PARK CHAN-WOOKS VENGEANCE-TRILOGIE
Ist die Betitelung der drei inhaltlich völlig unzusammenhängenden Park-chan-wook-filme „Sympathy For Mr. Vengeance“(2002), „Oldboy“(2003) und „Lady Vengeance“(2005) als „Vengeance-trilogie“nur ein Marketing-gag, um zwei weitere Filme im Erfolg des großen „Oldboy“mitschwimmen zu lassen? Oder stecken tatsächlich ein Konzept und eine Vision dahinter? Nun, der Begriff der „Vengeance-trilogie“ist tatsächlich ein Kind der Medien und keine Erfindung des Filmemachers selbst. Es bestand seinerseits also kein Konzept für eine Themen-trilogie, wenngleich auffällig ist, dass der belesene Koreaner Chan-wook alle drei Filme nacheinander schuf und ein dementsprechend großes Interesse daran hegte, das Rache-thema aus mehreren Perspektiven zu betrachten. So demonstriert er in seinem ersten Film einen Rachestrudel, der von zwei einander fremden Männern vorangetrieben und durch simplen Zufall entfacht wird. Im zweiten Film sind es wieder zwei Kontrahenten, die sich allerdings kennen, und die Ursache des Ganzen liegt bei einer scheinbar leichten Jugendsünde, die unerwartet schwere Konsequenzen nach sich zog und zu einer über 15 Jahre währenden Rache-aktion führt. Im dritten Film kommt der ungewöhnliche Aspekt altruistisch motivierter Rache hinzu, die 13 Jahre lang geplant wurde. In allen dreien gibt es also ähnliche Motive wie Geschwister- sowie Eltern-kind-beziehungen, Kidnapping, Gefängnisse, lange Zeiträume und spiegelnde Strafen, die durch das Hauptthema „Rache als Triebfeder“zusammengehalten werden. Durch die neuen in 4K überarbeiteten Versionen aller drei Filme lässt sich dies alles besonders angenehm nachvollziehen.
Oldboy
Als Vorreiter erschien Ende 2019 „Oldboy“als Uhd-blu-ray in einem Steelbook, das wir uns in der Ausgabe 1/20 genauer ansahen, mit dem Ergebnis, dass sich ein Upgrade im Vergleich zu früheren Editionen lohnt: „Die neue 4K-digitalisierung der Original-negative trägt Früchte und präsentiert klare, plastische Details wie Poren, Haare und Schriften wesentlich deutlicher als bei der Blu-ray. Das Filmkorn ist feiner, allerdings immer noch recht präsent und wirkt auch nicht immer organisch bzw. streckenweise leicht komprimiert. Zum ersten Mal in der Geschichte der „Oldboy“veröffentlichungen wurde das Schwarz durchgängig gut hinbekommen. Nun gibt es keine milchigen, getrübten oder durch Farbfilter verfremdeten Schwarzflächen mehr und der hohe Hdr-kontrast ermöglicht deutlichere Konturen. Wer Dolbyvision-kompatibles Equipment besitzt, darf sich über die dynamische Helligkeitsanpassung freuen. Auch die Farben sehen besser, da differenzierter aus. Hauttöne wirken gesünder, Pflanzen grüner, Woo-jin Lees „Geschenke“violetter und das Signalrot z.b. von Mi-dos winterlichem Outfit am Ende könnte kaum kräftiger sein, ohne zu überstrahlen. Überhaupt ist das neue Master farbneutraler, tendiert also weniger zum Grün oder anderen Farbstichen.“Das ultimative Rachedrama in ultimativer Qualität zu besitzen, war also schon einmal möglich, auch wenn die Uhd-blu-ray keineswegs Referenzklasse ist. Vollgestopft mit visueller Innovation, im Walzertakt gegliederte Bilder, literarischen Querverweisen, einer legendären Plansequenz und tiefenpsychologischer Elemente gehört „Oldboy“nach wie vor zu den Kritiker- und Publikumslieblingen. Und das, obwohl auch das schwierige Inzest-thema bemüht wird, was dem Film und der abschließenden Botschaft einen faden Beigeschmack verleiht. Dass die Einzelteile nicht zwingend ein Ganzes ergeben, beweist das 2013 entstandene Us-remake von Spike Lee, das erzähltechnisch nicht einmal annähernd ans Original herankommt. Zu eng geknüpft ist die Symbolik, zu gut eingetaktet der Rhythmus der Geschichte. Zu viele Mythen umranken die Entstehung des koreanischen Films, sodass seine Seele weder kopiert noch verbessert werden kann. Hat der vegetarische Hauptdarsteller Choi Min-sik für die Sushi-szene tatsächlich einen lebendigen Oktopus gegessen? Um genau zu sein, waren es sogar vier Oktopusse, für die Buddhist Min-sik betete, bevor er ihre weichen Körper mit seinen Zähnen zerteilte. Parallelen zu den Irrfahrten sowie der Heimkehr Odysseus’ (Oh Dae-su) oder auch zu Sophkles’ Drama „König Ödipus“sind ebenso verwoben wie humorvolle Elemente zur Auflockerung und mystische Hypnose-elemente, die sowohl als Rache-werkzeug als auch als Lösungsweg bzw. Instrument zur Trennung von moralischen Altlasten verwendet werden. Keiner der Rache-ausübenden erfährt hier übrigens Erlösung. Im Gegenteil ist diese nur jenen möglich, die zur Liebe fähig sind – selbst, wenn sie moralisch verwerflich ist.
Sympathy For Mr. Vengeance
Seit August dieses Jahres gibt es nun endlich auch die anderen beiden Filme der inoffiziellen Trilogie auf Uhd-blu-ray. Anders als das „Oldboy“-uhd-steelbook (ein Mediabook gab’s nur für die 2017er-blu-ray) sind diese in Mediabook-form erhältlich, wobei man jeweils aus einer Standard-cover-variante und einer gezeichneten Variante wählen kann, die es exklusiv im Capelight-shop gibt. Auch nach der Vollendung der Rache-trilogie betitelte Regisseur Park Chan-wook den ersten Teil „Sympathy For Mr. Vengeance“als seinen liebsten. Manchmal argumentiert er über eine Familien-metapher, dass das von der Allgemeinheit am wenigsten geliebte seiner drei „Kinder“stets seine größte Zuneigung erhalten werde. Ein andermal ist es sein Motiv, das ihn dazu veranlasste, diesen Film zu drehen. In seinen Augen wurde das Thema der Zweiklassengesellschaft, wenn überhaupt, viel zu selten im koreanischen Film beachtet. Da er seine Wut an dem bestehenden, jedoch öffentlich ignorierten Problem nicht in der Realität ausleben konnte, benutzte er eben diesen Film als Ventil bzw. Ausdruck ebenjener. Dass ausgerechnet sein Hauptdarsteller Song Ka-hoo („Parasite“) 17 Jahre später ebenfalls in einem sogar Oscar-prämierten Film mit genau dieser gesellschaftskritischen Thematik eine Hauptrolle spielen würde, konnte damals noch niemand ahnen. Und es zeigt, dass die Problematik leider nach wie vor aktuell ist. In beiden Filmen ist die ausweglose Armut der Auslöser einer Spirale von verhängnisvollen Ereignissen, in denen aus gutherzigen Alltagstypen Gewalttäter werden. Rache ist hier wie da die logische Triebfeder, nur dass „Sympathy For Mr. Vengeance“seinen pechschwarzen Humor enorm weit hinter seiner Grausamkeit verbirgt. In den üblichen Rache-filmen des westlichen Kinos wird meist dem Helden etwas Schreckliches angetan, sodass dieser von der Zuschauerschaft den moralischen Freifahrtschein für bedingungslose Rache an den Übeltätern bekommt. Nicht so in Chanwooks Meisterwerk, in dem die unentschuldba
Als sich „Oldboy“2004 als Geheimtipp und dann als internationaler Filmhit herausstellte, war noch gar nicht so sehr bekannt, dass er den Mittelteil einer ganzen Rache-trilogie darstellen sollte. Erst mit seiner Popularität wuchs das Interesse an den anderen beiden Werken, von denen eins bereits existierte, jedoch völlig unterm Radar lief, und das andere erst noch geschaffen werden musste.
re Ungerechtigkeit zunächst darin liegt, dass der taubstumme Fabrikarbeiter Ryu (Shin Ha-kyun) weder die passende Blutgruppe hat, um seiner todkranken Schwester eine Niere zu spenden noch das passende „Kleingeld“für die Operation. Man könnte also sagen, die Auslöser sind in diesem Fall die reine, fast heilige, aufopfernde Geschwisterliebe sowie das fehlende Werkzeug (Geld, Niere), um diese zu erhalten. Da die Liste der Wartenden lang ist, sieht er im illegalen Organhandel die letzte Chance, weshalb er sich an die Mafia wendet. Für eine Abfindung gibt er seine Arbeitsstelle auf, da er das Geld dringendst benötigt. Allerdings muss er auch noch seine eigene Niere obendrauf packen, damit die Mafia überhaupt auf das Geschäft eingeht. Als Ryu aus der Narkose erwacht, sind Geld und das Harn produzierende Organ auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Als Pointe erhält er kurz darauf aus dem Krankenhaus die Nachricht, dass sich auf legalem Wege eine Spenderniere gefunden hat und er nur noch genau die Geldsumme benötigt, die ihm die Verbrecher entwendet haben. Und das ist gerade mal der erste narrative Scherz, der auf Ryus Kosten geht. Spätere werden folgen und eine rachelüsterne Spur aus Gewalt und Gegengewalt nach sich ziehen.
Wohlstandsgefälle
Ungefähr ab der Hälfte des Films findet ein Perspektivwechsel statt und der wohlsituierte Park Dong-jin übernimmt den Mainpart. Auch sein Weg ist logisch und emotional absolut nachvollziehbar. Auch er ist kein Bösewicht im klassischen Sinne. Sein Wunsch nach Rache gleicht dem seines filmischen, verarmten Gegenparts und wirkt oberflächlich betrachtet keineswegs verwerflich. Beide Protagonisten steuern in Kreisform aufeinander zu, weshalb das Publikum möglicherweise die Hoffnung hegt, dass sie einander vergeben werden, zumal beide Darsteller direkt vor diesem Film in Chan-wooks Publikumsliebling „JSA – Joint Security Area“als befreundete Soldaten eigentlich verfeindeter Lager aufgetreten sind. Um die Zuschauer nicht zu sehr in Sicherheit zu wiegen, lässt der Regisseur seine Figuren im Laufe der Handlung durch die Teilnahme an Autopsien und durch Schicksalsschläge zunehmend verrohen, weshalb der Ausgang ungewiss erscheint. Zugleich verfolgt die Handlung einer unerschütterlichen Logik, stößt die Charaktere wie Billardkugeln an, sodass sie quasi völlig fremdbestimmt durch die Gegend irren und sich gegen ihr ultimatives Ziel, tödliche Rache zu nehmen, gar nicht mehr wehren können. Sie geben sogar zu, dass sie die Situation komplett verstehen und sich Ihr vernunftbegabtes Gehirn der Konsequenzen vollkommen bewusst ist – Missverständnisse sind also ausgeschlossen. Der Mensch besteht aber nun einmal nicht nur aus Vernunft. Da gibt es auch noch viele andere Faktoren, die das Handeln beeinflussen. Und da der Mensch das einzige Tier der Welt ist, das zur Rache fähig ist, muss es irgendetwas in ihm geben, was diese destruktive Emotion ermöglicht. „Sympathy For Mr. Vengeance“ist der einzige Teil der Trilogie, in dem keine jahrelang geplante Rache die Handlung bestimmt. Hier wird eher der konstruierte „Zufall“bemüht und die Rache als kurzfristige Reaktion auf vorangegangene Ereignisse inszeniert. Die Wut baut sich stufenweise auf, die Charaktere verändern sich, werden monströser und gewaltbereiter, bis sie bereit zur Rache sind, die wider besseren Wissens verübt werden muss.
Schwarze Flecken
Das Mediabook beinhaltet die Uhd-blu-ray und Standard-blu-ray, welche auf einem neu angefertigten, digital restaurierten Master beruhen. Dass beide Versionen das gleiche Master teilen, lässt sich unter anderem an den gleichen Bildfehlern erkennen. Aber dazu später mehr. An erster Stelle überzeugen Schärfe, Kontrast und Farbwiedergabe der Uhd-scheibe und liefern ein gleichwertiges, wenn nicht sogar besseres Bild als die ebenfalls bei Capelight erschienene „Oldboy“-uhd-blu-ray ab. Über den stark nach oben gezogenen Kontrast und die „nukleare“Strahlkraft des Bildes lässt sich streiten. Satte Farbkontraste und enorm scharfe Konturen stellen frühere Veröffentlichungen des Films jedoch ganz klar in den Schatten. Das dynamische HDR10+ wurde ordentlich implementiert. Dieses gute Bild sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man nachfolgend über die angekündigten Bildfehler liest. Der kleine Film-sprung in Minute 6:36 lässt sich leicht übersehen, die Haarrisse in Minute 23 und 34 sind kaum der Rede wert. Das wankelmütige Schwarz, welches auf Blu-ray heller ist als auf der 4K-scheibe und z. B. In den Minuten 16, 26 sowie 34 besonders negativ auffällt, ist ebenfalls nur ein kleiner Fauxpas. Was hingegen richtig stört, sind Bildfehler, die vermutlich mit einem automatisierten Filterungsprozess zusammenhängen. Ein Phänomen sind die Kompressionsfehler bei dunklen Elementen wie Sonnenbrillen, dunklen Haaren oder Blessuren im Gesicht. Beispielsweise flackert in Minute 16 ein großer schwarzer Punkt zwischen den Brillengläsern eines Schergen auf, der durch einen dunklen Korridor geht. In der 25. Minute beginnt Ryus aufgeplatzte Lippe zu flackern und seine Schlagwunde verschwimmt oder verschwindet gar. In der nächsten Szene (Min. 26) verbinden sich Dong-jin Parks Augenbrauen, der Nasenbügel seiner Sonnenbrille variiert in der Dicke, die helle Spiegelung in den Gläsern alterniert zwischen vorhanden und nicht vorhanden. Ungewollte dunkle Flecken sind auch beispielsweise in den Minuten 34 (am Ohr), 37 (Schritt von der Rolltreppe, Fleck im Auge), 65 (beim Aufstehen von der Couch) und 108 (Dong-jin Parks kahle Stelle verschwindet kurz) erkennbar. Offenbar wurde hier an einer bestimmten Stelle der Produktion ein automatischer Filter eingesetzt, der die Bildinformationen analysiert, um neue Bildinformationen zu erschaffen. Ein anderes Phänomen tritt in der 28. Minute auf. Ryu und Yeong-mi Cha observieren im Auto sitzend eine kuriose Szene. Yeong-mi wird von der Kamera fokussiert. Ryu ist unscharf im Vordergrund. An seinem Profil lassen sich große, harte Pixel erkennen, was auf einen Kompressionsfehler hindeutet. Im Zeitalter von Uhd-qualität sollten solche digital erzeugten Fehler noch nicht einmal auf einer Standard-blu-ray auftreten. Angesichts des fairen Preises des wirklich gelungenen Mediabooks, dessen schriftlicher Inhalt einem filmwissenschaftlichen Abriss gleicht, des rund 138-minütigen Bonusmaterials, des sehr dreidimensionalen DTS-HD-MA-5.1-SOUNDS und des grundlegend sehr ansehnlichen Bildes, ist das allerdings Jammern auf hohem Niveau.
Lady Vengeance
„Oldboy“war ein Welterfolg! Ein Erfolg, an den der dritte Teil der Rache-trilogie anschließen sollte. War es bei „Sympathy For Mr. Vengeance“noch das gute Einspielergebnis von „JSA“, der dem ersten Rache-film überhaupt eine finanzielle Basis verschaffte und die Zuschauer- sowie Kritiker-erwartungen nach oben schraubte, lässt sich dies bei „Lady Vengeance“sogar noch im extremeren Maße behaupten. Das spiegelte sich beispielsweise im Produktionsbudget wider. So war „Mr. Vengeance“mit umgerechnet 4 Millionen Us-dollar der teuerste der drei Filme. Der eher unterdurchschnittliche kommerzielle Erfolg sorgte dafür, dass „Oldboy“mit nur 3 Millionen Us-dollar der günstigste der drei Filme wurde. Mit rund 3,7 Millionen Us-dollar für „Lady Vengeance“zollte man dem beliebten Mittelteil der Trilogie Respekt. Freilich bewegen sich Hollywood-produktionen in völlig anderen Dimensionen, die selbst 100 Millionen Us-dollar noch günstig wirken lassen. Dennoch sind die
Budgetschwankungen spürbar, wenn es darum geht, die traumartigen, kafkaesken Visionen voller Schmerz und Schönheit in Bildsprache zu formulieren.
„Lady Vengeance“unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den beiden Vorgängern. Statt als Gewalttäterin inszeniert Park seine Protagonistin (Yeong-ae Lee) als kalkulierende Pläneschmiedin und Ideengeberin, die eben nicht einfach einen plumpen Mord begeht (Hundstötung ausgenommen). Bei ihr geht alles schleichend, nichts geschieht im Affekt. Ist das tägliche Bleichmittel erst einmal im Magen, ist der Tod nur eine Frage von drei Jahren. Jede Eventualität muss vorbereitet sein. Während ihrer 13 Jahre anhaltenden Zwangsplanungsphase im Frauenknast akquiriert sie wertvolle Verbündete, die allesamt eine wichtige Rolle spielen werden. Hierfür bedient sie sich des Konzepts des in-der-schuldstehens, quasi als positiver Gegenentwurf zur selbst verursachten Schuld und Sühne – dem Hauptmotiv des Films: „Attonement“. Oder steckt hinter ihrer Gutmütigkeit doch ein reines Herz? Die Nierenspende referiert zweifellos auf den ersten „Vengeance“-teil, dessen zwei Hauptdarsteller übrigens in der 60. Minute als fiese Handlanger des Bösewichts („Oldboy“-star Minsik Choi) auftreten. Aber eigentlich arbeitet Park ja auch grundsätzlich mit einem relativ festen Schauspieler-stamm, weshalb dem Publikum viele Gesichter bekannt vorkommen.
Selbstlose Rache?
Geum-jas mörderisches Vergeltungsstreben sucht seine Erfüllung in der ausgleichenden Gerechtigkeit, die keineswegs für sie bestimmt ist, sondern den unmittelbaren Betroffenen Erlösung verschaffen soll. Irgendwo zwischen „Mord im Orient Express“und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“wirft das so einige moralische Fragen auf, die in einer ganz besonderen Ethikstunde vor der Kulisse eines Klassenzimmers geklärt werden sollen. Dass es darauf aber keine klare bzw. einfache Antwort gibt, macht der Film trotz aller gezeigter Konsequenz ebenso deutlich. Ob es wirklich altruistische Rache geben kann, oder ob es sich nicht doch um eine egoistisch motivierte Tat handelt, bleibt hingegen offen. Sowohl die belastende Schuld und deren hier schon wahnhafte Sühne als auch die eigene Wut über die unverzeihliche Ungerechtigkeit sind sehr mächtige und glaubhafte Antriebe für Geum-jas langwieriges Handeln. Und wie in den beiden Vorgängern hängt auch hier alles mit einer Kindesentführung zusammen. Was in „Sympathy For Mr. Vengeance“noch spielerisch, fast komödiantisch als „gute“Kindesentführung inszeniert wurde, die mächtig schief läuft, entwickelte sich bei „Oldboy“zu einem eiskalt kalkulierten und professionell durchgeführten Racheakt – einer geheim durchgeführten Verschiebung familiärer Verhältnisse. In „Lady Vengeance“wiederum ist das Kidnapping völlig anders motiviert, aber auch hier äußerst destruktiv. Es ist Auslöser und Druckmittel zugleich. Über lange Zeit des Films bleibt der Grund bzw. das unverzeihliche Vergehen des Englischlehrers Baek (Choi) im Verborgenen. Die Zuschauer werden emotional auf die Folter gespannt und bekommen erst im letzten Drittel ebenso wie die Beteiligten die schockierende Tragweite seines Verbrechens zu Gesicht.
Die Abwesenheit der Farbe
Den pechschwarzen Humor der Vorgänger gibt es hier zwar, aber in homöopathischen Dosen. Am meisten lässt sich in den Rückblenden der „Orange Is The New Black“-phase entdecken, wie etwa der fiese Einsatz von Kernseife oder die Grillsession einer Frau, die gerade ihren Mann zu Burgern verarbeitet hat. Symbole gibt es ebenfalls en masse. Am auffälligsten ist das biblische Marien-bild, in dessen Position sich Geum-ja samt Heiligenschein immer wieder begibt oder auch das „Heilige oder Hure?“-gleichnis. Dem naiven Priester haut Geum-ja anfangs den weißen Tofu mit den Worten aus den Händen, dass sie nun keine Christin mehr, sondern Buddhistin sei. (In Wahrheit betet sie nur einen Altar aus einem Spiegel, einer Vermisstenanzeige und ihren polizeilichen Steckbrief an und sucht nach dem inneren Engel in ihr) Damit schlägt sie quasi ein Leben in Unschuld aus. Am Ende versenkt sie ihr Gesicht in den dargebotenen Kuchen, der genauso weiß und unschuldig aussieht – Eine Geste der Verzweiflung oder des Loslassens von jeglichen Rachegelüsten? Zu letzterem passt die „Fade To Black And White“-version des Films, die auf einer Extra-blu-ray im Mediabook enthalten ist. Hier schwinden allmählich sämtliche Farben aus dem Bild, bis es im Finale völlig Schwarzweiß ist – was der Regisseur in seiner Einleitung als Zeichen der Läuterung eingesetzt hat. Auch der weiße Schnee steht für Reinheit, Unschuld sowie den Tod. Zieht sie Baek in ihren Träumen als „Hundeschlitten“hinter sich her, um ihn mit der Pistole zu richten, wird aus einem kleinen, süßen Hund später tatsächlich ein psychologisch aufgeladenes Symbol. Und so weiter. An symbolträchtigen Bildelementen, Sprachbarrieren, farblichen Verknüpfungen, musikalischen Triggern, inhaltlichen Klammern sowie Querverweisen ließen sich viele weitere Beispiele aufzählen. Das Bild der Uhd-blu-ray sieht nicht zuletzt wegen des geringeren Alters des Originalmaterials besser aus. Bildfehler gibt es so gut wie keine, wenn man von dem unnatürlichen Rauschen in der Minute 13:55 absieht. Hier sackt für kurze Zeit die Bildqualität ab mit leichtem Banding und etwas, das nach Kompressionsartefakten aussieht. Der meistens sehr gute Schwarzwert verbleicht etwas in der 47. Minute. Je nachdem, ob man die Szene mit HDR10, HDR10+ oder Dolby Vision schaut, verändert sich der Wert geringfügig. Signalfarben wie das Rot sind kräftiger, während die Lichtstimmung dunkler wirkt. Einen echten Schärfegewinn konnten wir nicht feststellen. Abschließend bleibt zu sagen, dass alle drei Filme Meisterwerke sind, die man sich ruhig mehrfach anschauen kann. Sie sind durch die Bank unterhaltsam und sehr ästhetisch eingefangen. Dass hierin auch schmerzhafte bis sadistische Bluttaten vorkommen, sollte klar sein. Meist möchte man es vergessen, wenn man sich in den leichtfüßigeren Passagen des jeweiligen Films befindet. Könnte es nicht einfach so weiter gehen, ohne dass aus den liebgewonnenen Charakteren Mörder oder Ermordete werden? Dann würden wir wohl in einer Welt ohne spannende Thriller leben und Park Chan-wook wäre ein Filmkritiker geworden.