The Investigation – Der Mord an Kim Wall
Für den dänischen Polizeiermittler Jens Møller (Søren Malling) beginnt der 11.08.2017 wie jeder andere Arbeitstag mit der üblichen Besprechungsrunde, in der die potenziellen und anstehenden Ermittlungen angerissen werden. Zwischen einer Massenvergewaltigung und einigen Schießereien kommt ein skurriler Vermisstenfall zur Sprache: Der Freund der Vermissten hätte ihr Verschwinden gemeldet, nachdem sie am Vortag in journalistischer Tätigkeit an Bord eines selbst gebauten U-bootes gegangen sei, um den Konstrukteur zu interviewen. Das U-boot sei ausgelaufen. Seitdem habe er nichts mehr von ihr gehört. Später am Tag erhält Møller den Anruf, das U-boot sei wieder aufgetaucht, alles wäre ok, nur um kurz darauf von anderer Stelle über das Gegenteil in Kenntnis gesetzt zu werden. Das Gefährt sei plötzlich gesunken, der Fahrer entkommen, weshalb er nun festgesetzt wurde. Seiner Aussage nach hätte er die schwedische Journalistin wieder an Land abgesetzt, bevor er weitergefahren wäre. Von ihr fehlt jedoch jede Spur. Die Polizei befürchtet einen Mord. Kim Wallers Eltern hoffen, dass sie lebt.
Wer 2017 Nachrichten geschaut hat, wird bereits von dem Kim-waller-fall gehört haben und auch von dem Ergebnis der langwierigen Ermittlungen bzw. dem Urteilsspruch gegen den mutmaßlichen Mörder. Im Prinzip weiß man also, wie die sechsteilige Krimiserie ausgehen wird, kennt aber nicht den Weg, der dorthin führte, und auch nicht die Menschen, die ihn beschritten haben.
Nahe an den Betroffenen
Dadurch, dass die Ereignisse vor wenigen Jahren geschahen, stand der dänische Drehbuchautor,
Serienschöpfer und Regisseur Tobias Lindholm vor der schwierigen Aufgabe, jene in seiner Krimiserie so wirklichkeitsnah und respektvoll gegenüber dem Opfer und den Hinterbliebenen darzustellen wie nur irgend möglich. Hierfür suchte er das Gespräch sowohl mit dem echten Jens Møller Jensen als auch mit den echten Ingrid und Joachim Wall, die bei dem Serienprojekt bereitwillig mithalfen. Gedreht wurde an Originalschauplätzen sowie mit den echten Bergungshelfern und Tauchern. Die Handlung lässt die Zuschauer genauso im Unklaren wie die ermittelnde Polizei und folgt in erster Linie Jens Møller und seinem Ermittler-team, das sehr methodisch und gewissenhaft dargestellt wird. Zugleich wird aber auch Møllers unter dem Fall leidendes Privatleben gezeigt sowie die zunehmend persönliche Beziehung zu dem Wall-ehepaar. Ganz ungewöhnlich für solch eine Krimiserie ist die Darstellung des Hauptverdächtigen, der komplett ausgeblendet wird. Anstatt ihn direkt zu zeigen, hören die Zuschauer lediglich Ergebnisse der Befragung oder Aussagen seiner Angehörigen. Man kann die narrative Lücke als elementares Stilmittel sehen, als einen klaren Gegenentwurf zu medial mystifizierten Superkillern, die einen „perfekten Mord“ begangen haben. Nein, hier geht es nicht um den Täter, sondern allein um die namensgebende Ermittlung und um alle daran Beteiligten. Wie der Prolog anhand eines anderen Mordfalls zeigt, ist das Finden und Vorlegen einwandfreier Beweise ausschlaggebend vor Gericht, welches die 14 Stunden zwischen dem Ab- und Anlegen des Uboots lückenlos rekonstruieren muss. Obwohl die Serie auch einiges Privates beleuchtet und Zeit für Menschlichkeit lässt, steht die logisch nachvollziehbare Vorgehensweise im Vordergrund. Anders als z. B. HBOS brillante „True Detective“-serie, bei der sich alles um Stimmung und Charakterentwicklung dreht, sucht „The Investigation“akribisch nach Antworten zu den realen Vorkommnissen. Gleichwohl erforscht es die Ermittlerarbeit, die weit über die normale Polizeiarbeit hinausgeht. Das fünfminütige Making-of und ein genauso langes Featurette liefern trotz der Kürze einen ziemlich guten Eindruck von den Dreharbeiten sowie der realen Person Jens Møller.