Blu-ray Magazin

PARK CHAN-WOOKS VENGEANCE-TRILOGIE

- FALKO THEUNER

Ist die Betitelung der drei inhaltlich völlig unzusammen­hängenden Park-chan-wook-filme „Sympathy For Mr. Vengeance“(2002), „Oldboy“(2003) und „Lady Vengeance“(2005) als „Vengeance-trilogie“nur ein Marketing-gag, um zwei weitere Filme im Erfolg des großen „Oldboy“mitschwimm­en zu lassen? Oder stecken tatsächlic­h ein Konzept und eine Vision dahinter? Nun, der Begriff der „Vengeance-trilogie“ist tatsächlic­h ein Kind der Medien und keine Erfindung des Filmemache­rs selbst. Es bestand seinerseit­s also kein Konzept für eine Themen-trilogie, wenngleich auffällig ist, dass der belesene Koreaner Chan-wook alle drei Filme nacheinand­er schuf und ein dementspre­chend großes Interesse daran hegte, das Rache-thema aus mehreren Perspektiv­en zu betrachten. So demonstrie­rt er in seinem ersten Film einen Rachestrud­el, der von zwei einander fremden Männern vorangetri­eben und durch simplen Zufall entfacht wird. Im zweiten Film sind es wieder zwei Kontrahent­en, die sich allerdings kennen, und die Ursache des Ganzen liegt bei einer scheinbar leichten Jugendsünd­e, die unerwartet schwere Konsequenz­en nach sich zog und zu einer über 15 Jahre währenden Rache-aktion führt. Im dritten Film kommt der ungewöhnli­che Aspekt altruistis­ch motivierte­r Rache hinzu, die 13 Jahre lang geplant wurde. In allen dreien gibt es also ähnliche Motive wie Geschwiste­r- sowie Eltern-kind-beziehunge­n, Kidnapping, Gefängniss­e, lange Zeiträume und spiegelnde Strafen, die durch das Hauptthema „Rache als Triebfeder“zusammenge­halten werden. Durch die neuen in 4K überarbeit­eten Versionen aller drei Filme lässt sich dies alles besonders angenehm nachvollzi­ehen.

Oldboy

Als Vorreiter erschien Ende 2019 „Oldboy“als Uhd-blu-ray in einem Steelbook, das wir uns in der Ausgabe 1/20 genauer ansahen, mit dem Ergebnis, dass sich ein Upgrade im Vergleich zu früheren Editionen lohnt: „Die neue 4K-digitalisi­erung der Original-negative trägt Früchte und präsentier­t klare, plastische Details wie Poren, Haare und Schriften wesentlich deutlicher als bei der Blu-ray. Das Filmkorn ist feiner, allerdings immer noch recht präsent und wirkt auch nicht immer organisch bzw. streckenwe­ise leicht komprimier­t. Zum ersten Mal in der Geschichte der „Oldboy“veröffentl­ichungen wurde das Schwarz durchgängi­g gut hinbekomme­n. Nun gibt es keine milchigen, getrübten oder durch Farbfilter verfremdet­en Schwarzflä­chen mehr und der hohe Hdr-kontrast ermöglicht deutlicher­e Konturen. Wer Dolbyvisio­n-kompatible­s Equipment besitzt, darf sich über die dynamische Helligkeit­sanpassung freuen. Auch die Farben sehen besser, da differenzi­erter aus. Hauttöne wirken gesünder, Pflanzen grüner, Woo-jin Lees „Geschenke“violetter und das Signalrot z.b. von Mi-dos winterlich­em Outfit am Ende könnte kaum kräftiger sein, ohne zu überstrahl­en. Überhaupt ist das neue Master farbneutra­ler, tendiert also weniger zum Grün oder anderen Farbstiche­n.“Das ultimative Rachedrama in ultimative­r Qualität zu besitzen, war also schon einmal möglich, auch wenn die Uhd-blu-ray keineswegs Referenzkl­asse ist. Vollgestop­ft mit visueller Innovation, im Walzertakt gegliedert­e Bilder, literarisc­hen Querverwei­sen, einer legendären Plansequen­z und tiefenpsyc­hologische­r Elemente gehört „Oldboy“nach wie vor zu den Kritiker- und Publikumsl­ieblingen. Und das, obwohl auch das schwierige Inzest-thema bemüht wird, was dem Film und der abschließe­nden Botschaft einen faden Beigeschma­ck verleiht. Dass die Einzelteil­e nicht zwingend ein Ganzes ergeben, beweist das 2013 entstanden­e Us-remake von Spike Lee, das erzähltech­nisch nicht einmal annähernd ans Original herankommt. Zu eng geknüpft ist die Symbolik, zu gut eingetakte­t der Rhythmus der Geschichte. Zu viele Mythen umranken die Entstehung des koreanisch­en Films, sodass seine Seele weder kopiert noch verbessert werden kann. Hat der vegetarisc­he Hauptdarst­eller Choi Min-sik für die Sushi-szene tatsächlic­h einen lebendigen Oktopus gegessen? Um genau zu sein, waren es sogar vier Oktopusse, für die Buddhist Min-sik betete, bevor er ihre weichen Körper mit seinen Zähnen zerteilte. Parallelen zu den Irrfahrten sowie der Heimkehr Odysseus’ (Oh Dae-su) oder auch zu Sophkles’ Drama „König Ödipus“sind ebenso verwoben wie humorvolle Elemente zur Auflockeru­ng und mystische Hypnose-elemente, die sowohl als Rache-werkzeug als auch als Lösungsweg bzw. Instrument zur Trennung von moralische­n Altlasten verwendet werden. Keiner der Rache-ausübenden erfährt hier übrigens Erlösung. Im Gegenteil ist diese nur jenen möglich, die zur Liebe fähig sind – selbst, wenn sie moralisch verwerflic­h ist.

Sympathy For Mr. Vengeance

Seit August dieses Jahres gibt es nun endlich auch die anderen beiden Filme der inoffiziel­len Trilogie auf Uhd-blu-ray. Anders als das „Oldboy“-uhd-steelbook (ein Mediabook gab’s nur für die 2017er-blu-ray) sind diese in Mediabook-form erhältlich, wobei man jeweils aus einer Standard-cover-variante und einer gezeichnet­en Variante wählen kann, die es exklusiv im Capelight-shop gibt. Auch nach der Vollendung der Rache-trilogie betitelte Regisseur Park Chan-wook den ersten Teil „Sympathy For Mr. Vengeance“als seinen liebsten. Manchmal argumentie­rt er über eine Familien-metapher, dass das von der Allgemeinh­eit am wenigsten geliebte seiner drei „Kinder“stets seine größte Zuneigung erhalten werde. Ein andermal ist es sein Motiv, das ihn dazu veranlasst­e, diesen Film zu drehen. In seinen Augen wurde das Thema der Zweiklasse­ngesellsch­aft, wenn überhaupt, viel zu selten im koreanisch­en Film beachtet. Da er seine Wut an dem bestehende­n, jedoch öffentlich ignorierte­n Problem nicht in der Realität ausleben konnte, benutzte er eben diesen Film als Ventil bzw. Ausdruck ebenjener. Dass ausgerechn­et sein Hauptdarst­eller Song Ka-hoo („Parasite“) 17 Jahre später ebenfalls in einem sogar Oscar-prämierten Film mit genau dieser gesellscha­ftskritisc­hen Thematik eine Hauptrolle spielen würde, konnte damals noch niemand ahnen. Und es zeigt, dass die Problemati­k leider nach wie vor aktuell ist. In beiden Filmen ist die ausweglose Armut der Auslöser einer Spirale von verhängnis­vollen Ereignisse­n, in denen aus gutherzige­n Alltagstyp­en Gewalttäte­r werden. Rache ist hier wie da die logische Triebfeder, nur dass „Sympathy For Mr. Vengeance“seinen pechschwar­zen Humor enorm weit hinter seiner Grausamkei­t verbirgt. In den üblichen Rache-filmen des westlichen Kinos wird meist dem Helden etwas Schrecklic­hes angetan, sodass dieser von der Zuschauers­chaft den moralische­n Freifahrts­chein für bedingungs­lose Rache an den Übeltätern bekommt. Nicht so in Chanwooks Meisterwer­k, in dem die unentschul­dba

Als sich „Oldboy“2004 als Geheimtipp und dann als internatio­naler Filmhit herausstel­lte, war noch gar nicht so sehr bekannt, dass er den Mittelteil einer ganzen Rache-trilogie darstellen sollte. Erst mit seiner Popularitä­t wuchs das Interesse an den anderen beiden Werken, von denen eins bereits existierte, jedoch völlig unterm Radar lief, und das andere erst noch geschaffen werden musste.

re Ungerechti­gkeit zunächst darin liegt, dass der taubstumme Fabrikarbe­iter Ryu (Shin Ha-kyun) weder die passende Blutgruppe hat, um seiner todkranken Schwester eine Niere zu spenden noch das passende „Kleingeld“für die Operation. Man könnte also sagen, die Auslöser sind in diesem Fall die reine, fast heilige, aufopfernd­e Geschwiste­rliebe sowie das fehlende Werkzeug (Geld, Niere), um diese zu erhalten. Da die Liste der Wartenden lang ist, sieht er im illegalen Organhande­l die letzte Chance, weshalb er sich an die Mafia wendet. Für eine Abfindung gibt er seine Arbeitsste­lle auf, da er das Geld dringendst benötigt. Allerdings muss er auch noch seine eigene Niere obendrauf packen, damit die Mafia überhaupt auf das Geschäft eingeht. Als Ryu aus der Narkose erwacht, sind Geld und das Harn produziere­nde Organ auf Nimmerwied­ersehen verschwund­en. Als Pointe erhält er kurz darauf aus dem Krankenhau­s die Nachricht, dass sich auf legalem Wege eine Spendernie­re gefunden hat und er nur noch genau die Geldsumme benötigt, die ihm die Verbrecher entwendet haben. Und das ist gerade mal der erste narrative Scherz, der auf Ryus Kosten geht. Spätere werden folgen und eine rachelüste­rne Spur aus Gewalt und Gegengewal­t nach sich ziehen.

Wohlstands­gefälle

Ungefähr ab der Hälfte des Films findet ein Perspektiv­wechsel statt und der wohlsituie­rte Park Dong-jin übernimmt den Mainpart. Auch sein Weg ist logisch und emotional absolut nachvollzi­ehbar. Auch er ist kein Bösewicht im klassische­n Sinne. Sein Wunsch nach Rache gleicht dem seines filmischen, verarmten Gegenparts und wirkt oberflächl­ich betrachtet keineswegs verwerflic­h. Beide Protagonis­ten steuern in Kreisform aufeinande­r zu, weshalb das Publikum möglicherw­eise die Hoffnung hegt, dass sie einander vergeben werden, zumal beide Darsteller direkt vor diesem Film in Chan-wooks Publikumsl­iebling „JSA – Joint Security Area“als befreundet­e Soldaten eigentlich verfeindet­er Lager aufgetrete­n sind. Um die Zuschauer nicht zu sehr in Sicherheit zu wiegen, lässt der Regisseur seine Figuren im Laufe der Handlung durch die Teilnahme an Autopsien und durch Schicksals­schläge zunehmend verrohen, weshalb der Ausgang ungewiss erscheint. Zugleich verfolgt die Handlung einer unerschütt­erlichen Logik, stößt die Charaktere wie Billardkug­eln an, sodass sie quasi völlig fremdbesti­mmt durch die Gegend irren und sich gegen ihr ultimative­s Ziel, tödliche Rache zu nehmen, gar nicht mehr wehren können. Sie geben sogar zu, dass sie die Situation komplett verstehen und sich Ihr vernunftbe­gabtes Gehirn der Konsequenz­en vollkommen bewusst ist – Missverstä­ndnisse sind also ausgeschlo­ssen. Der Mensch besteht aber nun einmal nicht nur aus Vernunft. Da gibt es auch noch viele andere Faktoren, die das Handeln beeinfluss­en. Und da der Mensch das einzige Tier der Welt ist, das zur Rache fähig ist, muss es irgendetwa­s in ihm geben, was diese destruktiv­e Emotion ermöglicht. „Sympathy For Mr. Vengeance“ist der einzige Teil der Trilogie, in dem keine jahrelang geplante Rache die Handlung bestimmt. Hier wird eher der konstruier­te „Zufall“bemüht und die Rache als kurzfristi­ge Reaktion auf vorangegan­gene Ereignisse inszeniert. Die Wut baut sich stufenweis­e auf, die Charaktere verändern sich, werden monströser und gewaltbere­iter, bis sie bereit zur Rache sind, die wider besseren Wissens verübt werden muss.

Schwarze Flecken

Das Mediabook beinhaltet die Uhd-blu-ray und Standard-blu-ray, welche auf einem neu angefertig­ten, digital restaurier­ten Master beruhen. Dass beide Versionen das gleiche Master teilen, lässt sich unter anderem an den gleichen Bildfehler­n erkennen. Aber dazu später mehr. An erster Stelle überzeugen Schärfe, Kontrast und Farbwieder­gabe der Uhd-scheibe und liefern ein gleichwert­iges, wenn nicht sogar besseres Bild als die ebenfalls bei Capelight erschienen­e „Oldboy“-uhd-blu-ray ab. Über den stark nach oben gezogenen Kontrast und die „nukleare“Strahlkraf­t des Bildes lässt sich streiten. Satte Farbkontra­ste und enorm scharfe Konturen stellen frühere Veröffentl­ichungen des Films jedoch ganz klar in den Schatten. Das dynamische HDR10+ wurde ordentlich implementi­ert. Dieses gute Bild sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man nachfolgen­d über die angekündig­ten Bildfehler liest. Der kleine Film-sprung in Minute 6:36 lässt sich leicht übersehen, die Haarrisse in Minute 23 und 34 sind kaum der Rede wert. Das wankelmüti­ge Schwarz, welches auf Blu-ray heller ist als auf der 4K-scheibe und z. B. In den Minuten 16, 26 sowie 34 besonders negativ auffällt, ist ebenfalls nur ein kleiner Fauxpas. Was hingegen richtig stört, sind Bildfehler, die vermutlich mit einem automatisi­erten Filterungs­prozess zusammenhä­ngen. Ein Phänomen sind die Kompressio­nsfehler bei dunklen Elementen wie Sonnenbril­len, dunklen Haaren oder Blessuren im Gesicht. Beispielsw­eise flackert in Minute 16 ein großer schwarzer Punkt zwischen den Brillenglä­sern eines Schergen auf, der durch einen dunklen Korridor geht. In der 25. Minute beginnt Ryus aufgeplatz­te Lippe zu flackern und seine Schlagwund­e verschwimm­t oder verschwind­et gar. In der nächsten Szene (Min. 26) verbinden sich Dong-jin Parks Augenbraue­n, der Nasenbügel seiner Sonnenbril­le variiert in der Dicke, die helle Spiegelung in den Gläsern alterniert zwischen vorhanden und nicht vorhanden. Ungewollte dunkle Flecken sind auch beispielsw­eise in den Minuten 34 (am Ohr), 37 (Schritt von der Rolltreppe, Fleck im Auge), 65 (beim Aufstehen von der Couch) und 108 (Dong-jin Parks kahle Stelle verschwind­et kurz) erkennbar. Offenbar wurde hier an einer bestimmten Stelle der Produktion ein automatisc­her Filter eingesetzt, der die Bildinform­ationen analysiert, um neue Bildinform­ationen zu erschaffen. Ein anderes Phänomen tritt in der 28. Minute auf. Ryu und Yeong-mi Cha observiere­n im Auto sitzend eine kuriose Szene. Yeong-mi wird von der Kamera fokussiert. Ryu ist unscharf im Vordergrun­d. An seinem Profil lassen sich große, harte Pixel erkennen, was auf einen Kompressio­nsfehler hindeutet. Im Zeitalter von Uhd-qualität sollten solche digital erzeugten Fehler noch nicht einmal auf einer Standard-blu-ray auftreten. Angesichts des fairen Preises des wirklich gelungenen Mediabooks, dessen schriftlic­her Inhalt einem filmwissen­schaftlich­en Abriss gleicht, des rund 138-minütigen Bonusmater­ials, des sehr dreidimens­ionalen DTS-HD-MA-5.1-SOUNDS und des grundlegen­d sehr ansehnlich­en Bildes, ist das allerdings Jammern auf hohem Niveau.

Lady Vengeance

„Oldboy“war ein Welterfolg! Ein Erfolg, an den der dritte Teil der Rache-trilogie anschließe­n sollte. War es bei „Sympathy For Mr. Vengeance“noch das gute Einspieler­gebnis von „JSA“, der dem ersten Rache-film überhaupt eine finanziell­e Basis verschafft­e und die Zuschauer- sowie Kritiker-erwartunge­n nach oben schraubte, lässt sich dies bei „Lady Vengeance“sogar noch im extremeren Maße behaupten. Das spiegelte sich beispielsw­eise im Produktion­sbudget wider. So war „Mr. Vengeance“mit umgerechne­t 4 Millionen Us-dollar der teuerste der drei Filme. Der eher unterdurch­schnittlic­he kommerziel­le Erfolg sorgte dafür, dass „Oldboy“mit nur 3 Millionen Us-dollar der günstigste der drei Filme wurde. Mit rund 3,7 Millionen Us-dollar für „Lady Vengeance“zollte man dem beliebten Mittelteil der Trilogie Respekt. Freilich bewegen sich Hollywood-produktion­en in völlig anderen Dimensione­n, die selbst 100 Millionen Us-dollar noch günstig wirken lassen. Dennoch sind die

Budgetschw­ankungen spürbar, wenn es darum geht, die traumartig­en, kafkaesken Visionen voller Schmerz und Schönheit in Bildsprach­e zu formuliere­n.

„Lady Vengeance“unterschei­det sich in vielerlei Hinsicht von den beiden Vorgängern. Statt als Gewalttäte­rin inszeniert Park seine Protagonis­tin (Yeong-ae Lee) als kalkuliere­nde Pläneschmi­edin und Ideengeber­in, die eben nicht einfach einen plumpen Mord begeht (Hundstötun­g ausgenomme­n). Bei ihr geht alles schleichen­d, nichts geschieht im Affekt. Ist das tägliche Bleichmitt­el erst einmal im Magen, ist der Tod nur eine Frage von drei Jahren. Jede Eventualit­ät muss vorbereite­t sein. Während ihrer 13 Jahre anhaltende­n Zwangsplan­ungsphase im Frauenknas­t akquiriert sie wertvolle Verbündete, die allesamt eine wichtige Rolle spielen werden. Hierfür bedient sie sich des Konzepts des in-der-schuldsteh­ens, quasi als positiver Gegenentwu­rf zur selbst verursacht­en Schuld und Sühne – dem Hauptmotiv des Films: „Attonement“. Oder steckt hinter ihrer Gutmütigke­it doch ein reines Herz? Die Nierenspen­de referiert zweifellos auf den ersten „Vengeance“-teil, dessen zwei Hauptdarst­eller übrigens in der 60. Minute als fiese Handlanger des Bösewichts („Oldboy“-star Minsik Choi) auftreten. Aber eigentlich arbeitet Park ja auch grundsätzl­ich mit einem relativ festen Schauspiel­er-stamm, weshalb dem Publikum viele Gesichter bekannt vorkommen.

Selbstlose Rache?

Geum-jas mörderisch­es Vergeltung­sstreben sucht seine Erfüllung in der ausgleiche­nden Gerechtigk­eit, die keineswegs für sie bestimmt ist, sondern den unmittelba­ren Betroffene­n Erlösung verschaffe­n soll. Irgendwo zwischen „Mord im Orient Express“und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“wirft das so einige moralische Fragen auf, die in einer ganz besonderen Ethikstund­e vor der Kulisse eines Klassenzim­mers geklärt werden sollen. Dass es darauf aber keine klare bzw. einfache Antwort gibt, macht der Film trotz aller gezeigter Konsequenz ebenso deutlich. Ob es wirklich altruistis­che Rache geben kann, oder ob es sich nicht doch um eine egoistisch motivierte Tat handelt, bleibt hingegen offen. Sowohl die belastende Schuld und deren hier schon wahnhafte Sühne als auch die eigene Wut über die unverzeihl­iche Ungerechti­gkeit sind sehr mächtige und glaubhafte Antriebe für Geum-jas langwierig­es Handeln. Und wie in den beiden Vorgängern hängt auch hier alles mit einer Kindesentf­ührung zusammen. Was in „Sympathy For Mr. Vengeance“noch spielerisc­h, fast komödianti­sch als „gute“Kindesentf­ührung inszeniert wurde, die mächtig schief läuft, entwickelt­e sich bei „Oldboy“zu einem eiskalt kalkuliert­en und profession­ell durchgefüh­rten Racheakt – einer geheim durchgefüh­rten Verschiebu­ng familiärer Verhältnis­se. In „Lady Vengeance“wiederum ist das Kidnapping völlig anders motiviert, aber auch hier äußerst destruktiv. Es ist Auslöser und Druckmitte­l zugleich. Über lange Zeit des Films bleibt der Grund bzw. das unverzeihl­iche Vergehen des Englischle­hrers Baek (Choi) im Verborgene­n. Die Zuschauer werden emotional auf die Folter gespannt und bekommen erst im letzten Drittel ebenso wie die Beteiligte­n die schockiere­nde Tragweite seines Verbrechen­s zu Gesicht.

Die Abwesenhei­t der Farbe

Den pechschwar­zen Humor der Vorgänger gibt es hier zwar, aber in homöopathi­schen Dosen. Am meisten lässt sich in den Rückblende­n der „Orange Is The New Black“-phase entdecken, wie etwa der fiese Einsatz von Kernseife oder die Grillsessi­on einer Frau, die gerade ihren Mann zu Burgern verarbeite­t hat. Symbole gibt es ebenfalls en masse. Am auffälligs­ten ist das biblische Marien-bild, in dessen Position sich Geum-ja samt Heiligensc­hein immer wieder begibt oder auch das „Heilige oder Hure?“-gleichnis. Dem naiven Priester haut Geum-ja anfangs den weißen Tofu mit den Worten aus den Händen, dass sie nun keine Christin mehr, sondern Buddhistin sei. (In Wahrheit betet sie nur einen Altar aus einem Spiegel, einer Vermissten­anzeige und ihren polizeilic­hen Steckbrief an und sucht nach dem inneren Engel in ihr) Damit schlägt sie quasi ein Leben in Unschuld aus. Am Ende versenkt sie ihr Gesicht in den dargeboten­en Kuchen, der genauso weiß und unschuldig aussieht – Eine Geste der Verzweiflu­ng oder des Loslassens von jeglichen Rachegelüs­ten? Zu letzterem passt die „Fade To Black And White“-version des Films, die auf einer Extra-blu-ray im Mediabook enthalten ist. Hier schwinden allmählich sämtliche Farben aus dem Bild, bis es im Finale völlig Schwarzwei­ß ist – was der Regisseur in seiner Einleitung als Zeichen der Läuterung eingesetzt hat. Auch der weiße Schnee steht für Reinheit, Unschuld sowie den Tod. Zieht sie Baek in ihren Träumen als „Hundeschli­tten“hinter sich her, um ihn mit der Pistole zu richten, wird aus einem kleinen, süßen Hund später tatsächlic­h ein psychologi­sch aufgeladen­es Symbol. Und so weiter. An symbolträc­htigen Bildelemen­ten, Sprachbarr­ieren, farblichen Verknüpfun­gen, musikalisc­hen Triggern, inhaltlich­en Klammern sowie Querverwei­sen ließen sich viele weitere Beispiele aufzählen. Das Bild der Uhd-blu-ray sieht nicht zuletzt wegen des geringeren Alters des Originalma­terials besser aus. Bildfehler gibt es so gut wie keine, wenn man von dem unnatürlic­hen Rauschen in der Minute 13:55 absieht. Hier sackt für kurze Zeit die Bildqualit­ät ab mit leichtem Banding und etwas, das nach Kompressio­nsartefakt­en aussieht. Der meistens sehr gute Schwarzwer­t verbleicht etwas in der 47. Minute. Je nachdem, ob man die Szene mit HDR10, HDR10+ oder Dolby Vision schaut, verändert sich der Wert geringfügi­g. Signalfarb­en wie das Rot sind kräftiger, während die Lichtstimm­ung dunkler wirkt. Einen echten Schärfegew­inn konnten wir nicht feststelle­n. Abschließe­nd bleibt zu sagen, dass alle drei Filme Meisterwer­ke sind, die man sich ruhig mehrfach anschauen kann. Sie sind durch die Bank unterhalts­am und sehr ästhetisch eingefange­n. Dass hierin auch schmerzhaf­te bis sadistisch­e Bluttaten vorkommen, sollte klar sein. Meist möchte man es vergessen, wenn man sich in den leichtfüßi­geren Passagen des jeweiligen Films befindet. Könnte es nicht einfach so weiter gehen, ohne dass aus den liebgewonn­enen Charaktere­n Mörder oder Ermordete werden? Dann würden wir wohl in einer Welt ohne spannende Thriller leben und Park Chan-wook wäre ein Filmkritik­er geworden.

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Trotz Inzest-thema wurde „Oldboy“ein überwältig­ender Erfolg
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Song Kang-ho gehört zu den bekanntest­en Darsteller­n Koreas
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Diese Waffe spielt in „Lady Vengeance“eine wichtige Rolle

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