Farben der Leidenschaft
Man möchte den Vater wütend Schütteln, der seinen kleinen Sohn dermaßen vor versammelter Mannschaft vorführt, dass dieser nach der Demütigung Selbstmord begeht. Daraufhin fällt dem alten Herrn nichts besseres ein, als seiner kleinen Tochter die Schuld daran zu geben und auch diese in Verzweiflung zu stürzen. Yun-jeong (Han Myung-goo) hat das malerische Geschick ihres Vaters, einem der größten Hofmaler des Landes, geerbt. Allerdings ist es im Korea des 18. Jahrhunderts verboten, dass sich Frauen künstlerisch betätigen, weshalb das Mädchen ihrem Bruder mit ihren Zeichnungen unter die Arme griff. Und das soll nun eine dermaßen große Schmach gewesen sein, dass sich der Junge aus Verzweiflung den Strick nahm, wobei der Vater nicht einmal ansatzweise den Gedanken hegt, die Ursache bei ihm und den Gesetzen des Landes zu suchen. Um seinen größten Widersacher am Hofe, den Künstler Kim Hong-do (Kim Yeong-ho), zu stürzen, wollte er eigentlich seinen Sohn als Schüler zu ihm schicken, damit ihn dieser eines Tages übertrumpfen könne. Doch nun muss sich seine Tochter Yun-jeong als Junge verkleiden und in die Lehre gehen, die ihr vom Staat auf den Tod verboten wird. Jahre später ist aus dem Mädchen eine Frau geworden, die ihre Weiblichkeit unter Kleidungsschichten und einem Hut verstecken muss. Den Stil ihres Meisters hat sie bereits perfekt verinnerlicht und auch sonst fertigt sie makellose Kopien großer Kunstwerke an. Als der König seinen Hofmalern Bilder über die Schönheit der Arbeit in Auftrag gibt – denn er sieht die Kunst als zweckmäßiges Handwerk an, das die Moral des Volkes heben soll – legt Hong-do seiner Schülerin nahe, die Umgebung und den Arbeitsalltag der Menschen zu studieren, damit Yun-jeong einen eigenen Stil entwickelt. Gesagt, getan!
Sexuelle Stellungen von Qing
Ihre Bilder bleiben fade, bis sie den armen Spiegelmacher Kang-mu (Kim Nam-gil) kennenlernt, der ihre erste große Liebe werden soll. Einhergehend mit einem durch die Liebe erwachten Auge für das Besondere schafft sie nach sorgfältigem voyeuristischem Studium Werke wie „Badende Frauen“, „Ein geheimes Treffen unter dem Mond“, „Die Lust der Witwe im Frühling“und „Der Held im Bordell“, die ganze Geschichten erzählen sowie die menschliche Lust als etwas natürliches darstellen. Auch die Selbstwahrnehmung durch Kang-mus kunstvolle, selbst gegossene Metallspiegel und das Aufkommen der ersten industriell gefertigten Glasspiegel spielt dabei eine große Rolle. Obwohl die Betrachter sichtlich angetan von ihren Werken sind, bringen die Gemälde den Stein des Anstoßes ins rollen. „Der Busen einer Frau muss immer bedeckt sein, außer beim Stillen!“schnauzt einer der graubärtigen Gelehrten der Kunstschule, bevor er vom König die strenge Bestrafung Yun-jeongs fordert. Noch so ein Schüttelkandidat! Der Konflikt zwischen der Natürlichkeit
ausgelassener Liebe und dem menschlichen Ordnungssinn hat damit jedoch erst begonnen.
Verfall der moralischen Tugendhaftigkeit
„Farben der Leidenschaft“ist selbst ein Kunstwerk, das die Ästhetik und Erotik in ihren schönsten Formen kultiviert. Den Augen des Publikums wird die Schönheit des weiblichen Körpers, des Sex und der Liebe vorgeführt, während die konservativen Unterdrückungsmechanismen des Königshauses als Störfaktoren gelten, dessen Motiv im Erhalt des vorherrschenden Klassensystems liegt. An dem langsamen Sinneswandel des Meisters Hondo und sogar des Vaters von Yun-jeong wird die Anschuldigung der Vulgarität als Lüge enttarnt, malt Yun-jeog doch eigentlich nur das, was tatsächlich im Geheimen überall stattfindet und die reine Wahrheit sowie die ultimative Schönheit darstellt. Der Mensch ist ein triebhaftes Wesen und kein kultiviertes Gedankenkonstrukt. Zugleich lässt sich aber nicht bestreiten, dass sich in den 108 Minuten Laufzeit besonders zum Ende hin überbordene Tragik sowie hyperromantisches Pathos den Weg an die Oberfläche bahnen, samt theatralisch geschwollener Dialoge. Untermalt von klassischer Guzheng- und Shamisen-musik wirkt diese gekünstelte Theatralik und Bühnenästhetik aber organisch und man nimmt sie dank der gemäldegleichen Bildkompositionen gerne in Kauf. Nicht nur die Bilder Yun-jeongs übernehmen das Sprechen. Aufbau und Stil des im Film Gezeigten erinnern an traditionelle koreanische Kunst, die mit modernsten Kameras sehr farbenfroh sowie kontrastreich eingefangen wurde.