Black Widow
Verwundert bis befremdet dürfte sich wohl Alice Schwarzer die Augen reiben, wenn sie sehen muss, in welcher Form heutzutage eine feministische Symbolfigur auftritt. Das hautenge schwarze Leder-outfit, welches einen wohlproportionierten weiblichen Traumkörper umhüllt, lädt zu allerlei Assoziationen ein. „Tod dem Patriarchat!“dürfte bei diesem Anblick aber nur den wenigsten in den Sinn kommen. Nun muss sich der Feminismus natürlich nicht in Jute hüllen, um seine Legitimität zu beweisen. Gleichwohl verdeutlicht ein derart sexualisiertes Erscheinungsbild einmal mehr den moralischen, politischen und soziokulturellen Widerspruch, der viele aktuelle Filmund Tv-produktionen aus dem Hause Disney so halbherzig und inkonsequent erscheinen lässt. Modern, progressiv und aufgeschlossen möchte man gerne sein, gleichzeitig soll aber auch eskapistisches Entertainment geboten werden, das breite Zuschauergruppen anspricht und möglichst problemlos in China mit seinem vorherrschenden Konservatismus und der allgegenwärtigen Zensur aufgeführt werden darf. Dass die russische Superagentin Natasha Romanoff alias Black Widow zudem erst 2021 ihren ersten eigenen Film erhält, obwohl sie bereits seit „Iron Man 2“, also seit über zehn Jahren, zum MCU gehört und zudem von einem der prestigeträchtigsten Stars gespielt wird, verrät viel über die wankelmütige, man könnte auch sagen heuchlerische Agenda der Marvel Studios und ihrem Mutterkonzern im Umgang mit vermeintlich heiklen Themen.
Agentinnen-klopper hoch Drei
Am Unterhaltungswert des längst überfälligen und aufgrund von COVID-19 noch einmal verspäteten
Comic-actionfilms ändern diese Einwände glücklicherweise wenig. Der von der bislang wenig bekannten australischen Regisseurin Cate Shortland („Berlin Syndrom“) inszenierte „Black Widow“überzeugt als erfreulich geradliniger, spannender Agentenfilm, der sich eher auf den Spuren James Bonds bewegt, als dem ausufernden Fantasy-kosmos der meisten Mcu-produktionen zu folgen. Erzählerisch weitestgehend unabhängig von den großen Plots des Marvel-universums, begleitet „Black Widow“seine Protagonistin und ihre Waffenschwester Yelena (Florence Pugh) bei ihrer Auseinandersetzung mit den Schatten der Vergangenheit. Diese Schatten werden zum einen personifiziert durch die Zieheltern der beiden (gespielt von Rachel Weisz und David Harbour), zum anderen aber durch Dreykov (Ray Winstone), einem russischen General und Kopf hinter dem klandestinen, Nikita-artigen Militärprojekt Red Room, durch dessen unbarmherzige Schule Natasha und Yelena einst gehen mussten. Der totgeglaubte Dreykov und seine gleichgeschalteten Agentinnen stellen einmal mehr eine Gefahr für die Welt dar, weswegen die voneinander entfremdete Ex-agentenfamilie ihre Zwistigkeiten überwinden und sich der Bedrohung stellen muss. Aus der plausibel dargestellten Dynamik dieser dysfunktionalen Familie entwickelt sich eine fundamentale Spannung, die der Handlung auch eine persönliche, menschliche Unterfütterung und gleichzeitig eine humorvolle Leichtigkeit gibt. Johansson verkörpert ihre gefeierte Rolle erneut höchst souverän, muss sich aber von Florence Pugh mehr als einmal aus dem Rampenlicht drängen lassen. Pugh ist die große Überraschung des Filmes und bringt eine Intensität und ein Charisma auf die Leinwand, die Vorfreude wecken auf kommende Marvel-auftritte ihrer Figur. In den zahlreichen Kampfszenen schlägt sich die actionerfahrenere Johansson jedoch besser. Die flüssig choreografierten und ebenso mitreißend wie übersichtlich montierten Gefechte erfreuen Actionfans. Fast ist es schade, dass der Film seinen eher bodenständigen Kämpfen nicht vollends vertraut und in einem weiteren überbordenden Finale endet, das eher auf (gute) CGI denn das körperliche Können der Darstellerinnen setzt.