Rick and Morty
Fliegt ein betrunkener Großvater im weißen Kittel mit seinem 13-jährigen Enkel durchs Weltall und hat eine Reifenpanne. Was sich zunächst anhört wie ein alkoholgetünchter Witz, ist ein Science-fiction-kracher, der mittlerweile bereits in die 4. Runde geht… Science-fiction/animation
OT: Rick and Morty L: US J: 2020 V: Warner Bros. B: 1.78 : 1
T: DD 2.0, DTS-HD MA 5.1 (engl.) R: Bryan Newton, Erica Hayes u. a. S: Kai Taschner, Tim Schwarzmaier, Ilena Gwisdalla, Claus-peter Damitz LZ: 10 × 22 min FSK: 16 W-cover: nein
VÖ: 26.08.21 ×1 Extras: 3,5/10
Rick Sanchez muss sich als exzentrischer wie gleichfalls überaus genialer Wissenschaftler so einiges anhören. Er sei verrückt, impulsiv, alkoholabhängig, überheblich und bringe ausnahmslos jeden, vor allem seinen Enkel Morty, immer wieder in Lebensgefahr. Gut, damit mag seine Familie auch nicht so ganz Unrecht haben. Aber was will man machen, wenn die Genialität schon aus sämtlichen Öffnungen trieft und in der Garage ein Raumschiff parkt? Im Haus seiner Tochter Beth lebend, bleibt Rick für seinen Loser von Schwiegersohn namens Jerry und dessen trivialem Leben meist nur ein Augenrollen (und ein Rülpser) übrig. Seine Enkelin Summer ist 17 Jahre und im Grunde mehr an ihrem Lifestyle und ihrem Handy als an allem anderen interessiert. Und so ist vor allem der kleine Morty ins Visier seines Opas geraten und wird regelmäßig als Partner geschnappt und in die Weiten diverser Parallelwelten enführt. Obwohl Morty zwar nicht viel von der Genialität seines Großvaters abbekommen hat, sitzt sein Herz am rechten Fleck. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch folgt er seinem Opa in die abstrusesten Abenteuer, deren Hintergründe ihm oft erst während der drohenden Gefahr erläutert werden. Denn ihre Eskapaden in Zeit und Raum bleiben selten folgenlos, was speziell der gutmütige Morty oft genug zu spüren bekommt. Es liegt eben nur ein Schmaler Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Oder wie viele Tode kann eine einzelne Person in knapp 22 Minuten schon sterben? Doch auch der Rest der Familie ist nicht immer sicher vor Rick Sanchez. Wenn sie Glück haben, werden sie zumindest nicht irgendwo auf einem fremden Planeten voll explodierender Alienwirte vergessen. Aber auch wenn der alte Zausel es vehement bestreitet, ist er um das Wohl seiner Familie besorgt – zumindest so halbwegs.
ZURICK in die Zukunft
Wenn Rick Sanchez zu einem Abenteuer aufbricht, verspricht das alles außer Gewöhnlichkeit und Langeweile. Seit 2013 düst und rülpst Rick schon mit seinem einfältigen Enkel durch verschiedene Welten, wobei alle Folgen ausnahmslos den Charme eines knallbunten, rasanten Fiebertraums aufweisen. Keine Zeit zum Fragen stellen, denn Rick ist schon mindestens drei Schritte voraus. Beim Anblick des verrückten Wissenschaftlers Rick im weißen Kittel und seinem Enkel Morty scheint der leichte Hauch von „Zurück in die Zukunft“(1985) auf der Zunge zu liegen. Tatsächlich hatte Drehbuchautor und Synchronsprecher Justin Roiland anfänglich einen animierten Kurzfilm mit Namen „The Real Animated Adventures of Doc and Mharti“kreiert und somit eine schamlose Parodie über keine geringeren als die beiden Protagonisten der Filmreihe „Zurück in die Zukunft“, Marty Mcfly und sein Mentor Dr. Emmett L. Brown, im Kopf. Kurze Zeit später tat er sich mit Drehbuchautor und Schöpfer der Serie „Community“, Dan Harmon, zusammen und entwickelte auf Basis des Kurzfilms die abgedrehte Animationsserie „Rick and Morty“. Co-creator Roiland hatte im Vorfeld bereits als Synchronsprecher kleinere Sprechrollen in bekannten Animationsserien wie „Gravity Falls“und „Adventure Time“übernommen, die gleichermaßen durch wilde Handlungen weitab der Realität auffallen. Auch bei seinem Kurzfilm hatte Roiland bereits die Sprechrollen von Rick Sanchez und Morty Smith übernommen, wodurch es außer Frage stand, wer im englischen Original beiden in der anstehenden Serie seine Stimme verleihen würde. In der 10 Folgen
umfassenden 4. Staffel haben sich die kreativen Köpfe hinter der Zeichentrickserie wieder einmal gewaltig austoben dürfen.
Todeskristalle, Meeseeks und Elon Musk
Die je ca. 22 Minuten kurzen Episoden sind vollgestopft mit irrwitzigen Figuren und sprunghaft wechselnden Handlungsorten, wobei Logik bitte gar nicht erst gesucht werden sollte. Da ist ein Angriff von rassistischen Weltraumschlangen noch das Normalste. Und die Weihnachtsdekoration am Haus anzubringen, wird zu einem lebensgefährlichen Abenteuer, bei dem Schuhe die wichtigste Komponente darstellen. Einen Planeten vermeintlich zu schwängern, verlangt von Rick und seiner Familie noch einmal ein ganz anderes Potenzial ab. Das Wissen um die Weite des Weltalls mit all seinen versteckten Windungen ist eben kein Zuckerschlecken. Verständlich, dass da selbst ein überdrehter Wissenschaftler wie Rick mal einen Rückzugsort benötigt, den er in der Episode „Das stillste Örtchen“mit allen Mitteln zu verteidigen versucht.
Wie auch in den vorangegangenen Staffeln spielt die Serie mit Bezügen zur Popkultur und berühmten Persönlichkeiten, wenn sie etwa Morty auf seinem eigenen Hausdrachen „Game of Thrones“-style mäßig durch die Lüfte reiten lässt oder Rick seine alte Bekannte, eine mit Hauern ausgestatteten Elon-musk-version begrüßt. Nicht nur thematisch sind die Handlungen vollgestopft mit hemmungslos überspitzten Anspielungen auf andere Science-fiction-klassiker wie „Star Wars“, „Alien“oder „Snow Piercer“. Sogar der Weihnachtsfilm „Polar Express“und ein geschichtsträchtiger Flugzeugabsturz in den Anden 1972 werden aufgegriffen. Zumeist lohnt sich ein genauer Blick auf den Hintergrund und die Requisiten der Serie, um so zum Beispiel nicht die dreibrüstige „Total Recall“-dame vom Mars zusammen mit Yoda an der Bar zu verpassen. Es gibt also in Staffel 4 wieder so einiges zu entdecken und Freunde von Easter Eggs könnten möglicherweise in völlige Ekstase geraten. Doch für ein Wiedersehen mit alten Bekannten wie den fröhlichen, aufgabenerfüllenden Mr. Meeseeks und Überschneidungen mit anderen Folgen zurückliegender Staffeln bleibt noch Zeit. Das Staffelfinale schlägt überraschend andere Töne an und lässt den Zuschauer, wie Rick auf dem Cover der Blu-ray, mit offenem Mund zurück.
Alles Schick in der Physik
„Rick and Morty“begeistert mit tiefschwarzem Humor und Sciene-fiction-ideen, die sicherlich auch H.P. Lovecraft gefallen hätten. Mit der Fsk16-freigabe dürfte klar sein, dass Rick und Morty nicht gerade kindgerechte Abenteuer erleben. Wobei Rick tatsächlich auffällig weniger hemmungslos in die Kamera rülpst oder Sabber an seinem Kinn sehen lässt. Kehrt sich Rick eventuell sogar langsam vom Alkohol ab? Die Bilderwelt von „Rick and Morty“ist hingegen wie immer knallig und bunt mit unglaublich vielen Details im Hintergrund, die dank sehr guter Schärfe einwandfrei zu erkennen sind. Statt eines Wendecovers wartet die Blu-ray, wie bereits bei den vorangegangenen Veröffentlichungen, im Inneren mit einem Artwork auf, das sich auf eine kurze Szene der aktuellen Staffel mit Morty und Chachi bezieht. Als Bonus finden sich einige kurze wie interessante Einblicke hinter die Kulissen der Produktion mit „Ein Tag bei Rick and Morty: Hinter Staffel 2“(9 min.), „Making of Snake Jazz“(2 min.), „Rick and Morty – Regie“(3 min.), „Samura und Shogun“(5 min.), „Requisitendesign“(3min), „Figurendesign“(2 min.) und „Animationstechniken“(2 min.). Zusätzlich gibt es zu jeder einzelnen Episode ein knapp 2 Minuten langes „Hinter der Episode“, das manches Mal informativ und manches Mal einfach nur genauso verwirrend wie die Folge selbst ist.