SUMMER SWAY
Dramen über flüchtige, wenn auch leidenschaftliche Beziehungen im Sommerurlaub kommen nicht zwingend immer nur aus Frankreich oder Italien. Auch Asiens Filmhochburg Südkorea kann dieses Genre, wobei „Jane’s Summer“ganz andere Töne anschlägt als die europä
Regisseurin Song Eun-jus Drama beginnt wie Wim Wenders’ ausgezeichnete Tanzdoku „Pina“. Eine Frau im roten Kleid legt einen starken Ausdruckstanz aufs schmal beleuchtete Parkett. Ihre galanten Bewegungen und ihre außerweltliche Körperbeherrschung sind das Ergebnis jahrelangen Trainings, das erkennt selbst ein Laie. Es handelt sich um die Protagonistin Jane (Seo Nayeong), der als nächstes mitgeteilt wird, dass sie der Regisseur der neuen Tanz-nummer erneut nur als Zweitbesetzung haben will. Warum etwas ändern, was funktioniert? – erklärt er ihr anhand einer ungelenken Jenga-parabel. Nun muss sie ihre suizidgefährdete Mutter, die alles für die Tanzkarriere der Tochter geopfert hat, anlügen, um deren leicht zerbrechliche, selbst geschaffene Welt zu wahren. Ihre eigene Leere füllt sie mit einem austauschbaren Lover – dem ersten Namen ihrer Telefon-liste.
Nur im Telefonat mit ihrer Freundin Ji-woo (Kim Ha-rim) findet sie etwas Trost, denn diese kennt sie besser als jeder andere. Als Flugbegleiterin befindet sich Ji-woo gerade in Bangkok, weshalb Jane spontan den nächsten Flieger nach Thailand nimmt.
Im Flugzeug lernt sie zufällig den populären Rapper Rainfall (Lee Hae-jun) kennen, ohne zu wissen, dass er derzeit ein Shootingstar der koreanischen Musikszene ist. Der Sänger will seinen Songwriter und besten Kumpel Summer (Baek Seung-heon) in der Landeshauptstadt besuchen. Ein Wiedersehen gibt es in Summers Stamm-lokal, deren Besitzerin zufälligerweise auch Ji-woo ganz gut kennt, sodass sie einander vorstellen kann. Und schon beginnt ein scheinbares Doppeldate, das sich im Laufe der durchgemachten Nacht in eine ganz andere Richtung entwickelt.
Verrückt nach Jane
Allein die Namen der beiden Männer deuten einen konträren Charakter an: Der eine mit sonnigem Gemüt, der nichts anbrennen lässt und Exzessen wie Drogen und Sex verfällt, der andere als melancholischer Romantiker, der es lang
sam angeht und sich die große Liebe verspricht. Wer auf wen steht wird dabei schnell deutlich, denn „Jane’s Summer“ist in diesem Zusammenhang ein ähnlich doppeldeutiger Titel wie die „deutsche“Entsprechung „Summer Sway“. Da Jane im Zentrum der Handlung steht, arbeitet der Film zudem ihre Vergangenheit auf: Das Trauma ihrer Mutter, ihre Beziehung zu Ji-woo. Ihre Tanzkarriere und so weiter.
Und am Ende wird sie zu einer Erkenntnis kommen, die ihr ein von Summer geschriebener und von Rainfall vorgetragener Song nahelegt. Was das zu bedeuten hat, muss das Publikum selbst herausfinden. Ein wenig erinnert diese vermeintliche Viererkonstellation an Shakespeare-stücke wie z. B. „Zwei Herren aus Verona“, in denen sich Frauen auch schon mal als Männer verkleiden und jeder mit jedem anbandelt, was zu allerlei Gefühlschaos führt.
Unfähig zur Liebe
So richtig große Gefühle verbreitet „Summer Sway“allerdings nicht gerade, auch wenn die Situationen sehr schön mit der Kamera eingefangen sind. Hölzern vorgetragene Dialoge machen es schwierig, sich wirklich in die Charaktere hineinzuversetzen. Das liegt zum einen an den nicht gerade natürlich geschriebenen Dialogen selbst. Zum anderen scheinen die Darsteller gerade erst von der Schauspielschule gekommen zu sein. Und Janes Rolle ist vom Drehbuch ohnehin unterkühlt angelegt. Was man der Hauptdarstellerin Seo Na-yeong allerdings zugute halten muss, sind ihre Tanzfähigkeiten, die zwar nicht atemberaubend aber dennoch beeindruckend choreografiert und praktiziert sind.
Menage-a-quatre?
Und ja, das Titelbild verspricht auch etwas Erotik, die der Film tatsächlich bietet. Nackte Körper reiben aneinander und bieten minutenlange voyeuristische Einblicke in Janes Liebesleben. Regisseurin Song nutzt den Sex und die Darstellung desselbigen als Symptom des inneren Konfliktes von Jane. In der klassischen Dramaturgie könnte man hier auch von der „Climax“(Höhepunkt) mit Peripetie sprechen.
Doch das eigentliche Unglück hat sich bereits vor Jahren in Janes Kindheit abgespielt, weshalb sie die momentan völlige Leere ihres Herzes nun nicht mehr zu füllen vermag. Der ästhetischen Darstellung der von Jane gewollten Erotik steht die Auswirkung ihres verselbständigten Rufs als „leichtes Mädchen“gegenüber. Wenn ihr der Tanzpartner während der Probe in den BH grabscht, weil sie irgendwann mal miteinander geschlafen haben, verdeutlicht das Janes große Misere innerhalb der Dance Company, der sie nur entkommen kann, wenn sie ihren quasi von Geburt an trainierten Traumberuf aufgibt – ein Stück ihrer Seele.
Tv-tendenz
Obwohl es sich um einen koreanischen Kinofilm handelt, wirkt „Summer Sway“wie eine Tv-produktion, was vor allem an der Zeilenverschiebung des Bildes samt offensichtlicher Treppchenbildung liegt. Lichtdurchflutete Ambiente verbreiten eine Traumstimmung, ohne Urlaubs-flair. Im Zusammenspiel mit einem von Schleiern behangenen Bett und einer dauerkreisenden Kamera erinnert das schon am ehesten an einen 1990erjahre Soft-erotik-streifen. Das Nachtleben Bangkoks wartet wiederum mit einer Neon-bunten Clubszene auf, die leider auch Farb-banding mit sich bringt. Abgesehen von den sicherlich schwierig zu synchronisierenden Dialogen, punktet auch der Audiomix nicht gerade mit offensiver Dreidimensionalität. Das wird von einem Romantik-drama wie diesem aber auch nur in den seltensten Fällen erwartet. Die Fernseh-ästhetik wird dadurch leider zusätzlich gefördert. Zumindest das thailändische Nachtleben hätte räumlicher gestaltet sein können. Dafür bringen Rainfalls optimistische Hiphop-vibes etwas Schwung in die Szene.