Before Trilogie
Es ist die Chronik einer Liebe, mit der sich so ziemlich alle Filmfans identifizieren können. Eine Chronik des Alterns und ein Zeitdokument, wie es einmalig ist in der gesamten Film-geschichte. Und damit ist nicht nur das halb improvisierte Flanieren durch Wien gemeint, durch das „Before Sunrise“1995 bekannt wurde. Oder die vielen kleinen und großen Wahrheiten, über die Jesse (Ethan Hawke) und Celine (July Delpy) währenddessen debattieren. Damit sind nicht nur die erzählerischen Lücken gemeint, die die Zuschauer fragen lassen, haben sie nun miteinander geschlafen oder nicht? Werden sie sich in sechs Monaten wiedersehen oder nicht? Es ist hauptsächlich das, was die beiden Fortsetzungen ins Spiel bringen: Nämlich der Faktor Zeit, der ab dem neun Jahre später erschienenen „Before Sunset“nach Celine, Jesse und der jeweiligen bereisten Stadt die vierte Hauptrolle übernimmt. In Paris merken sie, dass ihre gemeinsame Zeit erneut stark begrenzt ist – Jesse darf seinen Flug nicht verpassen! Zudem ist in
beider Leben viel passiert. Celine hat mehrere verkappte, schwierige Beziehungen hinter sich und Jesse ist verheiratet und hat einen Sohn. Wird er am Ende seinen Flug sausen lassen, um mit Celine endlich die Beziehung führen zu können, die sie immer haben wollten?
Beziehungs- oder Reiserategeber?
Mit „Before Midnight“hat 2013 wirklich niemand gerechnet. Die beiden Protagonisten befinden sich in ihren Vierzigern, haben gemeinsam zwei wunderschöne Töchter und verbringen ihren Urlaub in Griechenland bzw. bei Athen, um bei den Groß- bzw. Hauptstädten zu bleiben. Mit Kindern im Schlepptau ist es schwieriger gemeinsame Gespräche über Gott und die Welt zu führen, aber es gelingt ihnen und es ist wunderbar! Romantisch und völlig entzaubernd zugleich, denn sie sind nicht mehr ganz so knackig wie früher, haben nicht mehr ganz so viel Zeit auf der Welt und Unzufriedenheit macht sich bei beiden breit – wofür sie sich gegenseitig die Schuld geben. Da wird schon mal aus einer Liebes- und Bettszene urplötzlich ein handfester Streit über Existenzielles.
After Midnight
Sind sie nun zu dem geworden vor dem sie sich seit ihrem ersten Treffen im Zug nach Wien gefürchtet haben? Ein altes Ehepaar, das sich wie die beiden Österreicher Vorwürfe schleudernd gegenseitig vergiftet? Welches sich zunehmend weniger versteht, weil die Frau im Alter tiefe Frequenzen schlechter wahrnimmt, während der Mann taub gegenüber hohen ist? Oder sorgen der griechische Sommer und ihre anderen
ausgelassenen Gespräche dafür, dass sie doch mehr verbindet als entzweit? Vermutlich beides ein wenig. Beschaut man sich den zur Tradition gewordenen Neunjahres-rhythmus der drei Filme, wäre nächstes Jahr theoretisch der vierte Teil dran – vielleicht auch als erster Teil einer neuen „After …“-Trilogie. Und das soll kein pietätloses Wortspiel sein und eher so aufgefasst werden wie: Was passiert, nachdem auch das letzte Quäntchen Verliebtsein verschwunden ist – quasi als Wechseljahre der Liebe, bevor mit 60 die Zeit des Alters beginnt?
Momente für die Ewigkeit
Da Regisseur Richard Linklater und seine beiden Koautoren, Koregisseure sowie Hauptdarsteller derzeit aber anderen 2022-Projekten nachgehen, sieht es erst einmal danach aus, als gäbe es keinen neuen 15-Tage-dreh, der diesmal ja in einer Us-großstadt stattfinden sollte. Wer sich die vergangenen Momente bewahren möchte, erhält mit dieser ästhetischen Trilogiebox ein wunderbar platzsparendes Gesamtwerk fürs Regal, das von Studiocanal vertrieben wird, dessen ersten beiden Blu-rays allerdings von Warner Bros. stammen, wobei die Aufmachung und Ausstattung der Discs gleich geblieben sind. Neu restauriert wurde hier nichts und die Extras beschränken sich auf die zwei bekannten Set-besuche zu den beiden Fortsetzungen „Sunset“und „Midnight“.