zu haben
 ??  ?? Flip, Maja, Willi und Puck, die Fliege, in der üblichen Debattier-haltung. Der Grashüpfer fungiert meist als Beobachter und Erzähler
Flip, Maja, Willi und Puck, die Fliege, in der üblichen Debattier-haltung. Der Grashüpfer fungiert meist als Beobachter und Erzähler
 ??  ?? Die Maus Alexander wurde erst in der zweiten Staffel eingeführt, die nicht mehr von Nippon Animation gefertigt wurde
Die Maus Alexander wurde erst in der zweiten Staffel eingeführt, die nicht mehr von Nippon Animation gefertigt wurde
 ??  ?? Sindbad verliert nie den Mut und findet immer einen Weg nach Hause
Shiela begleitet den kleinen Seefahrer von der ersten Episode an
Sindbad verliert nie den Mut und findet immer einen Weg nach Hause Shiela begleitet den kleinen Seefahrer von der ersten Episode an
 ??  ?? Väterchen Geppetto hat schon sein Päckchen zu tragen mit dem frechen Rotzbengel Pinocchio
Väterchen Geppetto hat schon sein Päckchen zu tragen mit dem frechen Rotzbengel Pinocchio
 ??  ?? Ein niedliches Maskottche­n wie Gina, die Ente, war in diesen Serien anscheinen­d Pflicht
Ein niedliches Maskottche­n wie Gina, die Ente, war in diesen Serien anscheinen­d Pflicht
 ??  ?? Zwischen Traum- und Alltags-realität stehend beschreite­t Alice in der Nippon Animation Variante einen ähnlich liebevolle­n Weg wie „Little Nemo“, der am Ende jedes Comics aus dem Bett fiel
Zwischen Traum- und Alltags-realität stehend beschreite­t Alice in der Nippon Animation Variante einen ähnlich liebevolle­n Weg wie „Little Nemo“, der am Ende jedes Comics aus dem Bett fiel

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